Streit um Flug-Streichungen Crews werfen Air Berlin Sabotage vor

Düsseldorf · Chatprotokolle der Beschäftigten zeigen, dass die insolvente Fluggesellschaft Flüge strich, obwohl die Flugbesatzung anwesend war. Die Berliner Airline schweigt zu den Anschuldigungen.

Air Berlin-Crews helfen in Düsseldorf gestrandeten Passagieren
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Air Berlin-Crews helfen gestrandeten Passagieren

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Foto: Birgit Wanninger

Mehrere Beschäftigte der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin haben schwere Vorwürfe gegen ihren Arbeitgeber erhoben. Das belegen interne Chatverläufe, die unserer Redaktion vorliegen. "Bei Air Berlin werden die Crews teilweise daran gehindert, in die Flieger zu steigen, diese werden gecaxt (Anm. der Red.: gestrichen), und hinterher soll es wieder wie Streik aussehen."

Vor einer Woche hatten sich reihenweise Air-Berlin-Piloten krank gemeldet und massive Flugausfälle ausgelöst. Das Management witterte einen "wilden Streik". In Deutschland dürfen nur die Gewerkschaften im Rahmen von Tarifverhandlungen zu Streiks aufrufen. Der Generalbevollmächtigte des Unternehmens, Frank Kebekus, hatte damals gesagt: "Wenn sich die Situation nicht kurzfristig ändert, werden wir den Betrieb und damit jegliche Sanierungsbemühungen einstellen müssen."

"Überforderung oder Sabotage"

Die Chatprotokolle zeichnen ein anderes Bild. Ein Beschäftigter schreibt: "Viele Kollegen melden sich ständig freiwillig oder haben Standby und werden einfach nicht aktiviert. Also entweder die Planung ist so überfordert, das sie gar nichts mehr schnallen, oder es ist Sabotage." Die Berliner Fluggesellschaft ließ Anfragen zu den Vorwürfen unbeantwortet.

Zahlreiche Flüge waren am Wochenende abgesagt worden. Um den Passagieren zu demonstrieren, dass sie sehr wohl einsatzfähig sind, eilten Crewmitglieder am Samstag zum Flughafen Düsseldorf. Dort hatte sich in der Abflughalle am Air-Berlin-Schalter eine mehr als 100 Meter lange Schlange gebildet. Die Passagiere warteten zum Teil schon seit Stunden. Die helfenden Air-Berlin-Angestellten, ausschließlich Flugbegleiter und Piloten, verteilten nicht nur bis in den frühen Abend Getränke und Snacks: "Wir wollen auch demonstrieren, dass wir nicht krank sind, und dass wir sofort fliegen können", sagte ein Flugbegleiter.

Unterdessen macht sich der Insolvenzantrag von Air Berlin nach Beobachtung des Geschäftsreiseverbands VDR in den Ticketpreisen bemerkbar. "Wir haben Rückmeldungen von unseren Mitgliedsunternehmen, dass es schon jetzt die Tendenz zu Preiserhöhungen gibt", sagte Vizepräsident Ralph Rettig der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten". Der VDR erläuterte, dass Firmen nun tiefer in die Tasche greifen müssen, wenn sie für ihre Mitarbeiterflüge Air Berlin meiden und etwa mit der Lufthansa verhandeln. Beziffert wurden die Preissteigerungen nicht. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt hatte schon unmittelbar nach dem Insolvenzantrag von Air Berlin vor einem Lufthansa-Monopol auf bestimmten Strecken gewarnt. Bei innerdeutschen Flügen hat die Frankfurter Linie dem Zentrum zufolge schon jetzt einen Marktanteil von knapp 72 Prozent, bei den Europaflügen von deutschen Flughäfen von 36 Prozent.

Mehrere Bieter haben Angebote abgegeben

Im Rennen um die Zukunft von Air Berlin ist seit Freitag die erste Etappe beendet. Mindestens fünf Angebote für die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft gingen bis Fristende ein. Bieter für Teile der Airline sind die Lufthansa, Easyjet, Niki Lauda gemeinsam mit Condor sowie der Berliner Logistiker Zeitfracht. Der Unternehmer Utz Claassen bietet für die ganze Fluggesellschaft. Ein weiteres Angebot hat der Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl abgegeben. Offenbar soll auch die British Airways ein Angebot gemacht haben.

Air Berlin sprach nur von "mehreren" Bietern und nannte keine Namen. Die Gläubiger sollen an diesem Donnerstag beraten, vier Tage später soll der Aufsichtsrat über die Zukunft der zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft mit ihren mehr als 8000 Beschäftigten entscheiden.

(brö, maxi)
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