8000 neue Jobs pro Jahr Arbeitsplätze kehren wieder zurück

Düsseldorf · Qualität statt Kostenflucht: Jahrelang wanderten deutsche Jobs in Billiglohnländer ab. Jetzt kommen sie oft zurück. Das Lohngefälle ist geschrumpft. Und mancher Unternehmer hat erst im Ausland gemerkt, was er an der Heimat hatte.

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Foto: dapd

Schlechte Qualität, teures Personal, unzuverlässige Lieferanten und hohe Transportkosten: Immer mehr deutsche Unternehmer kehren dem Ausland den Rücken und verlagern ihre Produktion wieder nach Deutschland. "Wir sehen derzeit 300 bis 400 Unternehmen pro Jahr, die ihre Kapazitäten wieder zurück nach Deutschland holen", sagte gestern Steffen Kinkel von der Hochschule Karlsruhe. Seiner Schätzung zufolge geht es dabei um rund 8000 neue Jobs pro Jahr.

Der Trend ist stabil. Kinkel kann das beurteilen: Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Systemforschung untersucht er im Auftrag des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) schon seit Jahren die Auslandsproduktion der deutschen Wirtschaft.

Die Renaissance hält an

"Die Produktionsverlagerung ins Ausland hat 2012 den niedrigsten Stand seit Mitte der 1990er Jahre erreicht", so Kinkel, "mittlerweile kommt auf jeden vierten Verlagerer ein Unternehmen, das seine Produktion zurück nach Deutschland holt." VDI-Präsident Bruno Braun macht daraus schon eine Art Werbeslogan: "Made in Germany schlägt Low Cost", sagte er gestern, "die Renaissance des Produktionsstandortes Deutschland hält an."

Allerdings redet die deutsche Wirtschaft nicht so gerne darüber. "Die Rückverlagerung von Arbeitsplätzen nach Deutschland soll nicht wie die Korrektur eines Management-Fehlers aussehen", erklärt Kinkel, warum die meisten der 1600 befragten Unternehmen anonym bleiben. Trotzdem wurden in jüngster Zeit ein paar prominente Beispiele bekannt: Der Kettensägenhersteller Stihl zum Beispiel. Weil die brasilianische Währung immer stärker wurde, konnte der Weltmarktführer aus Schwaben in Südamerika kaum noch Lohnkostenvorteile erzielen.

Hochpreis-Strategie in Deutschland

Der Stofftier-Hersteller Steiff musste lernen, dass Billigproduktion in China und Hochpreis-Strategie in Deutschland nicht zusammenpassen. Nach vier Jahren holte Steiff die China-Produktion nach Deutschland zurück. Selbst die Fertigung schlichter Produkte ist in China nicht mehr zwingend günstiger. Der Haushaltswarenhersteller Fackelmann lässt dort nicht einmal mehr seine Kochlöffel produzieren — Lohnsprünge von 20 Prozent pro Jahr waren den Franken zuviel.

Mitte der 1990er Jahre galt China noch als verlängerte Werkbank des Westens. Auf teuren Seminaren lernte das deutsche Management das Einmaleins des "Offshoring", wie die Arbeitsplatzverlagerung damals hieß. Für die Rückverlagerung gibt es zwar noch kein englisches Modewort, aber sie scheint zu funktionieren. Als Hauptgründe nennen die befragten Unternehmen die höhere Flexibilität der deutschen Arbeitnehmer, ihre höheren Qualitätsstandards sowie die gute Infrastruktur in Deutschland. "Natürlich kann man deutsche Qualität auch im Ausland produzieren", sagt Kinkel, "die Frage ist nur, wie lange man dafür braucht."

Entsprechend gebremst ist inzwischen der Drang deutscher Unternehmer ins Ausland. "Lediglich acht Prozent der Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes haben von 2010 bis Mitte 2012 Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagert. 2006 lag der Wert noch bei 15 Prozent", sagte Braun. In der Summe betreiben die deutschen Unternehmen aber immer noch 20 Prozent ihrer Kapazitäten im Ausland. Allerdings spielt das Motiv "Personalkostenersparnis" dabei eine immer kleinere Rolle. Stattdessen suchen deutsche Unternehmen mit Niederlassungen im Ausland heute eher die Nähe zur Kundschaft in Wachstumsregionen.

(RP/csi/jre)
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