Metro will 60 von 90 Filialen retten Arcandor sucht den Notausgang

Düsseldorf (RP/RPO). Die Zukunft des angeschlagenen Waren- und Reisekonzerns Arcandor (Karstadt, Quelle, Thomas Cook) ist ungewisser denn je. Die EU hat ihr Veto gegen schnelle Staatshilfen eingelegt. Letzte Hoffnung des Konzerns: die Wahlkämpfer der SPD. Die loten bereits Alternativen aus. Eine Fusion von Karstadt mit dem Rivalen Kaufhof könnte der Rettungsanker sein.

Opel, Arcandor, Schaeffler - Sündenfall Staatshilfen
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Die Abfuhr aus Brüssel Die EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes hat am Mittwoch überraschend schnell und überraschend deutlich Hilfen in Form einer Bürgschaft aus dem sogenannten Deutschlandfonds abgelehnt. "Unsere vorläufige Einschätzung ist, dass Arcandor schon vor dem 1. Juli 2008 in Schwierigkeiten war", begründet der Sprecher von Kroes die klare Ansage. Damit sei das Unternehmen "nicht förderungswürdig". Arcandor könnte nicht von der Lockerung der EU-Regeln für Hilfsprogramme der Mitgliedstaaten profitieren.

Eine Lösung muss dringend her. Es bleibt nur noch eine Woche Zeit. Arcandor hat Bundesbürgschaften über 650 Millionen Euro sowie KfW-Kredite über 200 Millionen Euro beantragt. Ohne Staatshilfe droht dem Konzern ab dem 12. Juni die Insolvenz. Vor allem die Kaufhäuser bringen hohe Verluste ein. Eine endgültige Entscheidung wird der Bürgschaftsausschuss der Bundesregierung voraussichtlich Anfang kommender Woche treffen.

Die Reaktionen Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der sich schon in den vorherigen Tagen immer wieder zurückhaltend geäußert hatte, akzeptiert das Votum. Den schwarzen Peter kann er nach Brüssel weitergeben. Die SPD aber bleibt am Ball. Sie setzt sich mit Vehemenz für Staatshilfen ein. Sie will Arbeitsplätze retten. In welcher Form auch immer.

Das Argument der SPD Frank-Walter Steinmeier, sozialdemokratischer Kandidat fürs Kanzleramt sagt: "Die Beschäftigten bei Karstadt und Quelle haben es nicht verdient, dass ein ordnungspolitisches Exempel an ihnen statuiert wird." Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Ludwig Stiegler, legte am Donnerstag erneut nach: "Der Staat kann nicht zusehen, wie 50 000 Frauen auf die Straße gejagt werden und die Innenstädte veröden", sagte Stiegler der "Passauer Neuen Presse."

Was nach dem Nein aus Brüssel bleibt

Trotz Noch will Arcandor die Hoffnung nicht aufgeben. Der Vorsitzende des Betriebsrats von Arcandor, Hellmut Patzelt, hat angekündigt, weiter um eine Staatsbürgschaft für den angeschlagenen Konzern kämpfen zu wollen. Dafür will er am Donnerstag und am Freitag nach Berlin reisen, wo er auf ein Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) hofft. Am kommenden Montag wird nach Informationen des "Tagesspiegel" eine endgültige Entscheidung erwartet.

Rettungsbeihilfen der EU Guttenberg sagte nach einem Gespräch mit der Kommissarin in Berlin, er sehe "kaum Chancen" für Staatshilfen an Arcandor aus dem Deutschlandfonds. Er habe Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick geraten, eine so genannte Rettungsbeihilfe der EU zu beantragen. Damit verbunden wären allerdings empfindliche Auflagen. Einschnitte in die Konzernstruktur wären die Folge, unter anderem auch ein Kapazitätsabbau von bis zu 30 Prozent, was im Falle von Arcandor rund 17.000 Stellen entspricht.

Fusion Karstadt—Kaufhof Ein Zusammengehen von der hochdefizitären Karstadt-Sparte mit den Kaufhäusern des Metro-Konzerns ist eine Karte, auf die zunehmend die SPD setzt. Steinmeier wirbt dafür, "eine Gesamtlösung für den Warenhaussektor in Deutschland zu erarbeiten, bei der möglichst viele Arbeitsplätze zu fairen Arbeitsbedingungen erhalten bleiben".

Metro interessiert Der Handelskonzern Metro hat sein Interesse nach der Ansage aus Brüssel bereits bekräftigt. "Wir sind sicher, dass wir von den 90 Häusern 60 übernehmen und in unser Galeria-Kaufhof-Konzept integrieren können", sagte Metro-Finanzvorstand Thomas Unger der "Welt". Die Übernahme der Karstadt-Kaufhäuser will Metro-Vorstandschef Eckhard Cordes bis Ende der Woche mit der Kanzlerin und ihrem Vize erörtern, berichtet die "Bild"-Zeitung. Auch Guttenberg findet den Ansatz interessant.

Überbrückungskredit Wie die "Financial Times Deutschland" berichtet, lotet die SPD dazu die Möglichkeit eines Überbrückungskredits der Staatsbank KfW aus. Volumen: gut 300 Millionen Euro. Die Finanzspritze solle Arcandor in die Lage versetzen, mit der Kaufhof-Mutter Metro auf Augenhöhe zu verhandeln. Guttenberg will davon erst mal nichts wissen. Er sei gegen "vorauseilende Heilsversprechen".

Beteiligung der Eigentümer Zunehmend rücken die Arcandor-Großaktionäre in den Blick. Die Milliardärin Madeleine Schickedanz und die Privat-Bank Sal. Oppenheim sind allem Anschein nach bereit, sich einzubringen. Laut "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" erwägen sie, dem Staat ihre Aktienpakete als Sicherheit zur Verfügung zu stellen. Das wären beim aktuellen Wert 270 Millionen Euro. Klingt gut, ist aber eine Mogelpackung: Denn bei einer Insolvenz wären die Aktien sowieso nichts mehr wert. Es gibt nur eine Alternative: Oppenheim und Schickedanz müssten ihre Privat-Bürgschaft für die Staats-Bürgschaft mit echtem Geld unterfüttern.

Die Insolvenz Last, but not least steht die Pleite. Die aber würde nicht zwangsläufig das Aus für Arbeitsplätze und die Tochterunternehmen bedeuten. Das hat alleine die Debatte um Opel und die von Guttenberg ins Spiel gebrachte "geordnete Insolvenz" gezeigt. Doch ist offen, ob der Konzern als solcher überleben könnte. Eine Zerschlagung in die einzelnen Sparten ist im Bereich des Möglichen. Karstadt an die Metro, der Otto-Versand soll bereits Interesse am Versandgeschäft signalisiert haben, die Touristik-Sparte Thomas Cook, ander Arcandor 50 Prozent hält, arbeitet bereits eigenständig.

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