Abgasskandal Audi-Chef Rupert Stadler verspricht schnelle Aufklärung

Ingolstadt · Zuerst wurde Rupert Stadler wegen des Abgasskandals von internen Ermittlern befragt, nun tauchten neue Vorwürfe gegen ihn auf. Im Interview mit unserer Redaktion gibt sich Stadler kooperationsbereit – und spricht über die Diesel-Liebe der Deutschen.

 Audi-Chef Rupert Stadler verspricht Aufklärung.

Audi-Chef Rupert Stadler verspricht Aufklärung.

Foto: dpa, jst gfh wst

Zuerst wurde Rupert Stadler wegen des Abgasskandals von internen Ermittlern befragt, nun tauchten neue Vorwürfe gegen ihn auf. Im Interview mit unserer Redaktion gibt sich Stadler kooperationsbereit — und spricht über die Diesel-Liebe der Deutschen.

Eigentlich sollte es beim Treffen mit Rupert Stadler um die Zukunft gehen - Herausforderungen durch neue Konkurrenten wie Google etwa. Doch kurz vorher kam heraus, dass der Audi-Chef von den internen Ermittlern wegen des Abgasskandals bei Volkswagen befragt werden sollte, ein Thema, bei dem der ansonsten entspannte Audi-Chef sehr schmallippig wurde.

Hätten Sie vor einem Jahr gedacht, dass wir heute noch immer über den Abgasskandal reden müssen?

Stadler Wichtig ist, dass alles schonungslos aufgeklärt wird. Dieser Prozess dauert an. Ich werde den Kopf nicht in den Sand stecken, sondern meine Führungsaufgabe wahrnehmen. Gemeinsam mit meinen Vorstandskollegen muss ich dem Unternehmen und der Mannschaft eine Richtung geben.

Sind die Arbeitstage für Sie länger geworden?

Stadler Die sind intensiver geworden. Lange gearbeitet habe ich schon immer.

Die Herausforderungen haben für die Auto-Hersteller durch die Digitalisierung extrem zugenommen. Plötzlich gibt es mit Apple, Google oder dem Fahrdienstanbieter Uber neue Gegner. Wer macht Ihnen am meisten Angst?

Stadler (überlegt) Ich glaube, keiner der drei wird am Ende der bessere Autobauer sein wollen. Da haben wir einen Top-Vorsprung. Aber jeder der drei wird vermutlich versuchen, das System zu beherrschen. Doch diesen Ehrgeiz haben wir auch. Die wichtigste Durchbruchtechnologie unserer Branche wird in absehbarer Zeit das pilotierte Fahren sein. Da steht Audi an der Spitze. Vor unseren neuen Wettbewerbern haben wir keine Angst, aber sicher Respekt. Gerade im Premium-Autogeschäft wird sich sehr schnell die Spreu vom Weizen trennen, weil der Kunde weiterhin einen hohen Komfort, unverwechselbares Design und neueste Technologie erwartet. Da werden wir unsere Stärken ausspielen.

Apple plant angeblich, den britischen Premiumhersteller McLaren zu übernehmen - vielleicht bauen sie also demnächst doch Autos. . .

Stadler: Warten wir's ab.

Können Sie sich vorstellen, dass Software von Google oder Apple künftig Audis steuert?

Stadler Das kann ich mir nicht vorstellen. Was einzelne Dienste angeht, zum Beispiel bei Entertainment-Funktionen, da werden diese Unternehmen durch eine Eintrittstür gehen müssen. Die Anbieter werden ihre Grenzen definieren und wir werden das genauso tun. Irgendwann wird man sich dann kommerziell finden - oder eben nicht. Was wir nicht wollen, sind Abhängigkeiten. Konstruktive Partnerschaften werden für uns alle aber immer wichtiger werden.

Der Mitgründer des Uber-Konkurrenten Lyft behauptet, 2025 werde es so gut wie keine privaten Autos mehr in den USA geben. Ist das realistisch?

Stadler Das wird die Zeit entscheiden. Momentan gibt es eine Aufbruchstimmung, neue Technologien ermöglichen uns Dinge, die es vor zehn Jahren nicht gegeben hat. Themen wie Finanzierung und Leasing spielen in den USA traditionell eine größere Rolle als in Europa. Im Premium-Geschäft liegt der Leasing-Anteil heute bei 60 bis 70 Prozent, das heißt, der Kunde ist ja im Grunde bereits eher Nutzer als Besitzer. Trotzdem wird die Begeisterung für das Automobil bleiben, auch wenn sich die Nutzungsformen verändern.

Sie wollen künftig die Hälfte des Umsatzes mit Services und Dienstleistungen machen. Wie soll das gehen?

Stadler Wir erproben gerade mögliche Varianten. In Hongkong stellen wir den Bewohnern einer gehobenen Wohnanlage zum Beispiel verschiedene Modelle zur Verfügung, die sie online buchen können. Wenn der Kunde einen Ausflug macht, kann er das Cabrio nehmen, für den Großeinkauf den SUV - und am Ende bezahlt er lediglich die Nutzungsdauer.

Ein Digitalexperte soll Sie mal gefragt haben, warum Ihre Kunden stundenlang mit Gurt gefesselt im Auto rumsitzen und Sie trotzdem keinen Umsatz mit ihnen machen.

Stadler (lacht) Das stimmt, da habe ich gestaunt. So hat bei uns bislang keiner gedacht. Bei uns galt: Wir verkaufen einmal ein Auto und da ist dann von Anfang an nur die Ausstattung drin, die er bestellt hat. In Zukunft wäre denkbar, dass wir die Autos höher ausrüsten und bestimmte Funktionen später auf Kundenwunsch freischalten.

Was bedeutet das für die Produktion?

Stadler Das könnte zum Beispiel bedeuten, dass wir die Stückkosten senken können, weil wir bestimmte Funktionen oder Ausstattungen häufiger einbauen. Es könnte auch dazu führen, dass sich die Komplexität unserer Produktion reduzieren lässt. Wir könnten auch bei Gebrauchtwagen das Produkt anreichern, indem wir zusätzliche Funktionen freigeben und dadurch die Attraktivität steigern.

Gleichzeitig müssen Sie massiv in neue Antriebe investieren. Knapp zwei Drittel aller Audis sind Diesel. Bedrohen mögliche Fahrverbote in Städten, wie Gerichtsurteile sie zuletzt wahrscheinlicher gemacht haben, ihr Geschäftsmodell?

Stadler Nein, das Gefühl habe ich nicht. In China liegt der Diesel-Anteil bei fast null Prozent, in den USA bei Personenkraftwagen im einstelligen Bereich. In Europa lieben die Kunden den Diesel nach wie vor, weil er eine hohe Reichweite hat, einen niedrigen Verbrauch, damit auch weniger CO2 emittiert als ein Benziner und ein tolles Drehmoment bietet - das sollten wir nicht unter Wert verkaufen. Der Diesel-Antrieb wird auch weiterhin zukunftsfähig gemacht. Natürlich müssen wir parallel die Elektromobilität anschieben .

Im Moment haben Sie bei E-Autos noch ziemlichen Nachholbedarf.

Stadler Wir haben zwei hochattraktive Hybride, die an der Steckdose geladen werden können. Bis 2020 wollen wir drei weitere rein elektrisch angetriebene Autos auf den Markt bringen. Unsere neuen Modelle werden alle eine Reichweite von 500 Kilometern haben. Ich habe immer gesagt: Solange wir nur Reichweiten von 150 oder 200 Kilometer hinbekommen, machen Elektroautos keinen Sinn. Wir sehen jetzt, dass die Batterien deutlich leistungsfähiger und kostengünstiger werden und deshalb haben wir den Startschuss zum größten Umbau in unserer Modellpalette gegeben.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE FLORIAN RINKE.

(frin)
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