Nach erstem Krisengipfel in Mainz Bahn kündigt Verbesserungen an - Stück für Stück

Mainz · Die Bahn kann das Chaos am Mainzer Hauptbahnhof trotz des großen Drucks nicht kurzfristig abstellen. Der Chef der Bahntochter DB Netz, Frank Sennhenn, kündigte nach einem Krisengipfel aber Verbesserungen ab der nächsten Woche an.

Ab kommendem Samstag (17. August) gelte zunächst nur an den Wochenenden wieder der normale Fahrplan, ab kommenden Montag (19. August) dann auch nachts, sagte Sennhenn in Mainz. Zum Schulbeginn von Montag an sollten 85 Prozent der Züge zwischen und 6 und 8 Uhr wieder fahren. Zuvor war zunächst der Eindruck entstanden, dass es sich um die Zeit zwischen 6 und 20 Uhr handele.

Ab dem letzten Augustwochenende wolle die Bahn dann zum normalen Betrieb zurückkehren, falls nicht weitere Fahrdienstleiter krank würden. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) zeigte sich nicht zufrieden. Sie zog die Bilanz, "dass das Ergebnis nicht zufriedenstellend ist, aber dass es eine deutliche Linderung der Situation geben wird". Dreyer forderte vom Bund als Eigentümer mehr Engagement. Der Bund solle außerdem weniger Geld aus der Bahn herausziehen. Der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD)
kritisierte: "Das ist bei weitem noch nicht genug."

Bundesamt macht Druck

Das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) hat unterdessen nach den massiven Problemen am Mainzer Hauptbahnhof den Druck auf die Deutsche Bahn erhöht. Mit Bescheid vom Montag sei die Bahn angewiesen worden, "unverzüglich" den uneingeschränkten Betrieb des Stellwerks Mainz wieder aufzunehmen, bestätigte eine Sprecherin der Behörde am Dienstag einen entsprechenden Bericht des "Handelsblattes". Unverzüglich bedeute dabei ein Handeln ohne "schuldhaftes Zögern". Die Bahn müsse zudem künftig verhindern, dass Ausfälle durch fehlendes Personal ausgelöst werden können.

Das EBA sieht in den Problemen der Sprecherin zufolge auch einen möglichen Gesetzesverstoß der verantwortlichen Bahn-Tochter DB Netz. Nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz sei die Bahn verpflichtet, ihre Infrastruktur in einem betriebssicheren Zustand für den Eisenbahn-Verkehr zu halten. Zur Erfüllung dieser Pflicht seien ausbildungstechnische, betriebliche oder fahrplanerische Schritte denkbar - die Entscheidung darüber liege bei der DB Netz.

Das EBA verpflichtete die Bahn, fortlaufend über ihre Maßnahmen zur Behebung der Probleme zu berichten. Für den Fall, dass die DB Netz nicht alles ihr Mögliche und Zumutbare zur ausreichenden Besetzung des Stellwerks unternehme, drohte die Behörde mit weiteren Schritten gegen die Bahn.

Ramsauer gibt SPD Mitschuld am Desaster

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat der SPD Mitverantwortung an den Problemen rund um den Mainzer Hauptbahnhof gegeben. Es seien SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück als früherer Bundesfinanzminister und Wolfgang Tiefensee als Ex-Verkehrsminister (ebenfalls SPD) gewesen, welche "die Privatisierung der Bahn massiv vorangetrieben, das Unternehmen kostenmäßig ausgeblutet und so die Braut für den Börsengang geschmückt hätten", erklärte Ramsauer am Dienstag in Berlin. Das Personal bei der Bahn sei während der Amtszeit unter Duldung der ehemaligen Minister "sträflich heruntergefahren" worden.

Steinbrück habe den Börsengang "nur wegen des ungünstigen Marktumfeldes aufgrund der weltweiten Finanzkrise auf unbestimmte Zeit verschoben", erklärte Ramsauer. Werfe die SPD der Bundesregierung heute Verfehlungen vor, sei das ein Anzeichen für "politischen Gedächtnisschwund".

Nach der Großen Koalition aus CDU, CSU und SPD bis 2009 habe die schwarz-gelbe Bundesregierung "die Scherben aufgekehrt und den Kurswechsel hin zu einer kundenorientierten Deutschen Bahn vollzogen", erklärte Ramsauer. Die Mitarbeiterzahlen seien wieder erhöht und Werkstätten wieder geöffnet worden. Zuvor hatten bereits FDP-Generalsekretär Patrick Döring und der FDP-Fraktionschef im Bundestag, Rainer Brüderle, SPD und Grünen eine Mitverantwortung an dem Bahn-Desaster in Mainz vorgeworfen.

GDL: 800 Lokführer fehlen

Bei der Deutschen Bahn AG fehlen nach Ansicht der Gewerkschaft GDL auch mindestens 800 Lokführer. Man werde im nächsten Tarifvertrag mit dem Unternehmen eine verbindliche Personalplanung vereinbaren, kündigte der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, Claus Weselsky, am Dienstag im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa an.

Die bislang vereinbarten Einstellungsquoten reichten nicht aus, um die Abgänge der kommenden Jahre zu kompensieren, sagte der GDL-Chef in Frankfurt. In den vergangenen Jahren sei die Zahl der Überstunden bei den aktuell rund 22.500 Lokführern auf mehr als drei Millionen Stunden in diesem Jahr angewachsen. Auch bei den privaten Bahnen mit rund 4500 Lokführern fehlten rund 200 Stellen.

Eine Sprecherin der DB AG verwies auf die intensivierten Anstrengungen des Unternehmens, neue Lokführer auszubilden. So befänden sich derzeit rund 1000 Nachwuchskräfte in der dreijährigen Ausbildung. Weitere 620 künftige Lokführer absolvierten die sieben bis acht Monate langen Funktionsausbildung, die Leuten mit bereits abgeschlossener Berufsausbildung vorbehalten ist. Sie sollten künftig im Regional, Fern- und Güterverkehr eingesetzt werden.

(dpa/AFP)
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