Interview Covestro ist ein Kandidat für den Dax

Düsseldorf · Am Dienstag kappt der Bayer-Konzern seine Wurzeln als Chemie-Unternehmen. Er spaltet die Tochter Bayer Material Science unter dem Namen Covestro ab, die bis 2016 an die Börse gehen soll. Covestro-Chef Patrick Thomas (57) erläutert im Interview, warum er sich wegen der China-Krise keine großen Sorgen macht und wie es nun für die 16.000 Mitarbeiter weitergeht.

 Covestro-Chef Patrick Thomas im RP-Interview.

Covestro-Chef Patrick Thomas im RP-Interview.

Foto: dpa

Am 1. September wird die Kunststofftochter Bayer Material Science rechtlich selbstständig und geht unter dem Namen Covestro an den Start. Was ist das für ein Gefühl?

Patrick Thomas Das ist ein großer Schritt für uns. Seitdem Otto Bayer vor 80 Jahren den Werkstoff Polyurethan erfand, hat Bayer Kunststoffe stets weiterentwickelt und für den Weltmarkt produziert. Nun werden wir mit einem sehr motivierten Team als reines Polymer-Unternehmen auf eigenen Füßen stehen.

Was heißt das konkret?

Thomas Wir stehen nicht mehr mit den Life-Science-Geschäften von Bayer in Konkurrenz um Ressourcen. Künftig konzentrieren wir uns ganz auf das, was wir als Polymer-Unternehmen brauchen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wir können die Zahl unserer Rechtseinheiten weltweit von 120 auf 70 reduzieren. Unter anderem werden wir unser Geschäft in 25 Ländern von einer einzigen Vertriebszentrale aus steuern. Wir brauchen nicht überall eine eigene Firma mit Adresse, Bayer als Life-Science-Unternehmen aber schon — wegen der Registrierung seiner Produkte.

Was bedeutet die Abtrennung für die Mitarbeiter?

Thomas Wir gehen mit über 16.000 Mitarbeitern an den Start, darunter sind 2000, die vom Mutterkonzern zu uns gewechselt sind, 1000 alleine in Deutschland. Wir haben nun eigene Mitarbeiter für Steuern, IT, Finanzen — Leistungen, die bisher der Bayer-Konzern für uns übernommen hat.

Kamen die Mitarbeiter freiwillig?

Thomas Wir haben doch etwas zu bieten. Junge Talente konnten wir locken, indem wir ihnen spannende Aufgaben mit Aufstiegschancen in Aussicht stellten. Zudem nehmen die Mitarbeiter alle erworbenen Unternehmensleistungen mit. Bis 2020 gilt bei Covestro in Deutschland, wie auch für die Bayer-Mitarbeiter, eine Beschäftigungssicherung.

Wie macht sich die Eigenständigkeit im Alltag bemerkbar?

Thomas Die Mitarbeiter identifizieren sich immer mehr mit Covestro. Es herrscht Aufbruchsstimmung. Wir reden intensiv über unsere gemeinsame Zukunft. Es gibt auch kleinere, sichtbare Änderungen. Wir nutzen demnächst andere Smartphones, in denen sehr viele unserer Produkte verarbeitet sind.

150 Jahre Bayer: Riesen-Party in Leverkusen
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Foto: dpa, Bayer Ag

Was bedeutet die Trennung für die Standorte in NRW?

Thomas Sie bleiben bestehen, dazu stehen wir. In Leverkusen und Dormagen arbeiten von nun an Bayer und Covestro nebeneinander. Krefeld-Uerdingen wird zu einem reinen Covestro-Standort.

Was ist mit der Zentrale? Schon einmal ist mit Lanxess eine Bayer-Tochter nach der Abspaltung fahnenflüchtig geworden.

Thomas Die Zentrale von Covestro bleibt in Leverkusen. Hier gibt es mit dem Chempark eine gute Infrastruktur, hier sind unsere Mitarbeiter zu Hause. Warum sollten wir das aufgeben?

Nach der Abtrennung ist Covestro zunächst noch eine 100-prozentige Tochter von Bayer. Dann kommt der Börsengang. Sind Sie im Plan?

Thomas Wir liegen voll im Plan. Bis spätestens zum Jahresende will Bayer entscheiden, ob es einen klassischen Börsengang oder einen Spin-off geben wird, bei dem den Bayer-Aktionären Covestro-Aktien ins Depot gelegt würden. Bis spätestens Mitte 2016 soll dann der Börsengang erfolgen.

Und, wie ist die Tendenz?

Thomas Ein klassischer Börsengang könnte womöglich schneller gehen, und es wäre kein Beschluss der Hauptversammlung nötig. Doch am Ende wird nüchtern in Abhängigkeit von der Lage am Kapitalmarkt entschieden.

China sorgt für Unruhe mit Börsenturbulenzen. Fürchten Sie, dass es Ihnen wie dem Konkurrenten Evonik geht, dessen Börsengang mehrmals verschoben wurde?

Thomas Nein, ich mache mir wegen China keine großen Sorgen. Wir erleben bisher offenbar eine Korrektur des zuletzt stark gestiegenen Aktienmarktes in China. Das Wachstum hat sich dort zwar verlangsamt. Doch selbst wenn die chinesische Wirtschaft weniger stark wachsen sollte, bedeutet dies immer noch eine kräftig steigende Nachfrage. Wir machen circa 15 Prozent unseres Umsatzes in China.

Interaktive Bayer-Ausstellung im BayKomm
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Foto: Miserius, Uwe

Bei einem Spin-off würde Bayer kein frisches Geld bekommen, würde Covestro aber entsprechend Schulden mitgeben. Wie viele?

Thomas Bayer wird uns in beiden Szenarien kapitalseitig angemessen ausstatten. Eine "Investment Grade"-Bonitätsnote gibt es üblicherweise in der Chemiebranche, wenn die Schulden das Dreifache des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibung nicht übersteigen.

Kann noch ein anderer Konzern auftauchen und Bayer die Covestro-Beteiligung abkaufen?

Thomas Das ist sehr unwahrscheinlich. Auf unseren Märkten sind wir die Nummer eins oder zwei. Das wäre schon aus kartellrechtlicher Sicht problematisch.

Welchen Anteil will Bayer eigentlich abgeben?

Thomas Das ist die Entscheidung unseres Mutterkonzerns. Bei einem IPO würde im ersten Schritt nur ein Minderheitsanteil an die Börse kommen.

Reicht das, um in den Dax zu kommen?

Thomas Das werden wir dann sehen, denn eine Aufnahme in den DAX hängt von vielen Faktoren ab. Mit einem Umsatz von 11,7 Milliarden Euro sind wir jedenfalls der viertgrößte Chemiekonzern Europas.

Die Bayer Kunststoffe haben seit 2011 so wenig Gewinn gemacht, dass sie nicht mal ihre Kapitalkosten verdienten. Warum sollte ein Aktionär die Covestro-Aktie kaufen?

Thomas In diesem Jahr wollen wir unsere Kapitalkosten wieder verdienen. Covestro ist ein gesundes, wachsendes Unternehmen. Auf all unseren Märkten sind wir in führender Position, die Nachfrage nach unseren Produkten wächst dynamisch, wir haben ein strenges Kostenmanagement.

Strenges Kostenmanagement hört sich nach Sparkurs an. Worauf müssen sich die Mitarbeiter einstellen?

Thomas Der Wettbewerb am globalen Kunststoffmarkt ist hart. Daher müssen wir die Kosten besonders kontrollieren. Doch die Sozialpartnerschaft, die bei Bayer gelebt wird, werden wir bei Covestro fortführen.

Auf Ihren Märkten herrschen Überkapazitäten...

Thomas Noch. Es wird erwartet, dass die Nachfrage bis 2020 stärker wachsen wird als die Kapazitäten. Das gilt für alle unsere drei Bereiche — für Polyurethane, die als Schaumstoffe in Haus und Auto stecken, für Polycarbonate, aus denen etwa Möbel und PC-Gehäuse gemacht werden, und besonders für Coatings, also unsere Lackrohstoffe. Jeder hat im Umkreis von einem Meter mit einem Covestro-Produkt zu tun.

Auf welche Dividende können sich die Aktionäre einstellen?

Thomas Einen genauen Rahmen zur Ausschüttung werden wir noch festlegen. Klar ist: Wir wollen unseren Aktionären eine solide und verlässliche Dividende bieten.

Sie werden zum Chef eine Weltkonzerns. Was verändert sich für Sie?

Thomas Zunächst einmal freue ich mich sehr auf diese spannende Aufgabe, die deutlich mehr Verantwortung mit sich bringt. Ich werde noch mehr unterwegs sein: Bei unseren Mitarbeitern, bei unseren Kunden und als börsennotiertes Unternehmen natürlich auch bei den Investoren. Hierbei kann ich herüberbringen, wovon ich voll und ganz überzeugt bin: dass Covestro ein tolles Unternehmen ist.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE ANTJE HÖNING.

(RP)
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