Hauptstadtflughafen BER — tausend Tage nix passiert

Berlin · Deutschlands peinlichstes Bauprojekt könnte einer Liedzeile des Musikers Klaus Lage entstammen: Tausendmal berührt, tausendmal ist nix passiert: Am heutigen Freitag ist der moderne Berlin-Brandenburger Großflughafen BER seit tausend Tagen nicht eröffnet. Und die zweifelhafte Entrauchungsanlage, wegen der die Behörden das Projekt im Frühjahr 2012 ausbremsten, ist immer noch nicht saniert.

Hauptstadtflughafen: So oft wurde die Eröffnung des BER schon verschoben
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Foto: dpa, rhi hpl

Das Chaos angesichts von über 100.000 einzeln aufgelisteten Pannen schreit nach Einschätzung von Bauexperten eigentlich nach einer Radikallösung: Abreißen, neu bauen. Zumindest dort, wo Murks und Vertuschung zu einem unentwirrbaren Knäuel verwoben sind. Wer will schon ein System aus Stromleitungen und Rohren für 75.000 Sprinkler und 16.000 Brandmelder ordnen, wenn die Pläne unvollständig sind und die Dinge anders verbaut wurden als geplant.

Das beginnt schon bei Kleinigkeiten wie Raumnummerierung, die zwischen Planzeichnungen und Realität auseinander gehen, und endet auch nicht bei der personellen Katastrophe, dass der neue Technik-Chef, der das alles neu ordnen sollte, inzwischen gefeuert und wegen Bestechlichkeit verurteilt worden ist.

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Aber es ist ja nicht so, dass beim BER nichts liefe: Täglich fällt durch Unterhaltung, Betreuung, Energie und Zinslasten mehr als eine weitere Million Euro an Kosten an. Und täglich fährt mehrmals ein Zug nach Nirgendwo, damit der dabei entstehende Luftstrom verhindert, dass die unterirdischen Röhren verrotten. Die Wachdienste verschlingen hohe Kosten, schließlich übt ein Geisterflughafen von solcher Größenordnung magnetische Anziehungskraft auf alle Materialdiebe aus.

Hatte sich Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn zunächst in der Rolle des zupackenden Troubleshooters gesehen, der mal eben in einem riesigen Kraftakt das Ding auf die Beine stellt, ist auch er inzwischen auf Abflug eingestellt und wird die Eröffnung anders als erwartet nicht mehr im Amt des Flughafenchefs erleben. Sein künftiger Nachfolger, Ex-Rolls-Royce-Manager Karsten Mühlenfeldt, legt derweil auch keinen exzellenten Start hin: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt lehnte ihn in der Berufungssitzung offenbar wegen mangelnder Erfahrung ab, und auch Berlins Innensenator Frank Henkel verweigerte die Zustimmung.

Mühlenfeldt muss nun das Kunststück fertig bringen, das eigentlich nur im Märchen von tausendundeiner Nacht gelingt: Den gigantischen Berg von Pannen abtragen und dabei mit dem Geld auskommen. 1,7 Milliarden sollte der Bau kosten, 5,5 Milliarden sind es bislang geworden, wobei eine Milliarde davon noch nicht einmal abgesichert ist. Zudem hatte Mehdorn bereits ausgerechnet, dass mehr als drei Milliarden zusätzlich nötig sein werden, wenn der Flughafenbetrieb reibungslos das gewachsene Passagieraufkommen bewältigen soll. Auf 27 Millionen Fluggäste ist BER ausgelegt, doch in den vergangenen tausend Tagen ist die Zahl der startenden und landenden Passagiere auf den beiden provisorisch weitergeführten Flughäfen Tegel und Schönefeld bereits von 24 auf 28 Millionen gestiegen. In zwei Jahren könnten es schon über 30 Millionen sein — und den BER gleich am ersten Tag überfordern.

Viele zweifeln ohnehin an der Weisheit der Entscheidung, neben Tempelhof auch Tegel dicht zu machen, wenn BER eröffnet. Die meisten Metropolen dieser Welt haben mindestens drei Airports, um die Städte weiter zugänglich zu halten, wenn mal ein Flughafen ausfällt oder einfach weil der unterschiedliche Bedarf so am besten gedeckt werden kann.

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Doch in Berlin steht hinter der "Singleflughafenlösung" ein derart kompliziert ausgetüfteltes Genehmigungsverfahren, dass es die juristische Absicherung beinahe mühelos mit der Komplexität der BER-Technik aufnehmen kann. Als Mehdorn einen Versuchsballon Richtung Tegel steigen ließ, und die Frage aufwarf, ob dieser für Teile des Flugverkehrs nicht auch nach Eröffnung von BER weiter genutzt werden könne, verfielen die Politiker in Berlin und Brandenburg in Panik: Sie hatten die in vielen Jahren zäher Rechtsstreitigkeiten durchgesetzten Genehmigungsverfahren gegen Tausende von Anliegern und Flughafengegnern vor Augen, die bei neuerlichen Änderungen in Frage stehen könnten.

Doch das droht dem BER ohnehin: Einige Baugenehmigungen laufen 2016 aus. Und wenn sie erneuert werden müssen, gelten neue technische Bestimmungen. Damit liefen die Manager nicht nur dem Ziel hinterher, die Anforderungen von 2012 endlich erfüllen zu können, sie müssten sie zusätzlich an die Gesetzesverschärfungen im Jahr 2016 anpassen — und kämen noch mehr ins Hintertreffen. Insofern müssen neue Fragezeichen hinter die Zeitpläne gemacht werden.

Sollte der Flughafen ursprünglich 2009 eröffnet werden, dann aber auf jeden Fall im Oktober 2011, schließlich definitiv am 3. Juni 2012, was dann "nur für ein paar Monate" für die Zeit nach den Sommerferien verschoben wurde, kamen letztlich die Eröffnungstermine 17. März 2013 und danach 27. Oktober 2013 auf die Anzeigentafeln. Davon sind die Verantwortlichen längst abgerückt. Nun gilt das "zweite Quartal 2017" als Zielkorridor. Wenn denn nun alles klappt. Aber vermutlich wird Klaus Lage noch lange warten müssen, bis er vom Rollfeld des BER erstmals berichten kann: "… und es hat Zoom gemacht".

(-may)
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