Nach Missbrauch von Werkverträgen Bundestag stärkt Rechte der Arbeitnehmer in der Fleischindustrie

Berlin · Ein neues Gesetz soll schlechte Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern in deutschen Schlachthöfen eindämmen. Die Fleischwirtschaft hält die Neuregelung für überzogen.

 Gewerkschaften kritisieren die Arbeitsbedingungen in vielen Schlachthöfen (Symbolbild).

Gewerkschaften kritisieren die Arbeitsbedingungen in vielen Schlachthöfen (Symbolbild).

Foto: dpa, iwa jol hoh fdt

Der Bundestag hat in der Nacht zum Freitag eine Stärkung der Rechte von Arbeitnehmern in der Fleischindustrie beschlossen. Die Abgeordneten nahmen einen von Union und SPD eingebrachten Gesetzentwurf an, der einen Missbrauch von Werkverträgen in Schlacht- und Fleischzerlegungsbetrieben verhindern soll. Demnach sollen künftig die Betriebe bei Regelverstößen haften und nicht die von ihnen beauftragten Subunternehmen, über die viele Arbeiter beschäftigt sind.

Wird den Arbeitern zu wenig Lohn gezahlt oder werden die Vorgaben bei der Arbeitszeit missachtet, müssen künftig die Betriebe dafür geradestehen. Außerdem dürfen den Schlachtern und Zerlegern Arbeitsmaterialien wie Messer und Schutzkleidung nicht mehr vom Lohn abgezogen werden. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Karl Schiewerling (CDU), erklärte, der Arbeitgeber sei zudem für die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge verantwortlich.

Fleischpreise könnten steigen

Schiewerling rechnet durch die Neuerungen mit einem leichten Anstieg des Fleischpreises. "Wenn wir auf dem Rücken von Arbeitskräften aus Osteuropa unseren Fleischpreis billig halten, ist das unverantwortlich und unfair gegenüber den Betrieben, die sich an die Regeln halten", sagte er der "Bild"-Zeitung.

Die SPD-Fraktion erklärte, die Fleischindustrie werbe nach außen mit hohen Standards, sei bis heute jedoch ein "Problemfall" der Lebensmittelindustrie. Wo gegen Arbeitnehmerrechte verstoßen werde, werde regelmäßig auch gegen Verbraucherschutz, Fleischhygienevorgaben und Tierschutz verstoßen. Weitreichendere Kontrollen seien "dringend notwendig".

Industrie kritisiert "Nacht- und Nebel-Aktion"

Laut Gewerkschaften, Aktivisten und Medienberichten sind in großen Schlachtbetrieben, in denen etwa Tausende Schweine zerlegt werden, viele Menschen zu miserablen Bedingungen beschäftigt. Einige sollen überhöhte Mieten für schlechte Behausungen zahlen, Opfer von Tricksereien bei der Arbeitszeit sein und unerlaubterweise für Arbeitsgerät oder Schutzkleidung zahlen müssen. Thema ist das vor allem in den Hochburgen der Fleischproduktion im niedersächsischen Weser-Ems-Gebiet, im Münsterland und in Ostwestfalen-Lippe.

Der Verband der Ernährungswirtschaft hält die gesetzliche Neuregelung jedoch für überzogen. Hauptgeschäftsführer Michael Andritzky sprach von einer "Nacht- und Nebel-Aktion". In weiten Teilen der Fleischwirtschaft würden keine oder nur in sehr geringem Umfang Werkverträge eingesetzt. "Die gesamte Branche wird aber diesen Regelungen zu Unrecht unterworfen", sagte Andritzky.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) begrüßte hingegen die Entscheidung des Bundestags. "Dieses Gesetz war überfällig, denn in der deutschen Fleischwirtschaft gibt es eine größere Anzahl schwarzer Schafe, die es mit großer Fantasie verstehen, den seit Juli 2014 geltenden Branchenmindestlohn, Arbeitnehmerschutzrechte und sozialrechtliche Abgabepflichten zu unterlaufen", sagte NGG-Vize Claus-Harald Güster.

(wer/dpa/afp)
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