Wirtschaftsmacht China steckt 40 Milliarden in neue Seidenstraße

Boao · China hat einen Plan. Die Volksrepublik will möglichst bald zur neuen globalen Wirtschaftsmacht außerhalb ihrer Grenzen werden. Mit seiner neuen Strategie zur Neuauflage der Seidenstraßen, die China einst mit Zentral- und Südostasien, den Golfstaaten, Afrika bis nach Europa verbanden, glaubt Peking einen Weg dazu gefunden zu haben.

 Bei seinem Deutschland-Besuch 2014 nahm der chinesische Staatschef Xi Jinping (Mitte)im Duisburger Hafen einen Frachtzug entgegen, der Zentralchina mit Europa verbindet.

Bei seinem Deutschland-Besuch 2014 nahm der chinesische Staatschef Xi Jinping (Mitte)im Duisburger Hafen einen Frachtzug entgegen, der Zentralchina mit Europa verbindet.

Foto: dpa, bt lre

In vielen der 65 zu Land und zu Wasser mit den Seidenstraßen verbundenen Ländern sollen chinesische Unternehmer und Ingenieure in großem Umfang Häfen, Airports, Eisenbahnen, Telekommunikation bis hin zu Atomkraftwerken bauen. Bisher stehen für das Projekt 40 Milliarden Dollar bereit. Staatschef Xi Jinping stellte seine Pläne dazu vor der Boao-Wirtschaftskonferenz auf Chinas Südseeinsel Hainan vor. "Das sind keine leeren Slogans, sondern ganz praktische Unternehmungen, die jeder anfassen und sich ansehen kann. Sie werden den beteiligten Staaten echte Vorteile bringen."

30 Minuten brauchte der Präsident, um vor 16 internationalen Staats- oder Regierungschefs und Hunderten Ministern den Startschuss für seine Handels-Offensive zu geben. Die 65 Länder stehen zusammen für 4,4 Milliarden Menschen oder 63 Prozent der Weltbevölkerung und 29 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. China will sie durch bilaterale Vorfinanzierung, Erschließung der Infrastruktur und Verkehrsbauten an sich binden. Xi sprach von einer "Schicksalsgemeinschaft" zum gegenseitigen Nutzen.

"Straße und Korridor" nennt der Präsident das geostrategische Konzept. Peking betrachtet die jeweiligen Länder entlang dieser Routen als Bausteine in einem China-zentrierten Netzwerk von Freihandelszonen. "Stellen Sie sich ein riesiges Puzzle vor, zu dem sich China und Eurasien zusammenfügen, und ein zweites mit den Küstenregionen Chinas, Südostasiens, Arabiens, Afrikas bis nach Europa", sagte Österreichs Botschafterin in Peking, Irene Giner-Reichl. Die Diplomatin begleitete ihren Präsidenten Heinz Fischer in Boao. Um das Puzzle zusammenzusetzen, gebe es keinen mulilateralen Spielplan. Jede Region setze ihren Stein alleine, jedoch mit Hilfe Chinas. Am Ende sollen die Einzelteile zur integrierten dynamischen Wirtschaftsregion zusammenwachsen. Xi erwartet, sein Handelsvolumen mit den Ländern der Seidenstraße innerhalb von zehn Jahren auf 2,5 Billionen US-Dollar mehr als zu verdoppeln.

 Die Hauptrouten der früheren Seidenstraße.

Die Hauptrouten der früheren Seidenstraße.

Foto: NASA, Schnettler

Peking hat es deshalb eilig. Die Wirtschaft steht unter Abwärtsdruck mit fallenden Wachstumsraten auf sieben Prozent. China braucht neue Absatzmärkte für seine Überkapazitäten in allen Branchen der Schwer- und Bauindustrie, beim Bahn- und Schienenbau. Asiens riesiger Infrastrukturbedarf kommt nun wie gerufen.

Am Wochenende veröffentlichten die Staatswirtschaftsplaner der Reformkommission NDRC zusammen mit dem Außen- und Handelsministerium einen Aktionsplan. Er definiert die Länder und Gebiete, durch die die Seidenstraßen- und Wirtschaftsgürtel führen. Der Aktionsplan nennt noch keine Zeitpläne und konkrete Investitionsprojekte. Am Sonntag traf sich dazu die neue zentrale chinesische Leitungsgruppe Seidenstraße, die dem NDRC untersteht. Sie soll die Initiative mit den jeweiligen Partnerländern absprechen.

In Boao versicherte Xi, dass die Seidenstraßen-Strategie nicht auf Kosten "bestehender Wirtschaftspartnerschaften" durchgeführt würde. Auch stehe die Neugründung einer "Asiatischen Infrastruktur Investitionsbank" (AIIB), die die künftigen Projekte von Eisenbahnen bis Atomkraftwerke finanzieren wird, bis zum offiziellen Antragschluss am 31. März allen Staaten offen, die ein Mitspracherecht bei künftigen Finanzierungen durch die AIIB ausüben wollen. Die Bank sei keine Konkurrenz für die unter US-Kontrolle stehende Weltbank oder die Asiatische Entwicklungsbank.00

Natürlich ist sie es gewissermaßen doch. Daher wunderten sich Chinas Planer, in welchem Tempo nun in letzter Minute immer mehr Länder der Bank beitreten wollen. Bis Montag waren es 44 Staaten, zuletzt Ägypten als erstes afrikanisches Land. In den vergangenen Tagen bekundeten zudem die wichtigsten europäischen Länder ihr Interesse, darunter auch Deutschland. Die endgültige Bestätigung aller Mitglieder wird am 15. April bekanntgegeben. Vermutlich im Juni soll die konstituierende Sitzung für die AIIB stattfinden, deren Sitz in Peking sein wird, bevor zum Jahresende die Gründung der Bank erfolgt. Das Stammkapital von umgerechnet rund 93 Milliarden Euro wird wohl erhöht. Die Aufteilung des Stimmrechts soll 75 zu 25 Prozent betragen - zugunsten der asiatischen Gründungsmitglieder, allen voran China. Pekings Finanzminister Lou Jiwei versicherte aber, dass China kein Vetorecht haben wird.

Peking werde durch die Bankgründung zum institutionalisierten Mitspieler in der Weltpolitik hieß es in Boao. Weder Washington noch Tokio wollen bisher der AIIB beitreten. Die USA hatten die Europäer abhalten wollen, Mitglied zu werden. Sie wurden nun international vorgeführt. Das macht China allerdings schon zum zweiten Mal.

Duisburg: China-Präsident Xi besucht Hafen
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Denn die Seidenstraßen-Strategie hatte Peking ausgerechnet von den USA übernommen. US-Außenministerin Hillary Clinton prägte 2011 erstmals den Begriff der "neuen Seidenstraße". In einer Rede im indischen Chennai warb sie mit dem Begriff für eine US-indische Partnerschaft zur Lösung der Probleme Afghanistans durch den Aufbau eines internationalen Wirtschaftskorridors zwischen Süd- und Zentralasien. Zwei Jahre rang Clinton mit der Umsetzung. Dann übernahm Xi den Begriff, drehte seine Achse von Nord-Süd auf Ost-West und machte eine chinesische Marke daraus.

(RP)
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