Düsseldorf In Silicon Valley ist das Scheitern leichter

Düsseldorf · Der Streit zwischen den Politikern Volker Münchow (SPD) und Christian Lindner (FDP) im Landtag löst eine neue Debatte über das Scheitern von Unternehmern aus. Die Angst davor ist in Deutschland viel größer als in Amerika.

 Erfolg stellt sich für Unternehmer nicht immer beim ersten Versuch ein.

Erfolg stellt sich für Unternehmer nicht immer beim ersten Versuch ein.

Foto: Schnettler

Der SPD-Politiker Volker Münchow ist bislang nicht durch Gründerfeindlichkeit aufgefallen. Im Grunde ist er im Düsseldorfer Landtag bislang kaum aufgefallen - bis er die Rede von FDP-Chef Christian Lindner mit einem hämischen Zwischenruf über dessen unternehmerisches Scheitern unterbrach. Unfreiwillig lieferte der 54-jährige Velberter damit die Steilvorlage für eine Wutrede, die im Internet zum Hit wurde.

Plötzlich wurde aus Volker Münchow, dem Neuling im Düsseldorfer Landtag, Volker Münchow, der Grund, warum Leute lieber in den öffentlichen Dienst gehen, statt zu gründen. Sagt Lindner und legte nach: "Weil man, wenn man Erfolg hat, ins Visier der sozialdemokratischen Umverteiler gerät, und wenn man scheitert, ist man sich Spott und Häme sicher." Der FDP-Politiker hat mit seiner Rede eine grundsätzliche Frage aufgeworfen: Fehlt es in Deutschland noch immer an einer Kultur des Scheiterns?

Darauf deuten zumindest die Ergebnisse einer aktuellen Gründerstudie hin. Deutsche haben demnach sehr viel mehr Angst, mit einer Gründung zu scheitern, als Menschen in den USA. Dies räumten in Deutschland 54 Prozent der Befragten ein, in den USA ist es ein Viertel weniger. "Die Unterschiede in der Kultur des Scheiterns haben auch Auswirkungen auf die Lust zur Unternehmensgründung", sagt Thilo Schumacher, Mitglied des Vorstands der Axa Deutschland. Der Versicherer hatte die repräsentative Studie in Auftrag gegeben. Sie zeigt auch, dass Selbstständige, vor allem wenn die Gründung missglückte oder sogar in der Insolvenz endetete, in Deutschland viel größere Schwierigkeien haben, in ein Angestelltenverhältnis zurückzukehren als es in den USA der Fall wäre. "Es gibt in deutschen Unternehmen noch immer viele Vorbehalte", sagt Thilo Schumacher.

Im Silicon Valley, dem Vorzeigeort der digitalen Gründerszene, gilt Scheitern hingegen als Qualifikation. Sich auf neue Rahmenbedingungen und Kundenwünsche einzustellen und sein Geschäftsmodell notfalls radikal zu verändern, ist in der Internet-Industrie Voraussetzung für nachhaltiges Wirtschaften. Der Investor und Unternehmer Ben Horowitz hat sich mit der Psychologie erfolgreicher Gründer beschäftigt. Er sagt: "Das Leben ist kein Business-Plan-Wettbewerb." Ziel sei nur, sich eine gewisse Stellung auf dem Markt zu erkämpfen. Wenn man dafür den ursprünglichen Plan kippen müsse, dann sei das halt so.

Bezeichnend ist, dass das englische Wort für Scheitern, "to fail", in der US-amerikanischen Unternehmerwelt positiv besetzt ist. Im Hinterhofbüro des kalifornischen Risikokapital-Unternehmens Matter hängt ein Plakat an der Wand, auf dem nur zwei Begriffe stehen: "Fail forward". Grob übersetzt heißt das: Nach vorne scheitern. Eine Pleite bringt Unternehmer voran, so lautet die Philosophie im Silicon Valley. Matter-Chef Corey Ford sucht die Gründer sogar gezielt nach ihren negativen Erfahrungen aus. "Wir geben lieber einem Gründer Geld, der schon ein oder zwei Mal gescheitert ist. Er weiß, was er falsch gemacht hat und lernt daraus."

Internetunternehmer wie Oliver Samwer plädieren daher seit langem auch in Deutschland für einen Kulturwandel: "Um ein neues Google oder Facebook zu schaffen, muss man hinnehmen, dass es acht bis neun Unternehmen nicht schaffen", sagte der Chef des Seriengründers Rocket Internet zuletzt in Berlin. Er selbst lebt diese Kultur seit Jahren vor. Rocket Internet gründet Start-ups am Fließband. Dabei gilt: Was nicht funktioniert, wird beendet. Was erfolgreich ist, massiv forciert. So entstand beispielsweise der Online-Modehändler Zalando, der inzwischen mehr als 1,8 Milliarden Euro umsetzt und rund 7000 Mitarbeier beschäftigt. Am Ende werde sich diese Kultur auszahlen, sagt Samwer, denn "die Summe, die daraus am Ende an Arbeitsplätzen und Bedeutung für die Volkswirtschaft entstehen wird - die macht es aus".

(RP)
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