Konzernchef Patrick Thomas "Covestro könnte 2018 in den Dax aufsteigen"

Leverkusen · Nach elf Jahren tritt Covestro-Chef Patrick Thomas 2018 ab. Er warnt davor, die CO-Pipeline einzumotten. Und er hält nichts von überteuerten Zukäufen. Falls sich kein sinnvoller Deal findet, will er lieber Milliarden an die Aktionäre geben.

 Covestro-Mitarbeiter bilden das Logo nach (Archiv).

Covestro-Mitarbeiter bilden das Logo nach (Archiv).

Foto: Covestro

Wir treffen Patrick Thomas vor der Covestro-Zentrale in Leverkusen. Eine 2,40 Meter hohe Giraffe, ein Nashorn und ein Baby-Elefant, alle knallbunt, stehen im Garten vor dem Gebäude K 13. Die Tiere sind aus zusammengeklebten alten Flip-Flops gefertigt, von denen jedes Jahr Zehntausende an den Küsten Kenias angespült werden, wie der Konzern-Chef erklärt. "Das ist die dunkle Seite des Plastiks, dagegen müssen wir etwas tun." Covestro engagiert sich in Initiativen, die die Verschmutzung der Ozeane mit Plastikmüll bekämpfen.

Sie wollen Ozeane schützen, Trump das Klimaabkommen kündigen. Wie finden Sie seine Pläne?

Thomas Die sehe ich mit großer Sorge. Nicht nur als Vater von vier Kindern sage ich: Wir haben eine Verantwortung für die Erde. Jedoch machen es sich manche Politiker in Europa auch zu einfach, wenn sie die Industrie verdammen und die Dekarbonisierung fordern.

Inwiefern?

Thomas Karbon, also Kohlenstoff, ist die Grundlage der Chemie und des Lebens. Menschen atmen Kohlenstoff aus, Pflanzen brauchen es für die Photosynthese — Kohlenstoff gehört zur Natur. Zugleich ist er die Basis für viele Kunststoffe, die im Kampf gegen den Klimawandel helfen. Es geht nicht darum, Kohlenstoff zu verdammen, sondern vielmehr, ihn richtig einzusetzen.

Fürchten Sie Trumps Steuerpolitik?

Thomas Nein. Sollte er die Unternehmensteuern senken, würden wir davon sogar profitieren. Wir generieren rund 22 Prozent unseres Umsatzes in den USA und sind damit sogar ein Nettoexporteur aus den USA. Mögliche Importsteuern würden uns nicht treffen: Wir geben circa 2600 Amerikanern an unseren Standorten Arbeit.

Covestro-Chef Patrick Thomas (Archiv).

Covestro-Chef Patrick Thomas (Archiv).

Foto: dpa

Bayer brachte Covestro 2015 an die Börse, der Start war holprig. Inzwischen hat sich der Kurs verdreifacht.

Thomas Darauf sind wir stolz. Covestro ist ein starkes, buntes Unternehmen — das zeigt auch unser buntes Logo. Das Gleiche gilt für unsere Standorte. In Brunsbüttel haben wir beispielsweise einen Schornstein mit bunten Puzzleteilen bemalt, er gilt jetzt als örtliches Wahrzeichen. Gerade sprechen wir, wie und wo wir ähnliche Projekte auch an unseren NRW-Standorten durchführen können. Die Chemie ist oft viel zu grau.

Wie geht es wirtschaftlich weiter?

Thomas Die gute Entwicklung der vergangenen Quartale setzt sich fort, vor allem das Geschäft mit Polyurethanen wie MDI und TDI läuft weiter gut.

Ist das eigene Leistung oder profitieren Sie von den Schwächen der Konkurrenz wie BASF?

Thomas Wir sind in Branchen aktiv, die überdurchschnittlich wachsen: Unsere Kunststoffe machen Autos leichter, dämmen Häuser und stecken in Smartphones. An Standorten wie Dormagen haben wir hochmoderne Anlagen. Und wir können auch die Produkte liefern, bei denen Wettbewerber in Europa und Asien noch immer Probleme haben.

Werden Sie Ihre Aktionäre beteiligen?

Thomas Wir rechnen damit, über die kommenden fünf Jahre fünf Milliarden Euro überschüssige Liquidität zu generieren. Wenn wir in den nächsten 24 Monaten keine relevante Übernahme durchführen können, werden wir einen Teil des Geldes zurück an die Aktionäre geben. Das kann eine Sonderdividende oder ein Rückkauf von Aktien sein. Viele Investoren sähen den Aktienrückkauf aus steuerlichen Gründen lieber.

Alle Chemieunternehmen sind im Kaufrausch. Haben Sie Angst, übernommen zu werden?

Thomas Nein, denn wir sind bereits Marktführer in unseren beiden größten Geschäftsbereichen Polyurethane und Polycarbonate, daher würde es sehr wahrscheinlich starke kartellrechtliche Bedenken geben. Die beste Verteidigung gegen eine Übernahme ist aber ein hoher Aktienkurs.

Und wo würden Sie gerne zukaufen?

Thomas Das ist ein Problem: Bei Polyurethanen sind wir bereits ein Marktführer, bei Polycarbonat weltweit die Nr. 1. Am meisten Sinn würde eine Verstärkung unseres Bereichs Lacke (Coatings, Adhesives & Specialties) machen. Doch hier tummeln sich viele Familienunternehmen, die nicht verkaufen wollen oder zu hohe Preise verlangen. Das machen wir nicht mit. Es ist schon mancher Chemie-Konzern untergegangen, weil er sich verhoben hat.

... wie Hoechst. Sorgen Sie sich um Ihren Mutterkonzern Bayer, der gerade Monsanto übernimmt?

Thomas Werner Baumann ist ein ausgezeichneter Experte für Zukäufe. Er weiß, was er tut.

Noch hält Bayer 40,9 Prozent an Covestro. die Baumann aber abstoßen will. Wann sind Sie frei?

Thomas Das ist allein Sache von Bayer. Einige Analysten erwarten, dass der Anteil bis Jahresende unter 30 Prozent fallen und Bayer Covestro dann entkonsolidieren könnte. Aber wie gesagt, diese Entscheidung liegt allein bei Bayer.

Damit wäre der Streubesitz so groß, dass Covestro vom M-Dax in den Dax aufsteigen könnte. Ist das ein Ziel für Sie?

Thomas Der Aufstieg ist kein Wert an sich und hängt auch von möglichen Abstiegskandidaten ab. Aber natürlich wäre er ein Erfolg und könnte unsere Aktie weiter beflügeln.

Wann könnte es so weit sein?

Thomas Im September entscheidet die Deutsche Börse das nächste Mal über die Dax-Zusammensetzung, da wären wir wahrscheinlich noch nicht so weit. Doch im nächsten Jahr könnte Covestro in den Dax aufsteigen, zumal das Handelsvolumen mit Covestro-Aktien schon hinreichend groß ist.

Nach dem plötzlichen Abgang Ihres Finanzchefs haben Sie das Amt vorübergehend übernommen. Wann bekommt Covestro einen neuen Finanzchef?

Thomas Ich hoffe, wir finden ihn noch in diesem Jahr. Die Suche läuft, wir haben eine Shortlist mit attraktiven internen und externen Kandidaten.

Warum hat Ihr früherer Finanzchef Frank Lutz plötzlich das Handtuch geworfen? Weil der Aufsichtsrat nicht ihn, sondern Markus Steilemann zu Ihrem Nachfolger kürte?

Thomas Es war die persönliche Entscheidung von Frank Lutz, die ich sehr bedauere. Er ist der beste Finanzchef, mit dem ich zusammengearbeitet habe. Mit Markus Steilemann gewinnt Covestro einen ausgezeichneten Vorstandschef: Er kennt das Geschäft mit Polyurethanen ebenso wie das mit Polycarbonaten und hat bereits beide Geschäftsbereich geleitet. Außerdem hat er selber acht Jahren in Asien, einer wichtigen Wachstumsregion, gelebt.

Was ändert sich, wenn Markus Steilemann im Herbst 2018 das Steuer von Ihnen übernimmt?

Thomas Es wird keine Revolution bei Covestro geben, eher eine Evolution.

Das hat Baumann 2016 auch gesagt, als er Bayer-Chef wurde. Drei Wochen später kündigte er die Monsanto-Übernahme an.

Thomas Markus Steilemann ist bereits jetzt in alle Prozesse eingebunden, er wird den Kurs nicht radikal ändern.

Was werden Sie an Deutschland vermissen — die CO-Pipeline?

Thomas (lacht) Nein, die nicht. Als ich 2007 hier Chef wurde, war die Pipeline im Bau, 2017 ist sie noch immer nicht in Betrieb. Verlässliche Planungssicherheit sieht anders aus.

Die Gegner sagen, wenn das Unternehmen zehn Jahre ohne Pipeline ausgekommen ist, brauche es sie auch nicht mehr.

Thomas Eine Pipeline baut man nicht für Jahre, sondern für Jahrzehnte. Die CO-Pipeline hilft, die Standorte Dormagen und Krefeld zu sichern, an denen wir circa 2500 Beschäftigte haben. Diese Standorte müssen sich immer wieder im Wettbewerb mit anderen behaupten.

Wenn Sie gehen, sind Sie 61. Was machen Sie dann — Rosen züchten?

Thomas Kaum. Vielleicht male ich wieder mehr — auch wenn mich meine Familie, in der es viele Architekten und Künstler gibt, für wenig begabt hält (lacht). Im Ernst: Ich werde mich weiter engagieren im Kampf gegen den Plastikmüll in Ozeanen. Und ich kann mir vorstellen, andere Unternehmen als Aufsichtsrat zu begleiten.

Gehen Sie zurück nach Großbritannien?

Thomas Ich lebe schon seit Jahren nicht mehr in Großbritannien, sondern in Belgien und Italien. Ich freue mich darauf, häufiger in der Toskana zu sein. Dort haben wir ein restauriertes Landgut, es ist der Mittelpunkt meiner Familie, die über den Globus verteilt lebt. Unser Olivenöl ist sehr gut.

Antje Höning führte das Gespräch.

(anh)
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