Tierversuche Nach VW zieht auch Daimler personelle Konsequenzen

Düsseldorf · Die umstrittenen Abgas-Tierversuche an Affen haben nach Volkswagen nun auch bei Daimler personelle Konsequenzen. Der Mitarbeiter, der den Autobauer im Vorstand der Lobbyorganisation EUGT vertreten hatte, wurde mit sofortiger Wirkung freigestellt. BMW hält an Mitarbeiter fest.

 Ein Mitarbeiter von Daimler wurde wegen der Tierversuche mit sofortiger Wirkung freigestellt.

Ein Mitarbeiter von Daimler wurde wegen der Tierversuche mit sofortiger Wirkung freigestellt.

Foto: dpa, Oliver Weiken

Über die Freistellung des Mitarbeiters habe der Vorstand entschieden. "Wir werden den Sachverhalt lückenlos aufklären und sicherstellen, dass sich derartige Vorgänge nicht wiederholen", betonte Daimler. Am Vortag hatte VW bereits seinen Cheflobbyisten Thomas Steg beurlaubt. Daimler hat nach eigenen Angaben eine Untersuchung eingeleitet und lässt sich von einer externen Kanzlei unterstützen. Man sei erschüttert über Art und Durchführung der Studien, hieß es.

Studie zur Gesundheitsgefahr von Dieselabgasen

Nach der Beurlaubung des früheren Regierungssprechers Stegs, zuletzt Leiter der Konzern-Außenbeziehungen und des Bereichs Nachhaltigkeit, sagte VW-Konzernchef Matthias Müller in einem Interview des Senders n-tv: "Mir ist im Moment auch ehrlich gesagt nicht klar, warum diese Einheit bei der Organisation von Herrn Steg angedockt war und eben nicht bei der Forschung. Das werden wir recherchieren." Der Konzernchef nannte es "ein kleines bisschen willkürlich", einen Bezug der Experimente zum Diesel herzustellen - "wenngleich natürlich der Diesel Gegenstand des Auftrages war".

BMW steht derweil zu seinem Mitarbeiter, der den Münchner Autokonzern von 2011 bis 2015 als Referent in der EUGT vertreten hatte. Der Mann "bleibt Mitarbeiter der BMW Group", werde nur vorerst auf eigenen Wunsch von seinen aktuellen Aufgaben im Bereich von urbaner Mobilität und Kommunen befreit, teilte BMW mit.

Für den Mitarbeiter gelte die Unschuldsvermutung

Er habe glaubhaft versichert, dass er EUGT-Tierversuche kritisch hinterfragt habe. BMW habe an den Studien nicht mitgewirkt. In der laufenden Untersuchung gelte für den Mitarbeiter die Unschuldsvermutung. "Gleichzeitig steht die BMW Group zu ihrer Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeitern", sagte ein Sprecher.

Die Autoindustrie hatte Wissenschaftler eingespannt, die mit der Lobbyorganisation EUGT - der Europäischen Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor - Gesundheitsgefahren von Dieselabgasen verharmlost haben sollen. Dabei waren auch Affen mehreren Tests ausgesetzt. Darüber hinaus förderte die Initiative eine Studie der Universität Aachen zur Stickstoffdioxid-Belastung am Arbeitsplatz - Probanden waren 25 Menschen. BMW, Daimler, VW und Bosch hatten die EUGT gemeinsam gegründet, Bosch stieg 2013 aus.

VW will weiter in die Diesel-Technologie investieren

VW-Chef Müller will trotz allem weiter versuchen, den Dieselmotor zu rehabilitieren. "Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass unsere Kunden an der Stelle ein weiteres Mal verunsichert sind", sagte er. "Nichtsdestotrotz werden wir weiter in die Diesel-Technologie auf absehbare Zeit investieren." Über die Schadstofftests an den Affen äußerte er sich "erschüttert" und entschuldigte sich erneut. Er könne nur Sorge dafür tragen, Prozesse im Unternehmen so zu reformieren, dass "solche Zustände eben in Zukunft nicht mehr eintreten", erklärte Müller.

In den USA kämpft Volkswagen mit harten Bandagen gegen die Verwendung von Dokumenten zu den Affen-Experimenten bei einem Gerichtsverfahren. Seit Monaten liefert sich die US-Tochter des deutschen Autobauers einen juristischen Schlagabtausch mit Klägeranwälten, um zu verhindern, dass die Unterlagen zu den Tierversuchen bei einem Prozess zum Einsatz kommen. "Wir werden den Rechtsstreit nicht kommentieren", teilte VW auf Nachfrage mit.

Prozess ist für den 26. Februar angesetzt

Bereits am 13. Oktober 2017 stellten die VW-Anwälte einen Antrag, die Studie vom Verfahren auszuschließen. Darin hieß es: "Das einzige Ziel des Klägers ist es, eine scharfe und emotionale Reaktion der Jury hervorzurufen, in der Hoffnung, dass diese VW Amerika für etwas bestrafen, dass mit den Klägern gar nichts zu tun hatte." Den letzten derartigen Antrag reichte VW am 26. Januar ein.

Klägeranwalt Michael Melkerson hält dem entgegen, die Studie sei ein wichtiges Beweismittel, da sie ein vorsätzliches Schema des andauernden Betrugs belege. Zudem zeige sie Mangel an Reue und sei deshalb notwendig, um Strafen und Schadenersatz durchzusetzen. Der Prozess ist für den 26. Februar angesetzt. Ob es so weit kommt, hängt aber davon ab, ob sich die Parteien außergerichtlich einigen.

"Unternehmen haben Blut an ihren Händen"

In den Niederlanden wird die Wirkung von Abgasen seit Jahren an Menschen und Tieren getestet. Testpersonen würden aber nicht konzentrierten Dieselabgasen ausgesetzt, sagte die Staatssekretärin für Umweltfragen, Stientje van Veldhoven. "Wir untersuchen den Effekt der Luft, die Menschen einatmen auf dem Fahrrad, beim Einkaufen oder Laufen." Die Versuche stünden unter strenger Kontrolle einer medizinisch-ethischen Kommission.

Nach Ansicht eines britischen Forschers sind deutsche Autokonzerne wegen manipulierter Diesel-Abgastests für den verfrühten Tod vieler Briten verantwortlich. "Diese Unternehmen haben Blut an ihren Händen - das sage ich ohne jeglichen Zweifel", sagte der frühere wissenschaftliche Chefberater der britischen Regierung, David King, der Zeitung "The Daily Telegraph". Hohe Belastungen durch Stickoxide können auf Dauer unter anderem zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Atemwegsleiden führen.

Versuche können Debatte um drohende Fahrverbote beeinflussen

Nach Expertenmeinung könnten die Versuche auch die Debatte um möglicherweise drohende Fahrverbote in mehreren Städten beeinflussen. "Für die Fragen rund um Fahrverbote ist das Gift", sagte Branchenexperte Stefan Bratzel vom Autoinstitut der Wirtschaftshochschule Bergisch Gladbach. Volkswagen attestierte er, es fehle ein "Großreinemachen", um bislang unbekannte Probleme aufzudecken. Allerdings gebe es "große Ängste, dass man sich rechtlich angreifbar macht. Das ist die Tragik."

(gaa)
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