Werk in Rumänien dicht Das Nokia-Lehrstück

Düsseldorf (RP). Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen. So sieht die Lage für die 2200 Mitarbeiter des rumänischen Nokia-Werkes in Cluj aus. Vor drei Jahren hatte Nokia nach dem Erhalt von mehr als 60 Millionen Euro an Subventionen das Werk in Bochum dichtgemacht. Ein riesiger Aufschrei der deutschen Politik folgte, und mit neuer Staatshilfe wurde das Werk in Siebenbürgen aufgebaut.

 Alles aus in Cluj: Sicherheitsleute bewachen das Nokia-Werk.

Alles aus in Cluj: Sicherheitsleute bewachen das Nokia-Werk.

Foto: EPA, dpa

Nun erneut das Aus — Fabriken in China haben Zukunft, ein kleiner Standort in Bonn wird auch geschlossen, sogar das letzte Werk von Nokia in Finnland steht laut gestriger Mitteilung des Nokia-Vorstandes "auf dem Prüfstand". Die Werksschließung in Rumänien ist ein Lehrstück in Sachen Wirtschaft und Politik zur Zeit der Globalisierung.

Subventionen erkaufen keine Loyalität

Es zeigt sich erstens, wie wenig Einfluss die Politik noch auf die Entscheidungen von großen Unternehmen hat: Subventionen erkaufen keine Loyalität, die Firmen denken global, eine echte Heimat hat fast kein Konzern mehr. Nicht umsonst lässt der neue Nokia-Chef Stephen Elop, ein Kanadier, nun prüfen, das Vorzeigewerk im Heimatmarkt Finnland zu schließen — ein Tabubruch bei Finnlands mit Abstand wichtigstem Konzern und Arbeitgeber. "Das ist so, als ob Mercedes prüfen würde, in Deutschland kein Auto mehr zu bauen", bringt ein langjähriger Nokia-Mitarbeiter die Stimmung auf den Punkt.

Zweitens zeigt sich, wie sehr die Politik bei Standortverlagerungen zwar immer wieder auf Populismus setzt, aber am Ende nichts erreicht. Vor drei Jahren hatte sich der damalige Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) noch mit dem Megafon vor das Nokia-Werkstor gestellt und später doch die Landtagswahl 2010 verloren, jetzt macht die Politik in Rumänien mobil — auch das wird Nokia nicht stören.

15 Millionen Euro

Es war für Nokia schön, dass dem Konzern die Gewerbesteuer erlassen wurde und dass er so insgesamt rund 15 Millionen Euro kassiert hat, doch nur darum überlebt das Werk nicht.

"Direkte Subventionen sind eine riskante Angelegenheit", sagt Sven Giegold, Europa-Abgeordneter der Grünen, "weil sie zu Mitnahmeeffekten ohne dauerhafte Jobs reizen." Und obwohl Rüttgers noch laut vor mieser Arbeitsmoral in Rumänien warnte — "Im Unterschied zu den Arbeitnehmern hier im Ruhrgebiet kommen die eben nicht morgens um sieben zur ersten Schicht und bleiben bis zum Schluss da. Sondern sie kommen und gehen, wann sie wollen" — , spielt die Arbeitsmoral bei der jetzigen Werksschließung wohl keine Rolle: Nokia verkauft in Europa schlicht und einfach immer weniger Handys. Der Preisverfall ist härter als erwartet. Und die Werke in Asien können locker ihre Kapazitäten hochfahren.

Deutschland bleibt Industrieland

Drittens bestätigt sich, wie gefährdet die Position ganz Europas im Wettbewerb der Kontinente um qualifizierte Arbeitsplätze ist. "Am Ende ist Deutschland das einzige wirklich starke Industrieland Europas geblieben", sagte vor Monaten Henkel-Chef Kasper Rorsted bei einem Besuch unserer Redaktion — und zieht die Konsequenzen: Die hiesige Produktion von Henkel in Düsseldorf wird zwar teilweise ausgebaut, doch die entscheidende Investition eines neuen Klebstoffwerkes — des größten der Welt! — entsteht bei Shanghai.

"Das Wachstum verlagert sich nach Osten", heißt es in allen Industrien — so auch im Mobilfunk: Nokia baut die Produktion in China aus, Samsung aus Korea baut sowieso nur in Asien, und Aufsteiger Apple lässt seine teuren Geräte billig vom Auftragsfertiger Foxconn in China bauen.

Kasper Rorsted hat eines der gigantischen Foxconn-Werke kürzlich auf einer mehrwöchigen Reise nach Asien besichtigt, weil Henkel dorthin Klebstoffe zum Montieren der Edelhandys von Apple, HTC und Co. liefert. Er war beeindruckt: "Das war keine kleine Fabrik", erzählt er, "das ist eine regelrechte Stadt mit integrierter Produktion."

Eine riesige Niederlage

Viertens zeigt sich, dass es bei dem großen Kampf um Jobs, Investitionen und Gewinne keineswegs vorrangig um Politik und Subventionen geht, sondern um die Entscheidungen von wenigen Managern und vielen Millionen Kunden. Der Rückzug von Nokia jetzt auch aus Rumänien ist nichts weiter als das Eingeständnis einer riesigen Niederlage des einst unangefochtenen Weltmarktführers im Mobilfunk. Immerhin kostete die Fabrik in Rumänien schätzungsweise 30 Millionen Euro. Das Geld ist weg, da helfen auch Subventionen nichts.

Nokia hat im Markt verloren, schreibt Milliardenverluste und muss darum nun die Jobs kippen: Die arroganten Finnen haben jahrelang die Kunden damit verwirrt, Dutzende verschiedene Handys mit immer neuen Spezifikationen zu vermarkten anstatt es einmal zu schaffen, eine gute Software für ein einfach bedienbares Smartphone zu entwickeln.

Das Nokia-Drama

Das Ergebnis: Bei Top-Geräten ist der Ex-Computerkonzern Apple nun mit dem iPhone führend. Bei einfacheren Geräten rollen die Konkurrenten mit Hilfe des von Google gelieferten kostenlosen Betriebssystems Android den Markt auf. Nokia ist dagegen abgeschlagen und hat keine Alternative, als auf die eigene Software Symbian zu verzichten und nun auf ein System von Microsoft zu setzen.

Wie ernst die Lage ist, zeigt der Marktanteil: Früher peilten die Finnen 45 Prozent an, nun liegen sie bei 25 Prozent. In Europa hat Samsung Nokia überholt — ein Drama.

Die Arbeiter in Bochum haben vor drei Jahren die Papiere bekommen. Die Beschäftigten in Cluj sollen Weihnachten aufhören. Sie alle sind enttäuscht vom Konzern, der "Connecting People" zum Motto machte: Menschen verbinden. Jetzt sind Rumänen und Deutsche verbunden — Gefährten als von Nokia Entlassene.

(RP)
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