Fast die Hälfte der Mitarbeiter ist noch ohne Job Das Schlecker-Drama — ein Jahr danach
Ehingen · Kaum mehr als die Hälfte der rund 23.000 früheren Beschäftigten des insolventen Drogeriemarkt-Betreibers hat einen neuen Job. Der Insolvenzverwalter wird von den Milliardenschulden, die Schlecker hinterließ, nur wenig zurückholen.
Die einen hatten es kommen sehen, für die anderen war es eine Nachricht wie der berühmte Blitz aus heiterem Himmel, für alle ein Gefühl wie nach einem Faustschlag in die Magengrube. Als Anton Schlecker heute vor einem Jahr beim Amtsgericht Ulm Insolvenz anmeldete, hinterließ er einen Scherbenhaufen: teils miserabel aussehende Verkaufsläden, mehr als eine Milliarde Euro Schulden, 23.000 Beschäftigte ohne Job. Mitarbeiter, Lieferanten, Banken — der Absturz des größten deutschen Drogeriemarkt-Betreibers hat viele Opfer. Und heute — zwölf Monate nach dem Pleite-Eingeständnis?
Fast die Hälfte der Belegschaft ist noch ohne Job. Knapp 10.000 haben einen neuen Arbeitgeber gefunden, allein 3000 bei den Drogeriemarkt-Konkurrenten Rossmann und DM, andere in anderen Unternehmen im Handelsgeschäft. Manche landeten auch bei Zeitarbeitsfirmen, aber etwa 11.000 haben überhaupt keine Stelle. Für sie gibt es nach einem Jahr Arbeitslosigkeit nur noch das Arbeitslosengeld II.
Rund eine Milliarde Euro an Forderungen
Dennoch zieht die Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen der Bundesagentur für Arbeit eine positive Bilanz aus ihren Vermittlungsbemühungen. Mehr als 40 Prozent hätten einen neuen Job, fast die Hälfte der 4759 seinerzeit als arbeitslos gemeldeten Ex-Schlecker-Beschäftigten in NRW sei qualifiziert worden.
"Wir haben mit der Schlecker-Insolvenz eine kritische Situation erlebt, aber auch zeigen können, dass es den Agenturen für Arbeit möglich ist, bei einer großen Insolvenz mit vielen Betroffenen erfolgreich zu agieren", sagt Christiane Schönefeld, die Regionaldirektions-Chefin der Arbeitsagentur.
Wenn 40 Prozent in NRW einen neuen Job haben, sind 60 ohne Beschäftigung — abzüglich derer, die nicht mehr arbeiten wollten. Jene, die immer noch erfolglos nach einem neuen Arbeitsplatz suchen, sind mit am schlimmsten betroffen von einer Pleite, die vermeidbar gewesen wäre, wenn der Firmenpatriarch Anton Schlecker das Unternehmen rechtzeitig in die Moderne geführt hätte.
Stattdessen setzte er über Jahrzehnte nur auf Größe, verzichtete auf Investitionen, drangsalierte seine Mitarbeiter — und verlor den Anschluss an die Konkurrenz. Die Rechnung zahlen jetzt die Gläubiger. Rund eine Milliarde Euro an Forderungen haben sie beim Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz angemeldet, aber davon dürfte er nur einen Bruchteil zurückholen.
Gibt es einen Vergleich?
Dafür spricht auch die so genannte "Masseunzulänglichkeit", die das Amtsgericht Ulm Ende des vergangenen Jahres feststellte. Dahinter verbirgt sich die Einsicht, dass der Schlecker-Vermögenskuchen, den es zu verteilen gibt, am Ende nicht einmal ausreichen könnte, um das Amtsgericht und den Insolvenzverwalter zu bezahlen und gleichzeitig noch die so genannten Masseverbindlichkeiten zu bedienen.
Dazu gehören beispielsweise Verträge des Insolvenzverwalters, bei denen er neue Schulden auflädt. Diese Gläubiger aber sind meist nicht bereit, sich mit anderen Gläubigern gleichstellen zu lassen und wollen ihr Geld sehen, ehe der große Rest der Forderungen bedient wird. Und der Insolvenzverwalter muss sich laut Insolvenzordnung darauf einlassen, weil andernfalls das ganze Insolvenzverfahren zu platzen droht.
Ein Vergleich, den es laut "Manager Magazin" mit der Familie Schlecker geben soll, könnte die Insolvenzmasse um einen kleinen zweistelligen Millionenbetrag wachsen lassen — die private Villa, die Anton Schlecker nur kurz vor dem Insolvenzantrag auf seine Frau übertragen haben soll, Grundstücke und Gelder, die an die Kinder Lars und Meike respektive deren Firmen flossen.
Aber das alles ist nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Was der Warenkreditversicherer Hermes (mehr als 200 Millionen Euro Forderungen), die Bundesagentur für Arbeit (125 Millionen Euro) erhalten, was für die Warenlieferanten und die Vermieter der Schlecker-Filialen bleibt und was frühere Mitarbeiter möglicherweise noch an ausstehenden Löhnen zu erwarten haben, weiß niemand. Wenn sie überhaupt noch etwas bekommen.