Deutsche Bank Datenaffäre überschattet Hauptversammlung

Frankfurt/Main (RPO). Gewitterwolken über der Deutschen Bank: Bei der Hauptversammlung muss sich Star-Manager Josef Ackermann auf unbequeme Fragen einstellen. Das Kreditinstitut hat nach Medienberichten eine eigene Datenaffäre am Hals. Außerdem steht Aufsichtsratschef Clemens Börsig unter Druck. Eine gute Nachricht: Die Geschäftszahlen stimmen trotz Finanzkrise.

Die Karriere des Josef Ackermann
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Foto: AP

Deutsche Bahn, Deutsche Telekom und jetzt offenbar auch die Deutsche Bank: Nach einem Bericht des "Handelsblatts" hat das größte deutsche Kreditinstitut eine eigene Datenaffäre. Der Verdacht: Das Umfeld einiger Personen sei Gegenstand von konzerninternen Untersuchungen gewesen und "ungewöhnlich genau" unter die Lupe genommen worden, hieß es unter Berufung auf Konzernkreise. Es könnten auch Vorstandsmitlgieder betroffen sein. Allerdings hielten sich die Fälle im einstelligen Bereich.

Die Deutsche Bank prüft, wie sie bereits am Freitag mitteilte, mögliche rechtliche Verstöße innerhalb der firmeneigenen Sicherheitsabteilung. Sollte sich der Verdacht bestätigen, werde die Bank Konsequenzen aus den Vorfällen ziehen. Die bisher vorliegenden Fakten ließen erwarten, dass es sich nur um wenige Verstöße handele und Kontendaten oder andere Informationen über Kunden nicht betroffen gewesen seien, hieß es weiter. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sei informiert und habe eine Sonderprüfung angeordnet.

Aufsichtsratschef unter Druck

Doch nicht nur die Datenaffäre sorgt bei der Hauptversammlung für Gesprächsstoff. Eine Personalie steht im Mittelpunkt: Aktionärsschützer erwarten eine Abrechnung mit Aufsichtsratschef Clemens Börsig. Der 60-Jährige hatte im April versucht, Vorstandschef Josef Ackermann zu beerben und sich damit bei Aktionären und offenbar auch intern gewaltig in die Nesseln gesetzt. "Hier ist absolut dilettantisch gehandelt worden", kritisiert Aktionärsschützer Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. "Das hat dem Ansehen von Herrn Börsig und auch dem Image der Deutschen Bank beträchtlich geschadet."

Ackermann - trotz des jüngsten Jahresverlusts von 3,9 Milliarden Euro unangefochten - hatte sein Amt ursprünglich 2010 niederlegen wollen, Ende April aber überraschend erklärt, doch bis 2013 bleiben zu wollen. Anschließend wurde bekannt, dass sich Börsig dem Kontrollgremium selbst zur Wahl gestellt hatte und durchgefallen war, was die Bank nicht kommentierte. "Es ist die vornehmste Aufgabe des Aufsichtsrats, einen geeigneten Nachfolger für den Posten des Vorstandschefs zu finden. Das scheint ja total daneben gegangen zu sein", bilanziert Nieding.

Börsigs Vorgehen sei ein Unding, zitierte das "Handelsblatt" am Montag den Chef der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), Klaus Schneider. Er verwies dabei auf Corporate-Governance-Gründe. Börsig war einst Finanzvorstand der Bank, wurde dann Chef-Kontrolleur und würde - so die Befürchtung von Kritikern - mit einem Wechsel an die Spitze des Instituts einen Zick-Zack-Kurs hinlegen, der der Bank schade. "Herr Börsig ist zweifelsohne beschädigt", lautet Schneiders Fazit.

"Finanz-Hurrikan" vergleichsweise gut überstanden

Sein Kollege Klaus Nieding hätte erwartet, "dass diese Personalquerelen unter der Decke geblieben wären, hinter verschlossenen Türen, wo sie hingehören". Schließlich sei die Deutsche Bank der Branchenprimus: "Und an ein solches Haus haben Aktionäre höchste Ansprüche". Auch, was die Dividende angeht: Diese ist nach dem Krisenjahr 2008 allerdings um 4 Euro auf 50 Cent zusammengeschrumpft, was den geschätzt 4.000 Aktionären in der Frankfurter Festhalle sauer aufstoßen dürfte.

Auf der anderen Seite hat Ackermanns Haus den "größten Finanz-Hurrikan der vergangenen Jahrzehnte" (Nieding) weitaus besser als viele Wettbewerber überstanden. Und kam - wie von dem Schweizer selbstbewusst vorhergesagt - ohne Staatshilfe aus. Ganz im Gegensatz zur deutschen Nummer zwei, der Commerzbank. Zuletzt konnte Ackermann dann wieder glänzen: mit einem Quartalsgewinn von 1,2 Milliarden Euro. Und sogar mit einer Eigenkapitalrendite von 25 Prozent, Ackermanns Zielmarke, die im Zuge der Krise vielfach als vermessen kritisiert worden war.

Mehr um Köpfe als um Zahlen

Drinnen könnte es diesmal mehr um Köpfe als um Zahlen gehen. Schnellstens, so Nieding, müsse die Bank-Führung die Frage beantworten, wie es um das Verhältnis von Ackermann und Börsig bestellt sei. Das Ansehen des Geldhauses habe gelitten, möglicherweise sei sogar wirtschaftlicher Schaden entstanden. Mit einer schnellen Demontage Börsigs rechnet er indes nicht: "Man wird da eine gewisse Schamfrist einhalten."

Die Ablösung Börsigs werde wohl nicht stattfinden, ehe die Deutsche Bank einen Nachfolger gefunden habe. "Zunächst muss man sehen, ob (Ex-SAP-Chef) Henning Kagermann willens ist, diese Aufgabe zu übernehmen." Als Alternative nennt Nieding Ex-WestLB-Chef Heinz Hilgert.

Schauplatz der Dauerfehde mit Leo Kirch

Die Hauptversammlung werde Börsig auf jeden Fall noch als Leiter zu Ende bringen: "Allein schon, um Leo Kirch nicht noch mehr Munition zu liefern." Die Aktionärstreffen waren zuletzt immer wieder zum Schauplatz der Dauerfehde mit dem Ex-Medienmogul geworden, Aktionär und ehemaliger Kreditnehmer der Bank. Im Februar 2002 hatte der damalige Bank-Chef Rolf Breuer öffentlich die Kreditwürdigkeit der Kirch-Gruppe in Zweifel gezogen und - nach Darstellung Kirchs - damit die Insolvenz seines Medienkonzerns zwei Monate später verursacht. Seither ziehen zahlreiche Detailfragen seiner Vertreter die Hauptversammlungen in die Länge.

(AP)
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