Anleger sind nervös Der Euro steht vor seiner Zerreißprobe

Berlin (RP). Die Angst vor Staatspleiten im Euro-Land ist groß. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat erstmals Hilfen für zahlungsunfähige Länder in Aussicht gestellt. Griechenland, Irland und die Slowakei gelten als Kandidaten. Erste Anleger horten Euro-Banknoten mit deutscher Kennung.

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Foto: AP

Bei einigen europäischen Anlegern ist die Deutschtümelei ausgebrochen. In vertraulichen Runden berichten Banker von einem brisanten Verhalten ihrer Kundschaft. Demnach verlangen Anleger gezielt nach Banknoten, deren Registrierungsnummer auf den Ursprung einer deutschen Notenpresse hinweist (Buchstabe X). Ihr Kalkül: Sollte die Währungsunion auseinanderbrechen, werden die Scheine in die frühere Landeswährung umgetauscht.

Horror-Szenario? Unrealistisch? Wahrscheinlich. Doch alleine die Nervosität belegt: Die Euro-Zone steht vor der wichtigsten Bewährungsprobe in seiner jungen Geschichte. Spekulanten, Anleger und Investoren kennen derzeit kaum ein anderes Thema als das mögliche Auseinanderbrechen der Euro-Gemeinschaft. Ursache: Hochverschuldete EU-Länder wie Irland, Griechenland, die Slowakei, Portugal und Italien hat die Finanzkrise an den Rand der Zahlungsunfähigkeit gebracht.

Zinsaufschläge von bis zu drei Prozentpunkten mehr

Sie müssen Investoren Zinsaufschläge von bis zu drei Prozentpunkten mehr bieten, damit sie ihre Staatsanleihen an den Mann bringen können. Das heißt, dass ausgerechnet die klammen Länder für neue Schulden immer mehr Zinsen zahlen müssen. Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi warb vor kurzem in einem bisher einmaligen TV-Auftritt persönlich für die Staatspapiere aus Rom. Internationale Ratingagenturen haben die Bonität der Krisen-Staaten trotzdem drastisch heruntergesetzt. Griechenlands Kreditwürdigkeit wird etwa mit A- beurteilt, das entspricht der Schulnote vier.

Doch kann ein EU-Staat überhaupt pleite gehen? Theoretisch ja. Die EU-Mitgliedsstaaten haben zwar eine gemeinsame Währung, sind aber kein gemeinsamer Staat. Deshalb kann es sein, dass ein Mitgliedsland am Kapitalmarkt kein Geld mehr bekommt und zahlungsunfähig wird. Die Europäische Zentralbank darf laut Maastricht-Vertrag nicht eingreifen und etwa Staatsanleihen aufkaufen. In den USA kann die Notenbank dagegen einfach die Notenpresse anwerfen und die Staatsanleihen selbst erwerben. Im EU-Währungsraum können Krisenländer zudem nicht ihre Währung abwerten, um ihre Exporte zu verbilligen und ihre Wirtschaft anzukurbeln. Selbstreinigung fällt so schwer. Folge: panische Anleger, die Risikoaufschläge für Staatspapiere verlangen und die Krise noch verschärfen. Ein Teufelskreislauf.

Merkel und Steinbrück stellen Hilfe in Aussicht

Nun haben die beiden wichtigsten deutschen Krisenmanager, Kanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück, erstmals Hilfen für zahlungsunfähige Euro-Länder in Aussicht gestellt. Kein Land werde in den Konkurs entlassen, heißt es. Da Deutschland weiterhin Bestnoten als Schuldner genießt, müsste Berlin im Notfall das Platzen der Immobilienblasen in Portugal oder das Staatsdefizit in der Slowakei mitfinanzieren. Peter Bofinger, Mitglied im Sachverständigenrat, schätzt, dass die Rettung der Euro-Zone den deutschen Steuerzahler 1,5 Milliarden Euro pro Jahr kosten könnte. Vorausgesetzt, die Euro-Länder finanzieren sich künftig über gemeinsame Anleihen.

Diesen Vorschlag hatte die EU-Kommission im Januar gemacht und war damals noch brüsk vom deutschen Finanzminister zurechtgewiesen worden. Die deutschen Politiker fürchten, dass sie neue Milliarden-Lasten für Europas Spekulantentum ihrem Wahlvolk nur schwer vermitteln können. Angesichts täglich neuer Horrormeldungen aus den Nachbarstaaten findet ein Umdenken statt. Intern werden nun "bilaterale Anleihen" diskutiert. Ein kreditwürdiges Land wie Deutschland nimmt Geld auf und stellt es einem bedürftigen wie Irland zur Verfügung.

"Konzertierte Stützungsaktionen"

Auch eine gemeinsame Anleihe der starken Länder oder "konzertierte Stützungsaktionen" im Verbund mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) werden geprüft. Experten halten die Hilfe für unabdingbar. "Wenn es an einer Stelle kracht, stürzt das gesamte System", warnt der "Wirtschaftsweise" Bofinger.

Wohl auch deshalb haben Kanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück sich nun erstmals zu Finanzhilfen bereiterklärt und damit das Thema endgültig in die Öffentlichkeit gebracht. Von "absurder Diskussion" und "Panikmache" will Peer Steinbrück nun nichts mehr wissen.

Beobachter erwarten, dass die Regierungschefs und Finanzminister der europäischen G-20-Länder schon bei ihrem Treffen am Wochenende im Berliner Kanzleramt über Hilfsaktionen sprechen werden. Offiziell ist das kein Thema. Aber in den Hinterzimmern wird es um die Rettung der Euro-Zone gehen. "Es ist das heißeste Thema an den Finanzmärkten", beschreibt es ein Frankfurter Analyst. "Die Pleite von Lehman Brothers wäre gegen die Pleite eines Euro-Lands nur ein Kindergartenfest."

(RP)
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