Interview mit Peter Bofinger "Der Konjunkturaufschwung geht zu Ende"

Berlin (RP). Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger hat vor einer deutlichen Abkühlung der deutschen Konjunktur infolge der Schuldenkrisen in den USA und in Europa gewarnt. Er hält die Krise der USA für schlimmer als die Europas. Im Interview mit unserer Redaktion sprach Bofinger darüber, dass der Aufschwung in Deutschland nun zu Ende gehe und eine deutliche Abkühlung bevorstehe.

 Peter Bofinger ist Mitglied im Sachverständigenrat der Regierung.

Peter Bofinger ist Mitglied im Sachverständigenrat der Regierung.

Foto: AP, AP

Herr Professor Bofinger, welche Auswirkungen hätte ein Zahlungsausfall der USA für die Weltwirtschaft?

Bofinger Sollte es tatsächlich dazu kommen, dass die USA morgen zahlungsunfähig werden — was ich für unwahrscheinlich halte —, wird kurzfristig erst einmal nicht viel passieren. Der US-Staat käme noch zwei bis drei Wochen so über die Runden: Er könnte aus laufenden Steuereinnahmen mindestens den Schuldendienst bezahlen, also die Zinsen an seine Gläubiger, und die Notenbank wird stabilisierend auf die Märkte einwirken. Dann würde noch nicht der Zahlungsausfall festgestellt.

Wenn es nach zwei, drei Wochen aber immer noch keine Lösung gäbe, wäre das tatsächlich der GAU: Weltweit müssten Banken die US-Anleihen, die sie selbst halten und die Unternehmen bei ihnen als Sicherheiten für Kredite hinterlegt haben, schlechter bewerten. Das würde das Weltfinanzsystem paralysieren, weil US-Anleihen weltweit als wichtigste Sicherheit angesehen werden.

Welche Krise ist schlimmer — die US-Schuldenkrise oder die Schuldenkrise im Euro-Raum?

Bofinger Die Finanzmärkte haben derzeit noch stärker die Euro-Zone im Blick: Sie spekulieren weiter gegen einzelne Länder und nehmen jetzt auch größere Länder wie Spanien und Italien ins Visier. Doch auch wenn sich die Situation in den USA kurzfristig entspannen würde, ist sie mittelfristig schlimmer: Da es politisch nicht möglich ist, die Steuern zu erhöhen, müssen die USA massiv auf die Ausgabenbremse treten. Das untergräbt die Substanz der weltgrößten Wirtschaft.

Wie meinen Sie das?

Bofinger Der US-Staat ist heillos unterfinanziert. Die Staatseinnahmen machen in den USA nur noch 31 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus; in der Euro-Zone sind es 45 Prozent. Den USA fehlen Mittel für dringend nötige Investitionen in den Bildungssektor. Für die Infrastruktur und für den sozialen Ausgleich wird dort ohnehin zu wenig ausgegeben. Ohne Steuererhöhungen, die Präsident Obama offensichtlich nicht durchsetzen kann, gehen die USA vor die Hunde.

Welche Folgen haben die Entwicklungen in den USA und in Europa für die deutsche Konjunktur?

Bofinger Leider tragen diese Entwicklungen dazu bei, dass der Konjunkturaufschwung zu Ende geht und nun eine deutliche Abkühlung bevorsteht. Wir werden in Deutschland deutlich geringere Wachstumsraten erleben als 2010 und 2011. Raten von über drei Prozent gehören der Vergangenheit an. Die Binnenkonjunktur ist nicht stark genug, um die von außen kommenden Bremseffekte aufzufangen.

Birgit Marschall stellte die Fragen.

(RP)
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