Personalvorstand Uwe Tigges im Interview "Der RWE-Turm steht auf dem Prüfstand"

Essen · Uwe Tigges, der Personalvorstand des Energiekonzerns, spricht im Interview mit unserer Redaktion über den Stand des Stellenabbaus. RWE wird den Kündigungsschutz nicht verlängern und prüft den Verkauf der Zentrale in Essen.

 RWE-Personalvorstand Uwe Tigges sprach mit unserer Redaktion.

RWE-Personalvorstand Uwe Tigges sprach mit unserer Redaktion.

Foto: Schaller,Bernd

Es gab immer wieder Spekulationen, RWE sei selber an einem vorzeitigen Aus von Garzweiler interessiert …

Tigges Gut, dass Sie mir die Gelegenheit geben, das klarzustellen, denn damit wird ja ganz offensichtlich Politik gemacht. RWE hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass wir zur Braunkohle stehen und dass wir uns auch in Garzweiler an den genehmigten Abbaugrenzen orientieren, die noch bis Mitte dieses Jahrhunderts reichen. Das gilt. Ohne Abstriche.

Was bedeuten die Pläne der Landesregierung für die Beschäftigten im rheinischen Revier?

Tigges Von der Erklärung der Landesregierung, die langfristige Perspektive des Tagebaus Garzweiler in Frage zu stellen, waren wir überrascht. Das hat natürlich auch zu Verunsicherung und auch zu Frust in der Belegschaft geführt. Ein Drittel unserer Kohle kommt aus Garzweiler. Da liegt es auf der Hand, dass das langfristig auch Auswirkungen auf die Beschäftigten hat, wenn hier politisch gewünscht Abstiche gemacht werden sollen. Solche Entscheidungen sind sehr weitreichend und wir finden, dass man Diskussionen darüber ergebnisoffen führen muss

Sind Sie enttäuscht von der NRW-SPD, die bislang stets für die Interessen der Braunkohle stand?

Tigges Also, zunächst muss man ja noch einmal sagen, dass die Landesregierung im jetzt laufenden Verfahren die Notwendigkeit der Braunkohlegewinnung aus Garzweiler bis 2030 klar bestätigt hat. Dazu braucht es Akzeptanz im Revier. Hier haben wir als Unternehmen genauso eine Verantwortung wie die Politik und zwar über Parteigrenzen hinweg. Das ist für mich keine Frage der politischen Couleur.

Sie sind vom Betriebsrats-Chef zum Personalvorstand aufgestiegen und müssen nun tausende Stellen abbauen. Haben Sie den Wechsel bereut?

Tigges Nein, überhaupt nicht. Die Aufgabe ist zwar nicht immer angenehm, aber überaus spannend. Natürlich kann ich meine Erfahrungen als Betriebsratschef von RWE in die neue Funktion einbringen, ich denke da vor allem an die Mitbestimmung. Um es mit Johannes Rau zu sagen: Der Wert der Mitbestimmung liegt darin, vom Konflikt zum Konsens zu kommen. Wenn man dieses Grundverständnis hat, ist es egal, auf welcher Seite des Tisches man sitzt. Vielleicht fällt mir die Aufgabe sogar leichter, weil ich weiß, was die Mitbestimmung braucht.

Bis Ende 2016 will RWE 6700 Stellen abbauen oder durch Verkäufe abgeben. Wie weit sind Sie schon gekommen?

Tigges Die Zahl stimmt heute so nicht mehr. Sie basierte auf einer längerfristigen Personalplanung, und dabei hatten wir nicht vorhergesehen, dass der Personalrückgang im Unternehmen schneller erfolgte als geplant. 2013 haben europaweit 1900 RWE-Mitarbeiter von sich aus gekündigt, auch Verkäufe und die altersbedingte Fluktuation hilft uns. Bis Ende 2016 müssen noch 5400 Stellen abgebaut werden, davon rund 2000 in diesem Jahr.

Reicht das? Oder wird RWE auf Dauer weniger als jene 61.000 Mitarbeiter haben, die für Ende 2016 angepeilt werden? Schließlich sind die Aussichten anhaltend trübe.

Tigges Ob es auf Dauer bei 61.000 Mitarbeitern bleibt, kann ich nicht versprechen. Wenn die Großhandelspreise weiter sinken oder die Politik die Rahmenbedingungen erneut verschärft, so dass wir noch mehr Kraftwerke stilllegen müssen, werden wir auch dem Rechnung tragen müssen. Es gibt aber ausdrücklich keine konkreten Pläne für einen weitergehenden Stellenabbau.

Was passiert, wenn der Staat den Ruf der Branchen nach Hilfen nicht erhört und Verbraucher auch künftig nicht für die Bereitstellung von Kraftwerkskapazität zahlen müssen?

Tigges Lassen Sie mich noch eines vorwegschicken: Wir rufen nicht nach staatlichen Hilfen. Es geht darum, den Markt, der heute nicht mehr funktioniert, so zu reformieren, dass auch das Gut "Versorgungssicherheit" einen Wert bekommt. Diese Versorgungssicherheit liefern unsere konventionellen Kraftwerke mit ihrer gesicherten Leistung, die auch dann da ist, wenn Sonne und Wind nicht da sind. Allerdings: Unsere mittelfristige Finanzplanung basiert auf der vorhandenen Rechtslage, nicht auf möglichen Kapazitätszahlungen. Wenn der Kapazitätsmarkt nicht kommt, ist das kein Grund, den Stellenabbau zu verschärfen.

Das laufende Sparprogramm "RWE 2015" wird nicht das letzte Wort sein. Wie geht es weiter?

Tigges An "RWE 2015" schließt sich ein neues Programm an. Dabei geht es um weitere Effizienz- und Restrukturierungsmaßnahmen, aber auch um den kulturellen Wandel im Konzern und um das Thema Innovation. Die verschiedenen Töchter sollen stärker zusammenwachsen. Mit unseren bisherigen Effizienzmaßnahmen haben wir schon 1 Mrd. Euro realisiert.

Ende des Jahres läuft der Kündigungsschutz bei RWE aus. Die Gewerkschaften fordern eine Verlängerung. Wird es die geben?

Tigges Wir brauchen Flexibilität, um den großen Umbau stemmen zu können, vor allem, falls sich die Rahmenbedingungen weiter verschlechtern sollten. Daher können wir den Kündigungsschutz nicht verlängern. An dieser Stelle müssen wir hart bleiben.

Das werden sich die Gewerkschaften bezahlen lassen. Eine Nullrunde wird RWE dann nicht durchsetzen können.

Tigges Wir bleiben für die Tarifrunde 2014 bei der Forderung nach einer Nullrunde. Am Ende könnte es ein Gesamtpaket geben. Klar ist auch: Wir wollen den Stellenabbau ohne betriebsbedingte Kündigungen schaffen.

Wie sollen die aussehen? Ihre Verhandlungen mit dem Betriebsrat über eine Jobbörse sind gescheitert.

Tigges Die Verhandlungen sind daran gescheitert, dass wir Mitarbeitern, deren Stellen bedroht sind, befristete Verträge geben wollten. Nun nehmen wir einen neuen Anlauf mit einem konzerninternen Arbeitsmarkt mit dem Projektnamen "Switch", über den Mitarbeiter in andere RWE-Töchter vermittelt werden. Dabei geht es nicht nur um Mitarbeiter, deren Stellen wegfallen, sondern auch um Talente, die wir an uns binden wollen. Wir sind in konstruktiven Verhandlungen mit den Gewerkschaften.

Was bedeutet das für einen RWE-Mitarbeiter, dessen Job etwa in der Kraftwerkssparte wegfällt?

Tigges Wer über "Switch" wechselt, behält alle Leistungen, die RWE ihm einst zugesagt hat. Was wir aber erwarten, ist die Flexibilität, an einen anderen Standort oder zu einer anderen Tochter zu wechseln.

Und was ist, wenn der Mitarbeiter die angebotenen Jobs bei einer anderen RWE-Tochter nicht annimmt?

Tigges Nach heutiger Regelung gilt: Wer zwei zumutbare Stellen ablehnt, wird am Ende um eine Kündigung nicht herumkommen. Aber ich bin sicher, das wird die Ausnahme bleiben. Zudem ist "Switch" besser als eine externe Beschäftigungsgesellschaft, wie Wettbewerber sie haben. An deren Ende steht stets die Entlassung. Das ist nicht der Sinn von "Switch".

Fürchten Sie Konflikte wie bei Eon?

Tigges Auch bei RWE wird es noch Konflikte und Proteste geben, das gehört dazu. Doch wir bleiben im Dialog und werden zu einvernehmlichen Lösungen mit den Gewerkschaften kommen.

Um effizienter zu werden, bündelt RWE Verwaltungsaufgaben. Wie weit sind Sie da gekommen?

Tigges Bislang hatte jede RWE-Tochter alles selbst, auch eine eigene Personalabteilung und Buchhaltung. Das führte dazu, dass wir im Konzern allein 23 Reisekosten-Richtlinien etabliert haben — das ist bürokratischer Wahnsinn. Wir werden die Querschnittsaufgaben in der zentralen Group Business Service GmbH bündeln - letztlich geht es um Dienstleistungscenter für die operativen Einheiten. Dadurch können Effizienzen gehoben werden. Am Ende könnten etwa 2000 Mitarbeiter dort tätig sein.

Betriebsräte fragen sich, ob die Millionen, die RWE für Berater ausgegeben hat, durch diese Sparprogramme wieder reinkommen. Wie weit ist eigentlich Ihr Dienstleister in Krakau?

Tigges Natürlich braucht man externe Berater, um einen solchen Umbau voranzutreiben. In erster Linie setzen wir aber auf die Berater aus dem eigenen Haus. Krakau kommt gut voran: 65 Mitarbeiter arbeiten dort derzeit in Reisekosten-Abrechnung und Buchhaltung. Wie vereinbart werden es zunächst bis zu 99 deutsche Mitarbeiter werden.

Hilft Ihnen beim Stellenabbau eigentlich die geplante Rente mit 63? Dann können Sie Mitarbeiter mit 61 in die Arbeitslosigkeit schicken.

Tigges Bei uns können Mitarbeiter bereits bis Jahrgang 1960 und ab einem Alter von 55 Jahren in den Vorruhestand gehen. Das bedeutet: Wir zahlen ihnen weiterhin 57 Prozent von ihrem jeweiligen Bruttogehalt. Die Rente mit 63 hilft uns dagegen nicht.

Wo Stellen wegfallen, braucht man auch weniger Immobilien. Werden Sie Immobilien aufgeben?

Tigges In der Tat brauchen wir weniger Bürofläche. Wie viel von unserer bisher genutzten Bürofläche wir zukünftig aufgeben, das wird von unserer Personalstärke abhängen. Entscheidend ist auch die Form der Zusammenarbeit in der Zukunft. Hier stellen wir uns wesentlich flexibler auf. Stichwort Home-Office oder Großraumbüro.. Wir prüfen derzeit, welche Immobilien wir verkaufen oder abmieten können, naturgemäß vor allem zwischen Essen und Dortmund.

Was ist mit der Konzernzentrale? Wird die in zehn Jahren noch im Turm in Essen sein?

Tigges Die RWE-Zentrale wird in Essen bleiben, das ist klar. Ob sie aber in zehn Jahren noch im Turm ist, kann ich jetzt noch nicht beantworten. Wie alles steht auch der RWE-Turm auf dem Prüfstand. Der Turm ist aufgrund seiner runden Architektur grundsätzlich ungeeignet für eine moderne Konzernverwaltung, wir haben hier zu viele Freiflächen und fensterlose Räume in der Mitte. Doch der Turm gehört RWE und es dürfte nicht so einfach sein, einen Käufer zu finden. Schließlich geht es hier um ein fast 30-stöckiges Gebäude mit einem Durchmesser von 32 Metern.

Apropos zehn Jahre: Sitzt dann eine Frau im RWE-Vorstand?

Tigges Ich würde es mir wünschen. Eine starre gesetzliche Quote brauchen wir dazu aber nicht. Wir müssen dagegen auf allen Ebenen den Anteil der Frauen erhöhen, eine Basis aufbauen. Unser Ziel ist es, dass künftig 22 Prozent der Führungspositionen bei RWE von Frauen besetzt werden. Derzeit sind es nur rund 14 Prozent, in der Kraftwerkssparte nicht einmal fünf Prozent. Energiewirtschaft war lange Zeit eine reine Männersache. Davon müssen wir wegkommen. RWE muss weiblicher werden, und dafür setzen wir schon bei den Jüngsten an.

(anh)
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