Zu wenig Wind und Sonne Deutsches Stromnetz schrammt am Blackout vorbei

Haltern · Wegen einer langen Phase ohne ausreichend Wind und Sonne ist das deutsche Stromnetz nach Angaben der IG BCE im Januar unter Druck geraten. Die Gewerkschaft kämpft für den Weiterbetrieb konventioneller Kraftwerke.

 Neue und alte Energiewelt dicht beieinander: ein Windrad in unmittelbarer Nachbarschaft zum RWE-Kraftwerk Grevenbroich-Neurath.

Neue und alte Energiewelt dicht beieinander: ein Windrad in unmittelbarer Nachbarschaft zum RWE-Kraftwerk Grevenbroich-Neurath.

Foto: Andreas Endermann

Der Januar dieses Jahres war kalt und grau. Der Deutsche Wetterdienst verzeichnete Durchschnittstemperaturen von minus 2,3 Grad - deutlich kühler als für den Jahresanfang üblich. Eine dicke Wolkendecke lag über dem Norden. Die Sonne brach nur selten durch. Hinzu kam eine Phase der Windstille. "Dunkelflaute" nennt das die Energiewirtschaft. Ein gefährlicher Zustand für das Stromnetz, schließlich setzt Deutschland im Zuge der Energiewende immer stärker auf Windkraft und Solarstrom.

Nach Angaben von Michael Vassiliadis, Chef der IG Bergbau Chemie Energie, wurde der Zustand am 24. Januar kritisch: Energieunternehmen und Netzbetreiber hätten an diesem Tag die Stromversorgung nur mit größter Mühe aufrechterhalten können, sagte der Gewerkschafter auf einer Veranstaltung in Haltern am See vor Journalisten. Denn die Deutschen forderten ungeachtet der Probleme - wie an anderen Tagen auch - mehr als 80 Gigawatt Leistung ab. "Die Erneuerbaren konnten nicht einmal fünf Prozent davon bieten", sagte Vassiliadis.

Anti-Kälte-Plan

Auch der Import von Strom war keine Option. Frankreich hatte zu diesem Zeitpunkt angesichts der Kältewelle selbst enorme Schwierigkeiten, den eigenen Bedarf zu decken. Denn viele Franzosen heizen mit Strom. Schon Mitte Januar hatte die Regierung in Paris einen Anti-Kälte-Plan in Gang gesetzt und in den betroffenen Präfekturen Krisenstäbe eingesetzt. Einem Blackout entgingen die Franzosen nur, weil die Inspektion mehrerer Atommeiler verschoben wurde. Frankreich hatte also genug mit sich selbst zu tun.

Dass ein Blackout hierzulande ausblieb, gelang laut Vassiliadis nur, weil die deutschen Energieversorger "auch noch das letzte Reservekraftwerk" ans Netz nahmen. "Kohle, Gas und Kernkraft hielten das Land quasi im Alleingang unter Strom." Die Bundesnetzagentur äußerte sich auf Anfrage nicht zu der Netzüberlastung.

Natürlich verfolgt Vassiliadis, der vor allem die Beschäftigten in den konventionellen Kraftwerken vertritt, mit seiner Darstellung der Ereignisse eine Agenda. Er will den von den Grünen verlangten vorzeitigen Ausstieg aus der Braunkohle verhindern. "Allein für die Jahre 2016 bis 2019 erwarten wir den Rückbau von 30 Anlagen mit einer Leistung von mehr als sechs Megawatt", sagte der Gewerkschaftschef. Die Erneuerbaren würden immer abhängig von Wind und Sonne sein, größere Technologiesprünge seien nicht mehr zu erwarten. Der IG-BCE-Chef forderte eine Neuausrichtung der Energiewende. "Wir benötigen einen Strukturwandel, der intelligent gemanagt ist", sagte er und kritisierte, dass für den Umbau auf erneuerbare Stromerzeugung bereits rund 500 Milliarden Euro an Förderungen und Verbindlichkeiten angefallen seien - und das für die Produktion von Strom mit einem Marktwert von 100 Milliarden Euro.

Solaranlage für Gutverdienende

Allein die EEG-Umlage, die den Löwenanteil bei der Energiewende-Förderung ausmacht, habe die Bürger schon mehr Geld gekostet als alle Kohlesubventionen der vergangenen fast 60 Jahre zusammen. Die Verteilung der Lasten über den Strompreis sei sozial unausgewogen. Sozial Schwache wohnten meist zur Miete und hätten kaum Einfluss auf ihren Stromverbrauch. Besser Verdienende könnten sich eine Solaranlage aufs Dach setzen und seien dann für diesen Strom von der Umlage befreit. Die IG Bergbau Chemie Energie fordert deshalb eine Finanzierung der Energiewende über Steuern.

(RP)
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