Interview mit Henkel-Chef Kasper Rorsted "Deutschland ist die Säule unseres Erfolgs"

Düsseldorf · Henkel-Vorstandschef Kasper Rorsted spricht im Interview mit unserer Redaktion über Zukunft des Unternehmens in Deutschland, die Jahresprognose und über Gerüchte um einen Wechsel zu Linde.

 Kaspar Rorsted sprach mit unserer Redaktion über die Zukunft des Düsseldofer Konzerns Henkel.

Kaspar Rorsted sprach mit unserer Redaktion über die Zukunft des Düsseldofer Konzerns Henkel.

Foto: dpa, ve jhe

Herr Rorsted: Sie sind Fan des FC Bayern München. Waren Sie beim Champions League Finale in Wembley dabei?

Rorsted: Natürlich. Nachdem sie zweimal den Pokal verpasst hatten, musste es jetzt endlich klappen. Das Triple von Champions-League, Bundesliga und Pokal ist schon ein toller Erfolg. Dazu kommt, dass mit dem BVB auch eine zweite deutsche Mannschaft im Finale stand. Das war ein besonderer Abend.

Henkel geht es ja mit dem Rekordgewinn in 2012 ja auch nicht gerade schlecht, warum dann die neue Vier-Jahres-Strategie bis 2016?

Rorsted: Das Erreichen der Ziele für 2012 war für uns eine wichtige Etappe. Jetzt geht das Unternehmen in eine neue Phase. Die Mitarbeiter und auch die Aktionäre müssen wissen, wohin die Reise geht. Nur so lässt sich neue Aufbruchstimmung erzeugen. Darum haben meine Kollegen im Vorstand und ich alleine 28 Standorte in 22 Ländern besucht und umfassend die neue Strategie erklärt. Ingesamt fanden mehr als 70 Informationsveranstaltungen weltweit statt.

Als Zwischenschritt zu den neuen Zielen haben Sie Vorgaben für 2013 gemacht. Erreichen Sie die?

Rorsted: Ja, trotz konjunkturellem Gegenwind in vielen Regionen stehen wir zu unserer Jahresprognose für 2013: Wir erwarten ein organisches Umsatzwachstum zwischen drei und fünf Prozent. Für die bereinigte EBIT-Marge rechnen wir mit einem Anstieg auf etwa 14,5 Prozent und für das bereinigte Ergebnis je Vorzugsaktie mit einem Zuwachs von etwa zehn Prozent. Die stabile Lage und unsere gute Position in Deutschland helfen uns, die Situation in Südeuropa ist und bleibt schwierig, aber in einigen Wachstumsländern läuft es umso besser.

Bis 2016 soll der Umsatz in Wachstumsregionen wie China, Lateinamerika oder Russland auf die Hälfte des Umsatzes steigen. Verlieren das Stammland Deutschland und die Zentrale hier in Düsseldorf an Gewicht?

Rorsted: Im Gegenteil, Deutschland ist und bleibt eine wesentliche Säule unseres Erfolges. Wir sind ein deutsches Unternehmen mit globaler Aufstellung. Durch die fortschreitende Globalisierung wird die Zentrale sogar noch wichtiger. In je mehr Ländern wir agieren, umso mehr müssen wir von Düsseldorf aus die Arbeit koordinieren, damit wir die Komplexität des Konzerns im Griff haben. Hinzu kommt: Als Stadt im Zentrum Europas ist Düsseldorf auch ein idealer Standort für Produktion und Logistik. Neben dem Ausbau unserer Produktion in den letzten Jahren errichten wir hier gerade für den Bereich Wasch- und Reinigungsmittel unser größtes Zentrallager für 35 Millionen Euro. Bedenken Sie: Deutschland ist mit rund 13 Prozent des Umsatzes noch immer unser zweitwichtigster Markt nach den USA. Und hierhin fließen auch die höchsten Investitionen.

Bleibt es bei 47.000 Arbeitsplätzen weltweit bei Henkel und rund 8000 in Deutschland?

Rorsted: Es gibt in Düsseldorf und auch weltweit keine Programme, um Arbeitsplätze abzubauen. Wir planen aber auch keine wesentliche Erhöhung der Belegschaft. Da wir aber den Umsatz bis 2016 von jetzt 16 Milliarden Euro auf 20 Milliarden erhöhen wollen, bedeutet das auch dass wir noch effizienter werden müssen und uns deshalb ständig an die Marktbedingungen anpassen werden.

Was bedeutet das?

Rorsted: Wir wollen unsere Arbeitsabläufe zum Beispiel durch einen höheren Einsatz von IT-Technologien weiter optimieren. Dazu werden wir allein bis 2016 insgesamt 140 Millionen Euro zusätzlich in IT-Systeme investieren. Aber wir investieren auch mehr in unsere Mitarbeiter: Wir haben Ausbildungsprogramme in Zusammenarbeit mit führenden internationalen Universitäten. So besuchen zum Beispiel unsere Top- Führungskräfte für zwei Monate eine Fortbildung an der renommierten Harvard-Business School in den USA. Gute Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, die wir weltweit anbieten, sind ein wichtiges Instrument, um die besten Köpfe an uns zu binden.

Ist das schwer?

Rorsted: In Deutschland sind wir ein sehr bekannter und begehrter Arbeitgeber. In anderen Ländern müssen wir als ausländische Firma mehr tun, um für gute Leute attraktiv zu sein. Darum ist es auch so wichtig, dass die Belegschaft ein Gemeinschaftsgefühl entwickelt und die Strategie des Unternehmens kennt, damit wir klar vermitteln können, wofür wir bei Henkel stehen und was wir gemeinsam erreichen wollen.

Die hiesige Belegschaft sorgt sich wegen der Verlagerung von Arbeiten in Shared-Service-Center.

Rorsted: Richtig ist: Die Zahl der Arbeitsplätze in den Shared-Service-Centern soll in den nächsten vier Jahren von rund 2000 auf 3000 ansteigen. Aber mit der Verlagerung von Arbeit hat das nichts zu tun: Wir zentralisieren globale Prozesse und Arbeitsabläufe, die bislang in den unterschiedlichen Unternehmensbereichen und Ländern abgewickelt werden. Wir schreiben zum Beispiel weltweit Rechnungen, wir rechnen global Personalkosten ab — da ist es sinnvoll, solche Arbeiten unternehmensweit zu standardisieren und an einem Standort zu bündeln, um sie noch effizienter abwickeln zu können.

Sie haben angekündigt, einen neuen großen Zukauf zu wagen.

Rorsted: Zunächst einmal sehen wir beträchtliches Potenzial für weiteres Wachstum und höhere Profitabilität in unseren bestehenden Geschäften. Um diese zu stärken, wollen wir bis 2016 insgesamt zwei Milliarden Euro investieren. Das sind 40 Prozent mehr als in den vergangenen vier Jahre. Aber auch Akquisitionen sind wesentlicher Bestandteil unserer Strategie, wenn sie strategisch Sinn machen und finanziell attraktiv sind.

Wie viel Geld haben Sie in der Kriegskasse?

Rorsted: Unser finanzieller Spielraum liegt im Moment bei circa vier Milliarden Euro und wird sich weiter erhöhen. Wir hatten zuletzt zudem eine sehr starke Cash-flow-Entwicklung. Damit wird unser Spielraum zukünftig entsprechend weiter steigen. Wir haben im letzten Jahr intensiv mögliche Akquisitionsziele analysiert. Jetzt geht es um die Umsetzung.

Dummerweise werden Unternehmen mit den steigenden Aktienkursen in vielen Ländern immer teurer.

Rorsted: Das ist richtig und auch viele Wettbewerber sind finanziell gut gerüstet. Ich kann Ihnen daher versichern: Wir werden uns nicht übernehmen, nur damit wir eine Akquisition vorweisen können. Henkel ist ein grundsolides Unternehmen mit nun 137 Jahren Geschichte. Wir haben auch keinen Zeitdruck. Aber wir wissen aus früheren großen Zukäufen wie der Haarpflegefirma Schwarzkopf und den National Starch-Klebstoffgeschäften, dass wir damit am Ende den Wert des Konzerns wesentlich gesteigert haben.

Können Sie sich eine feindliche Übernahme vorstellen?

Rorsted: Es liegt in unserer Tradition, Einvernehmen mit dem Management von gekauften Firmen herzustellen. Das war in der Vergangenheit auch immer ein wichtiger Aspekt in der Integration der Firmen. Andererseits müssen wir auch sicherstellen, dass wir bei einer Akquisition die Synergien ausschöpfen und ein Geschäft zügig und vollständig integrieren.

Zum Umbau bei Henkel gehört auch die Reduktion der Markenanzahl. Wie weit sind sie da?

Rorsted: Wir hatten einst über 1000 Marken, jetzt sind wir bei unter 400. Bis zum Jahr 2016 sollen rund weitere 150 Henkel-Marken verkauft, eingestellt oder unter anderen Markendächern zusammengeführt werden. Bei Kosmetik und Waschmitteln sind wir fast fertig damit, bei den Klebstoffen gibt es noch einiges zu tun. Wir haben uns ein klares Ziel gesetzt: Bis 2016 sollen die größten zehn Marken als Ergebnis die Hälfte des Umsatzes bringen - jetzt sind es 44 Prozent.

Wie viel sparen Sie dadurch ein?

Rorsted: Es geht nicht um Einsparungen, sondern um Fokussierung. Wir haben in den vergangenen Jahren unsere Werbeausgaben absolut weiter gesteigert. Durch die Reduktion der Marken, entfiel damit umso mehr Budget auf die einzelnen, starken Marken wie zum Beispiel Persil, Schwarzkopf oder Loctite.

Gibt es Unterschiede zwischen den Ländern? Welche Marke ist wo besonders gefragt?

Rorsted: In Osteuropa sind vor allem Colorationen gefragt, und zwar alle Farben. In China ist vor allem das Geschäft mit Industrie-Klebern sehr erfolgreich — kein Wunder für ein stark wachsendes Land, in dem auch die Automobil- und Elektronikindustrie boomen. Es gibt fast keinen Ingenieur, der nicht Loctite kennt. Und in dem reifen Markt Deutschland sind wir besonders stark mit unseren klassischen Marken Persil und Schwarzkopf.

Kommen wir zu persönlicheren Fragen. Stört es Sie, dass Ihnen für das Erreichen des neuen Vier-Jahres-Planes keine Sonderprämie versprochen wurde — beim alten Plan gab es immerhin 2,5 Millionen Extra für Sie.

Rorsted: Nein. Wir haben zwischen Anfang 2009 und Ende 2012 den Wert des Unternehmens fast verdreifacht. Und vor allem: Wir haben bewiesen, dass wir als Unternehmen auch ambitionierte Ziele erreichen können, selbst wenn man uns anfangs dafür belächelt hat. Als wir in 2008 die Ziele für 2012 ankündigten, waren sie aus damaliger Sicht sehr ambitioniert. Immerhin ging es um die Steigerung der operativen Gewinnmarge um 40 Prozent auf mindestens 14 Prozent des Umsatzes. Da wir das erreicht haben, war es auch gut und richtig, dass alle Mitarbeiter weltweit eine einmalige Sonderprämie erhalten haben.

Und jetzt ist der neue Plan Routine?

Rorsted: Nein, wir haben ja neue, wiederum sehr ambitionierte Ziele vor uns. Aber aufgrund der erfolgreichen Entwicklung in den letzten Jahren gibt es jetzt ein größeres Vertrauen, dass wir die neuen Ziele auch erreichen.

Mit Ihnen oder ohne Sie? Es gibt das Gerücht, Sie seien einer von mehren Kandidaten für die Nachfolge bei Linde?

Rorsted: Wir kommentieren grundsätzlich keine Spekulationen. Aber ich kann Ihnen sagen, dass ich sehr gerne bei Henkel bin. Wir haben gerade eine neue Strategie und Vier-Jahres-Ziele verkündet. Deren Umsetzung gilt jetzt meine ganze Aufmerksamkeit.

Die Henkel-Aktie ist um mehr als 250 Prozent seit Ihrem Amtsantritt als Chef gestiegen und erreichte kürzlich ein Allzeithoch. Insgesamt ist der Konzern nun knapp 30 Milliarden Euro wert. Was bedeutet das für Sie?

Rorsted: Das ist sehr erfreulich. Wir sollten uns darauf aber nicht ausruhen. Wir betrachten das eher als Vertrauensvorschuss und Verpflichtung, auch künftig exzellente Ergebnisse abzuliefern.

2016 läuft der Pool-Vertrag der Henkel-Familie aus. Droht dann der Ausverkauf?

Rorsted: Der Vertrag ist auf unbestimmte Zeit geschlossen, er kann lediglich erstmals mit Wirkung für 2016 gekündigt werden, das bedeutet, ein Aktienverkauf wäre dann unter bestimmten Bedingungen theoretisch möglich. Ich möchte darüber nicht spekulieren. Die Henkel-Familie steht zum Unternehmen. So hat sie mittlerweile über 53 Prozent der Stammaktien in diesem Aktienpool gebündelt — rund 1,5 Prozentpunkte mehr als vor einigen Jahren. Unsere Aufgabe als Management liegt darin, das Unternehmen so zu führen, dass wir langfristig erfolgreich sind. Das ist der beste Anreiz für alle Aktionäre, dem Unternehmen treu zu bleiben.

Wie passt es zum Bild des Familienkonzerns, dass Sie mehrfach betont haben, zu vielen Kollegen freundlich sein zu wollen, aber keine Freunde im Unternehmen haben wollen.

Rorsted: Der Satz lautet: "Be always friendly but not friend". Um als Vorstandsvorsitzender meiner Verantwortung für das Unternehmen gerecht zu werden, muss ich alle Mitarbeiter fair behandeln — unabhängig davon, ob ich jemand persönlich mag oder nicht. Wenn ich dagegen mit einzelnen Kollegen eine Freundschaft pflegen würde, wären andere benachteiligt.

Also keine Nähe in der Firma?

Rorsted: Doch natürlich. Nähe, Vertrauen und Offenheit sind doch die Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Deshalb spreche gerne mit Beschäftigten aller Hierarchiestufen über ihre Arbeit — regelmäßig auch bei gemeinsamen Mittagessen in der Kantine. Aber abends ein Bier zusammen trinken - das mache ich zum Beispiel mit unserem früheren Finanzvorstand Lothar Steinebach erst, seit er in den Ruhestand ging.

Gehört zur betonten Sachlichkeit auch, dass Ihre früher hochgelobte Marketingmanagerin Tina Müller nicht zu Beiersdorf wechseln darf, nachdem sie vor einem Jahr gekündigt hat?

Rorsted: Für alle Mitarbeiter bei Henkel gilt: Verträge müssen eingehalten werden. Aus guten Gründen haben wir ein Wettbewerbsverbot für unsere Top-Führungskräfte. Und wenn einer von ihnen zu einem direkten Wettbewerber gehen will, muss zunächst die vereinbarte Frist eingehalten werden, wie es der Vertrag vorsieht.

Nun liegt der Streit vor dem Arbeitsgericht und Sie sind zur nächsten Verhandlung geladen. Werden Sie vor Gericht aussagen?

Rorsted: Nein, diese Ladung ist eine juristische Formsache, da ja immer eine natürliche Person vom Gericht benannt werden muss, und nicht nur ein Unternehmen. Unsere Position wird vor Gericht durch unsere Juristen vertreten.

Ihre Familie zieht nach acht Jahren von Düsseldorf nach München. Gefällt es Ihnen hier nicht?

Rorsted: Düsseldorf ist und bleibt eine attraktive Stadt, in der ich mich wohl fühle. Doch alle meine vier Kinder sind in Bayern geboren. In München, wo ich viele Jahre bei Hewlett Packard und anderen Firmen gearbeitet habe, hat meine Familie die meisten Freunde. Bayern ist für uns zu einer Heimat geworden und irgendwann möchte ich dort auch den Ruhestand verbringen.

Was heißt das für Henkel?

Rorsted: Für meine Tätigkeit als Vorstandschef bei Henkel ändert das nichts. Ich werde weiter in Düsseldorf wohnen und genau so oft wie bisher in der Zentrale in Düsseldorf sein. Ich bin ohnehin 160 Tage im Jahr für den Konzern auf Reisen. Denn wir haben bei Henkel viel vor.

Sven Gösmann, Antje Höning und Reinhard Kowalewsky führten das Gepräch.

(RP/felt)
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