Paul-Otto Faßbender im Interview Die Arag will unabhängig bleiben

Der Chef der Düsseldorfer Versicherung über die Folgen der Gebührenanhebung bei Notaren sowie die wachsende Bedeutung des Online- und Auslandsgeschäftes. Ein Viertel des Neugeschäfts beim Rechtsschutz läuft bereits online.

 Arag-Chef Paul-Otto Faßbender.

Arag-Chef Paul-Otto Faßbender.

Foto: Federico Gambarini

Herr Faßbender, wissen Sie schon, wen Sie im kommenden Jahr gern als Ihren Nachfolger als Arag-Chef sehen würden?

Faßbender Damit dazu keine Zweifel aufkommen: Mir macht meine Aufgabe ungeheuer viel Freude. Was gibt es Schöneres, als in einem erfolgreichen Konzern unabhängig unternehmerisch gestalten zu können? Formal ist die Nachfolgefrage eine Sache des Aufsichtsrates. Die Zuständigkeit dieses Gremiums muss klar gewahrt bleiben. Darauf achte ich und darauf achten auch die Aufsichtsbehörden streng. Aber ich habe ein Vorschlagsrecht, und Sie können sicher sein, dass ich mir schon meine Gedanken gemacht habe. Die Arag wird zu keinem Zeitpunkt führungslos sein.

Welche Voraussetzungen muss der künftige Vorstandsvorsitzende denn erfüllen?

Faßbender Die große Herausforderung ist es, die Arag weiter zukunftsfähig zu machen. Wir sind ein Familienunternehmen, das eigenständig und unabhängig bleiben will. Dafür muss mein Nachfolger die Voraussetzungen schaffen. Ein solide wirtschaftendes und familiäres Unternehmen zu sein, beschert uns hohe Glaubwürdigkeit. Dazu haben wir den Konzern in den vergangenen Jahren gründlich verändert.

Aber so mancher in der Branche sagt, die Arag sei zu klein, um in den nächsten zehn Jahren allein überleben zu können.

Faßbender Den Satz höre ich seit Jahrzehnten und er zeigt eine ziemliche Unkenntnis des Geschäftes. Ob ein Versicherer am Markt bleibt, ist nicht nur eine Frage der Größe. Heute kommt es auch auf Schnelligkeit, Wissensmanagement und Motivation der Mitarbeiter an. Das lernen Sie nicht an der Business-Uni am grünen Tisch.

Wie soll denn die Arag in einigen Jahren aussehen?

Faßbender ich habe ein klares Ziel ausgegeben: Wir sind jetzt bei etwa 1,5 Milliarden Euro Beitragseinnahmen, 2020 wollen wir bei zwei Milliarden Euro stehen. Und im Rechtsschutzgeschäft wollen wir von 750 Millionen auf rund 1,1 Milliarden Euro wachsen. Das ist unser Anspruch. Für das vergangene Geschäftsjahr kann ich sagen: Wir kommen wohl besser raus als wir ursprünglich gedacht hatten. Was positiv ist: Die Erhöhung der Anwalts- und Notargebühren hat uns weniger geschadet, als wir zunächst angenommen hatten.

Wachstum geht aber vermutlich nur, wenn Sie auch zukaufen. Im Inland oder im Ausland?

Faßbender Wir sind klar darauf fokussiert, vor allem im Ausland zu wachsen . . .

. . . wo denn?

Faßbender Zum Beispiel setzen wir ganz aktuell auf Wachstum in Spanien. Dort haben wir soeben die Verträge zum Erwerb des direkten Rechtsschutzgeschäftes eines unserer Wettbewerber, der DEPSA, unterzeichnet. Die ARAG wird durch diesen Zukauf ihre Marktführerschaft in Spanien weiter ausbauen. Der Bestand umfasst 4,9 Millionen €. Das mag zunächst nicht viel erscheinen. Wir stärken aber damit das für uns auf dem spanischen Markt strategisch wichtige Maklergeschäft. Wir beschäftigten uns zudem mit Kanada. Und ich würde auch nicht ausschließen, dass wir irgendwann wieder in Länder zurückkehren, aus denen wir uns schon mal zurückgezogen haben — wie Ungarn und Tschechien. Wir machen derzeit 32 Prozent unseres Geschäfts im Ausland. Der Anteil wird weiter wachsen.

Kann man auf dem deutschen Markt nicht mehr wachsen?

Faßbender Zumindest der deutsche Rechtsschutzmarkt ist gesättigt. Da findet ein teurer Verdrängungswettbewerb statt. Teilweise gilt das auch für andere Versicherungssparten. Märkte, die unternehmerische Wachstumsphantasien zulassen, sehen wirklich anders aus. Durch ihren hohen Anteil im internationalen Geschäft besitzt die ARAG einen echten strategischen Vorteil, den wir entschlossen nutzen müssen.

Also ist ein Bündnis mit Roland Rechtsschutz, über das ja viel spekuliert wurde und über das ja auch schon verhandelt worden sein soll, kein Thema für Sie?

Faßbender Ich habe schon klar gesagt, dass die Eigentümer der Arag nicht bereit sind, Anteile abzugeben. An dieser Haltung hat sich nichts verändert. Versicherungsvorstände in Nordrhein-Westfalen treffen sich regelmäßig zu Gesprächen, aber da müssen ja nicht immer Fusionsgespräche zwischen den Beteiligten geführt werden.

Aber Sie könnten doch Roland übernehmen. Die Axa als Aktionär scheint bereit zu sein, ihren Anteil zu verkaufen.

Faßbender Ich kann mir vorstellen, dass es Aktionäre der Roland gibt, die dort mehr Gestaltungsspielräume suchen. Für unser Haus gilt aber: Außerhalb Deutschlands bekommt der ARAG Konzern mehr und besseres Geschäft für sein Geld.

Wie muss ein für Sie attraktiver ausländischer Markt aussehen?

Faßbender Erstens muss die Rechtskultur passen — das heißt, wir können unser System nicht einfach auf andere Länder überstülpen, sondern müssen länderspezifische Modelle entwickeln. Zweitens brauchen wir Vertriebskraft — ob nun über eine eigene Gesellschaft oder eine Partnerschaft mit einem Einheimischen — und wir gehen nur in Länder, die politisch stabil sind.

Zurück zur Arag der Zukunft. Wo sind die großen Trends?

Faßbender Unser Geschäft kann sich dem Trend zur Digitalisierung nicht entziehen. Wir müssen ständig auf dem neuesten Stand der Technik sein. Schauen Sie sich Amerika an — da will der Kunde eine Entscheidung und Lösung für sein Problem binnen 24 Stunden. Das setzen wir auch in Deutschland zunehmend um. Der Kunde soll mit uns in Kontakt treten können, wann immer und wie immer er es wünscht. Viele Kunden informieren sich beispielsweise online, schließen dann aber offline ab. Online- und Offlinewelten verschmelzen zunehmend. Darauf müssen wir uns vorbereiten.

Und wie viele Policen verkaufen Sie denn heute schon übers Internet?

Faßbender Nehmen Sie den Rechtsschutz als Beispiel. Da läuft in Deutschland schon ein Viertel des Neugeschäftes online.

Braucht man in solchen Zeiten eigentlich auf Dauer noch eine eigene Versicherungsmarke?

Faßbender In jedem Fall! Die Marke Arag ist fast 80 Jahre eingeführt, und sie wird immer noch von vielen als Synonym für eine Rechtsschutz-Versicherung verstanden. Als reine Produktmarke wollen wir uns aber nicht weiterentwickeln. Vielmehr wollen wir als Qualitätsversicherer in Familienbesitz zu einer Kundenmarke werden. Daher wären wir sehr schlecht beraten, diese attraktive Marke aufzugeben. Das gilt insbesondere im Privatkundengeschäft und im Geschäft mit dem Mittelstand Dort liegen unsere Schwerpunkte.

Michael Bröcker und Georg Winters führten das Gespräch

(jco)
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