Projekt Zugmonitor Die Bahn im Pünktlichkeits-Check

Düsseldorf · Im vergangenen halben Jahr waren zwölf Prozent aller Züge in NRW verspätet, die Abweichung vom Fahrplan lag durchschnittlich bei 13 Minuten. Besonders problematisch sind die ICE-Strecke nach Frankfurt und die Wupper-Schiene. Dies ergibt sich aus den Daten eines neuen "Zugmonitors".

Verspätungen und Störungen - was die Deutsche Bahn aufhält
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Foto: H. Jazyk

Wie auf einer Modellbahn-Anlage lassen sich seit dem Wochenende auf einer interaktiven Internet-Seite sämtliche Fernzüge der Deutschen Bahn (DB) in Echtzeit verfolgen. Das Projekt Zugmonitor der "Süddeutschen Zeitung" verwendet dabei die offiziellen Daten der DB, die das Unternehmen im Internet unter "Ist mein Zug pünktlich?" veröffentlicht.

Der besondere Pfiff der Deutschlandkarte, auf der sich durch Pfeile symbolisierte Züge zwischen Hamburg, Basel und München bewegen, ist zum einen der Gesamtüberblick, zum anderen aber auch der Blick zurück. In der Datenbank des Zugmonitors sind sämtliche Fernzugfahrten seit dem 1. Oktober vergangenen Jahres gespeichert, so dass sich jeder dieser Tage komplett rekonstruieren lässt.

Was auf den ersten Blick wie eine nette Spielerei wirkt, lässt Rückschlüsse auf die Ursache von Verspätungen zu und kann dabei helfen, diese abzubauen. Auch die Auswirkungen winterlicher Temperaturen auf die Pünktlichkeit (deutlich ablesbar) und die Zuverlässigkeit im Tagesverlauf (ab 9 Uhr fahren weniger als 90 Prozent der Züge pünktlich) werden sichtbar.

Die Bahn nennt die neue Internetseite respektabel und betont, dass das Projekt erst durch die im vergangenen Herbst gestartete regelmäßige Veröffentlichung ihrer eigenen Pünktlichkeitsdaten möglich geworden sei. Auf die Frage, warum das Unternehmen nicht selbst eine solche Gesamtübersicht bietet, sagte der Sprecher, der Bahn gehe es vorrangig darum, den einzelnen Kunden in seiner individuellen Reiseplanung zu unterstützen.

Der gelernte Verkehrsplaner Lothar Ebbers vom Fahrgastverband Pro Bahn zieht aus dem halben Jahr minuziös dokumentierte Verspätungs-Historie einen klaren Schluss: "Das Netz ist die Achillesferse." Hinter den Verspätungsgründen, die auf Platz eins und fünf rangieren (Verspätung eines vorausfahrenden Zuges, Verzögerungen im Betriebsablauf), verbergen sich seiner Ansicht nach Mängel in der Infrastruktur. Und die sei unter Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn vernachlässigt worden.

Für Nordrhein-Westfalen kann er dies mit Beispielen belegen. Weil zwischen Hannover und Minden separate Gleise für den Güterverkehr fehlen, liegen die Züge Richtung Berlin im oberen Viertel der Verspätungsstatistik. Die sogenannte Wupperschiene Hamm-Wuppertal-Solingen-Köln leidet unter demselben Problem. Auf diesem Weg fahrende Züge Richtung Münster/Hamburg müssen zudem das Nadelöhr Münster—Lünen passieren; hier liegt nach wie vor nur ein Gleis. Jede Störung führt hier zu zeitraubenden Umleitungen.

Ebbers schlussfolgert: "Jeder Zug kann nur so gut sein wie die kritischste Stelle auf seinem Laufweg." Er vermisst deshalb im Zugmonitor eine auf einzelne Linien bezogene Auswertung. Denn nur wer weiß, dass aus Basel oder München kommende ICE durch das vorgeschriebene Rendezvous in Mannheim häufig eine Verspätung Richtung Norden mit sich schleppen, kann Folgendes verstehen: Auf der 300 km/h-Neubaustrecke Frankfurt — Köln liegt im Abschnitt Frankfurt — Siegburg/Bonn die Verspätungsquote bei 20 Prozent, im anschließenden Abschnitt Siegburg/Bonn — Köln, auf dem auch andere ICE-Linien verkehren, hingegen bei nur 13 Prozent.

Aktuell bescheinigen die Macher des Zugmonitors der Bahn eine "geradezu sensationelle" Pünktlichkeit. Nach DB-Angaben waren im Januar 86,4 Prozent aller Fernzüge pünktlich oder maximal fünf Minuten zu spät. Ebbers, die Monitor-Experten und die Bahn weisen allerdings darauf hin, dass mit Beginn der warmen Jahreszeit wieder vermehrt Baustellen eingerichtet werden, was die Pünktlichkeit sinken lässt. Auch der Güterverkehr wird zunehmen.

Eine uneingeschränkt positive Nachricht ist die Ankündigung der Bahn, dass Fahrgäste künftig ihren Wunschsitzplatz in Fernzügen bald im Voraus exakt online buchen können. Bislang bestehen nur grobe Wahlmöglichkeiten, etwa zwischen Großraum oder Abteil, "Gang" oder "Fenster". Wegen der Fahrtrichtungswechsel in Kopfbahnhöfen lässt sich allerdings kein Platz "in Fahrtrichtung" buchen.

Der Zugmonitor ist abrufbar unter http://zugmonitor.sueddeutsche.de

(RP/rm)
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