ICEs nach London und Marseille geplant Die Deutsche Bahn macht mobil

Düsseldorf (RPO). Die Deutsche Bahn will ihre Fernverkehrsverbindungen deutlich ausbauen und setzt dabei auf ambitionierte Projekte: Am Dienstag hat ein ICE erstmals den Eurotunnel durchquert. Künftig soll eine Hochgeschwindigkeitsverbindung von Köln nach London führen. Die Franzosen sind davon überhaupt nicht begeistert.

Das ist Rüdiger Grube
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Foto: AP

In der vergangenen Nacht fand in aller Stille eine Weltpremiere statt: Ein ICE der Deutschen Bahn hat erstmals den Tunnel unter dem Ärmelkanal durchquert. Bis Ende 2013 soll der deutsche Vorzeige-Hochgeschwindig-keitszug regelmäßig von Köln in die britische Hauptstadt fahren. Die Entfernung beträgt rund 500 Kilometer Luftlinie und dürfte auch auf der Schiene in einer überschaubaren Zeit zu bewältigen sein. Eine echte Alternative zum Flugzeug also, denn Billigflieger steuern nur die Flughäfen vor den Toren Londons an. Für 2015 wird mit einem Aufkommen von zwei Millionen Passagieren gerechnet.

Am Dienstagnachmittag setzte die Bahn, die in den vergangenen Tagen im Tunnel einige Testfahrten durchgeführt hat, den Erfolg zünftig in Szene. Im Londoner Bahnhof St. Pancras sagte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), die geplante Verbindung in London sei "ein gewaltiger Fortschritt für den europäischen Zugverkehr". Profitieren würden davon Geschäftsreisende genauso wie Touristen. Grube betonte, das geplante Angebot werde "die bessere Alternative zum Flieger". Bislang gebe es rund 50 Flüge täglich aus der Region um Frankfurt und dem Rheinland nach London. "Das ist ein großer Kuchen, der bisher für die Eisenbahn unerreichbar war."

Frankreich nicht begeistert

Während auf der Insel die Champagnerkorken knallen, werden in Pariser Hosentaschen die Fäuste geballt. Eurostar, eine 55-prozentige Tochter der französischen Staatsbahn SNCF, hat bisher das Monopol auf den Transport von Passagieren durch den Eurotunnel. Das wollen sich die Franzosen, die ihrer Industrie häufiger politische Unterstützung zukommen lassen, nur ungern nehmen lassen.

Doch die Betreibergesellschaft Eurotunnel, die für die Strecke und die Sicherheit zuständig ist, hatte kürzlich eine Lockerung der Auflagen angekündigt, um auch andere Anbieter zulassen zu können. Laut der bisherigen Vorschriften dürfen bislang nur Züge mit 400 Meter Länge unter dem Ärmelkanal durchfahren. Diese müssen zudem von Anfang bis Ende zu durchlaufen sein. Die Bahn will für die London-Fahrten aber ihre jüngste ICE-Generation einsetzen. Dabei handelt es sich um zwei aneinandergekoppelte Züge mit je 200 Meter Länge.

Druck aus Paris

Die Entscheidung über die Zulassung der ICE-Züge liegt nun bei einer britisch-französischen Sicherheitskommission für den Eurotunnel. Das wegen der letzten Entscheidungen in Paris unbeliebte Gremium ist die letzte Chance, möglichen Wettbewerb zu verhindern. Frankreichs Verkehrsminister Dominique Bussereau machte zuletzt keinen Hehl daraus, dass deutsche Konkurrenz unerwünscht ist.

Eine weitere Entscheidung brachte französische Industrie- und Verkehrspolitiker kürzlich auf die Palme: Eurotunnel bestellte zehn ICE-3-Züge im Wert von 600 Millionen Euro bei Siemens. Der französische Rivale Alstom, der auch den TGV produziert, hatte das Nachsehen. Auch hier wird möglicherweise ein Monopol gebrochen: Bislang fahren nur die französischen Züge durch den Tunnel, eine nennenswerte britische Eisenbahnindustrie gibt es nicht mehr.

Das trieb Bussereau, der um Prestige und Arbeitsplätze fürchtet, zur Weißglut: Er bezeichnete die Bestellung der Siemens-Züge als "null und nichtig". Ein Vertrag mit dem deutschen Konzern könne erst unterschrieben werden, wenn die Sicherheit garantiert werden könne. Eine Prüfung werde ungefähr zwei Jahre dauern. Alstom-Vorstandschef Patrick Kron machte ebenfalls Sicherheitsbedenken geltend.

Schnellzug nach Marseille kommt

Es geht aber nicht nur um wirtschaftliche Interessen. Die Franzosen fühlen sich offensichtlich in ihrem Stolz angegriffen. Das britisch-französische Mammut-Projekt, das 1994 nach sieben Jahren Bauzeit abgeschlossen wurde, soll auch eine britisch-französische Angelegenheit bleiben. Dass die Bahn nur in London und nicht auch in Paris eine Präsentation durchführen kann, zeigt, wie tief der Stachel im Gefieder des gallischen Hahns sitzt.

Reibereien zwischen Bahn und der SNCF sind an sich keine Neuigkeit. Dass es auch anders gehen kann, zeigt die Bahnverbindung von Frankfurt am Main nach Marseille. In rund sechs Stunden können deutsche Touristen künftig an die Côte d'Azur reisen oder schon vorher in Lyon, in Sichtweite der Alpen aussteigen. Die Strecke wird im Rahmen einer Kooperation sowohl von der Bahn und der SNCF mehrmals täglich bedient werden. Im Dezember 2011 soll es losgehen.

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