Verwaltungsmitarbeiter sollen in Briefzentren Die Deutsche Post will Tagelöhner einsparen

Düsseldorf · Um Geld zu sparen, will der Konzern künftig Verwaltungsmitarbeiter stundenweise in den Briefzentren einsetzen. Darunter leiden ausgerechnet Aushilfskräfte, die nur tageweise arbeiten, aber während des Streiks gebraucht wurden.

Wenn Torsten Gerster morgens aufwacht, weiß er nicht, ob er am nächsten Tag noch einen Job hat. Sein Arbeitgeber ist die Deutsche Post. Sie schreibt Milliardengewinne, doch dafür braucht sie Menschen wie Gerster. Seit Jahren erhält er von dem Dax-Konzern nur tageweise einen Arbeitsvertrag. Wenn die Post ihn nicht braucht, wird er nicht angerufen — ob er am Ende genug verdient, um seine Familie zu versorgen, spielt keine Rolle.

Bislang hat Gerster das Spiel mitgespielt, immer in der Hoffnung, irgendwann doch noch einen festen Vertrag zu bekommen. Schließlich, sagt er, habe er immer alles für das Unternehmen gegeben, gerade während des bis Juli andauernden Streiks, wo er und die anderen Abrufkräfte im Briefzentrum Düsseldorf/Langenfeld wochenlang sechs Tage am Stück arbeiteten, um den Betrieb am Laufen zu halten. "Ohne uns Abrufkräfte wäre alles zusammengebrochen", sagt Gerster, der eigentlich anders heißt, aber aus Angst vor den Konsequenzen seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte: "Wenn wir uns wehren, ruft man uns nicht mehr an."

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Doch nun reichte es Gerster. Denn die Post will Geld sparen. Der Streik habe 100 Millionen Euro gekostet, teilte der Konzern Anfang August mit. Weil die Gewinne langfristig dennoch steigen sollen, plant das Unternehmen aktuell verschiedene Sparmaßnahmen. Eine sieht vor, deutschlandweit Mitarbeiter aus der Verwaltung stundenweise in den Außenstellen einzusetzen. Dies hatte die Post bereits während des Streiks gemacht, um die Folgen abzumildern. Tagelöhner wie Torsten Gerster würden dadurch nicht mehr gebraucht. Allein im Briefzentrum Düsseldorf/Langenfeld solle ihre Zahl in den kommenden Wochen von rund 60 auf 20 am Tag reduziert werden, sagt Gerster. Betroffen seien die Früh- und die Spätschicht.

Praktisch dabei: Weil die Arbeitsverträge der Abrufkräfte immer nur tageweise gelten, braucht das Unternehmen noch nicht mal Kündigungen auszusprechen. "Wir sind stinksauer", sagt eine Abrufkraft, die ebenfalls aus Angst vor den Konsequenzen anonym bleiben möchte: "Während des Streiks haben wir den Laden am Laufen gehalten und werden jetzt bestraft."

Verdi und Betriebsrat kritisieren das Vorgehen

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Dem Betriebsrat und der Gewerkschaft Verdi sind die Pläne bekannt. Auch sie kritisieren das Vorgehen der Post. Verwaltungsmitarbeiter dürfen zum Sortieren von Briefen und zu ähnlichen Tätigkeiten zwar mir eingesetzt werden, wenn sie dies freiwillig tun. Aber: "Es ist doch klar, dass da auch sanfter Druck ausgeübt wird", sagt ein Verdi-Sprecher: "Wenn vermeintliche Notlagen auftreten, fühlen sich die Mitarbeiter moralisch verpflichtet, zu helfen - da werden sich nicht viele trauen, abzulehnen."

Die Post sieht das Ganze weniger dramatisch. "Es ist bei der Deutschen Post DHL gute Tradition, dass Kräfte aus der Verwaltung im betrieblichen Alltag mitarbeiten", sagte ein Sprecher. So könnten sie wertvolle Erfahren für ihre "normale" Tätigkeit gewinnen. Der Einsatz erfolge laufend, nicht nur während des Streiks oder vor Weihnachten, wo traditionell mehr Arbeit in den Verteilzentren anfällt. Zu den aktuellen Entwicklungen will der Sprecher nichts sagen. Man äußere sich grundsätzlich nicht im Detail zu innerbetrieblichen Abläufen, heißt es.

Auch den Einsatz von Abrufkräften verteidigt das Unternehmen. Man beschäftige in Deutschland rund 180.000 Mitarbeiter zu den besten Arbeitsbedingungen in der Branche. Weniger als ein Prozent seien davon Abrufkräfte. Sie dienten dem Einsatz bei unvorhergesehenen Verkehrsspitzen und kurzfristigen Personalausfällen.

"Wenn ich etwas anderes finden würde, wäre ich sofort weg"

Abrufkräfte aus dem Briefzentrum Düsseldorf/Langenfeld schildern die Realität anders. Zwar verdiene man mehr als zehn Euro pro Stunde, doch netto bliebe davon wenig übrig. Eingesetzt würden die Arbeiter aber mitnichten als Aushilfe. Sie seien in jeder Schicht fest eingeplant. "Wir machen hier eigentlich alle Arbeiten, die Beamte und Vollzeitkräfte auch machen", sagt Torsten Gerster. Nur dass diese deutlich mehr Gehalt bekämen.

Das Problem sei, dass es für Leute wie sie, die sich entweder als Rentner etwas dazuverdienen müssten oder keinen Schul- bzw. Berufsabschluss hätten, kaum gute Alternativen gebe. "Wenn ich etwas anderes finden würde, wäre ich sofort weg", sagt Gerster: "Aber ich habe keine Lust, vom Arbeitsamt zu leben." Doch das ist aktuell die Perspektive. Denn ob und wann Torsten Gerster nächste Woche noch einen Job hat, wird er erst kurzfristig erfahren.

(frin)
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