Streik am Wochenende Die Lokführer verspielen den letzten Rückhalt

Zu Beginn der Streiks gab es in Umfragen noch Sympathien für die Forderungen der Lokführer. Doch mit dem Mega-Streik am Ferienwochenende sind sie auf dem besten Wege, auch noch den letzten Rückhalt in Bevölkerung und öffentlicher Meinung zu verstreiken. Davor warnt auch der Fahrgastverband Pro Bahn.

Reaktionen zum Bahn-Streik am Wochenende: "Jetzt gehen die Lokführer zu weit"
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Foto: dpa

Der Fahrgastverband "Pro Bahn" kritisiert den Streik der in der GDL organisierten Lokführer als überzogen. Durch den Zeitpunkt am Wochenende sei ein hoher Anteil von Familien betroffen, die nicht umdisponieren könnten, sagte Bundessprecher Gerd Aschoff unserer Redaktion. Von den Lokomotivführer verlangt er, ohne Vorbedingungen in Gespräche mit der Bahn zu gehen und ihr Verhältnis zur konkurrierenden Gewerkschaft EVG zu klären.

Lokführerstreik sorgt für Zugausfälle und Behinderungen
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Mit jedem Streik wächst die Kritik

Bemerkenswerter ist es aber noch, was der Fahrgastverband zu den Auswirkungen des Streiks anführt: So warnt Aschoff die Gewerkschafter vor den Effekten auf die öffentliche Meinung. Zu Beginn der Streiks habe die GDL in Umfragen noch gewissen Sympathien in der Bevölkerung gehabt. Nun riskiere die Gewerkschaft, diesen Rückhalt zu verspielen. Bei einer ARD-Umfrage Anfang Oktober hatten 54 Prozent der Deutschen Verständnis für den Streik der Lokführer aufbringen können.

Ob die Lokführer aber auch weiterhin auf Verständnis bauen können, erscheint derzeit höchst fraglich. Im Gegenteil: Vieles spricht dafür, dass das Stimmungsbild im Laufe der vergangenen Tage gekippt ist. Mit jedem Streik hatte die Kritik an der GDL zugenommen. Dass die Gewerkschaft nun noch weniger Rücksicht auf die Interessen ihrer Fahrgäste nimmt, dürfte diesen Trend noch verstärken. Das Meinungsbild unserer Leser ist eindeutig: weit über 80 Prozent signalisierten in unserem aktuellen Vote Unverständnis für die Haltung der Lokführer.

Selbst die SPD geht auf die Lokführer los

Schon die meisten Reaktionen nach den ersten Streiks in dieser Woche fielen verärgert aus. Selbst die sonst doch traditionell gewerkschatsfreundliche SPD zählt inzwischen zu den Kritikern. Generalsekretärin Yasmin Fahimi bezeichnete den Ausstand als unsolidarisch. Viele Kommentatoren in den Medien warfen GDL-Chef Claus Weselsky vor, auf dem Rücken der Bahnkunden Machtspiele gegen die konkurrierende EVG zu betreiben. "Weselsky hat sich verrannt", schrieb die Westfalenpost, der Tagesspiegel schimpfte über einen Missbrauch des Streikrechts, "Weselsky schadet den eigenen Leuten", urteilte unser Kollege Maximilian Plück.

Auch bei Twitter und anderen sozialen Netzwerken türmten sich die verärgerten Mitteilungen. "Sie trifft jetzt Studenten, Wochenendpendler und Urlaubsrückkehrer. Das ist für mich das letzte...", empörte sich ein Nutzer auf unserer Facebook-Seite.

So langsam verspielen sich die Lokführer unnötigerweise die Sympathie der Bevölkerung (und meine). #bahnstreik

#Bahnstreik am Ende sind wir wieder die dummen.... Reise am Wochenende... Fehlanzeige

Freilich taktiert auch die Bahn. Dass sie nicht akzeptieren will, dass die GDL auch für anderes Zugpersonal verhandelt, hat nicht nur damit zu tun, dass sie die streikfreudigen Lokführer im Zaum halten will. Sondern offensichtlich auch mit den Plänen der Bundesregierung, die Tarifeinheit neu zu regeln und den Einfluss kleinerer Spartengewerkschaften kleinzuhalten. Sich vorher mit den Forderungen der GDL anzufreunden, fällt dem Unternehmen erkennbar schwer. Die GDL sieht sich hingegen in ihrer Existenz bedroht. Wer aber mit dem Rücken zur Wand steht, von dem kann man kein kompromissfreudiges Verhalten erwarten.

In einer Notlage befinden sich aber nun zunächst einmal die Bahnkunden, die nicht wissen, wie sie am Wochenende nach Hause kommen. Das Wichtigste aus Sicht der Bahnkunden ist aus Sicht von Pro Bahn daher erst einmal ein Ersatzfahrplan. Das habe beim Streik am vergangenen Mittwoch gut funktioniert.

Die Bahn teilte gegen Mittag mit, Ersatzfahrpläne für die beiden Streiktage am Samstag und Sonntag seien in Arbeit. Die Details würden noch ausgearbeitet und sollten im Laufe des Tages veröffentlicht werden. Online könnten Kunden zum Teil bereits sehen, ob ihre Zugverbindung ausfällt oder nicht. Von 13.00 Uhr an werde wieder die kostenfreie Service-Telefonnummer 08000 996633 geschaltet. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hatte ihre Mitglieder für den Regional- und Fernverkehr zu einem Streik von Samstag, 2.00 Uhr, bis Montag, 4.00 Uhr, aufgerufen.

In der Sackgasse

Schon am jüngsten Streiktag am Mittwoch hatte Aschoff scharfe Kritik an der GDL geübt. Die Lokführergewerkschaft agiere zunehmend "auf dem Rücken der Fahrgäste", es sei erschreckend, wie verhandlungsunwillig die GDL sei. "Der Lokführergewerkschaft liegen zahlreiche Angebote der Bahn vor, auf die sie aber nicht eingeht", so Aschoff. "Dabei weiß jeder, dass der Konflikt nur lösbar ist, indem verhandelt wird."

Doch von Verhandlungen ist der Konflikt weiter entfernt denn je. Das signalisiert allein die Schärfe der gewählten Worte. Die Bahn hat der GDL am Freitag vorgeworfen, sie laufe Amok, gegenseitig wirft man sich Lüge und Vertrauensbruch vor. Wie unter diesen Umständen ein Aufeinanderzugehen möglich sein soll, weiß im Moment keiner.

Im Fern-, Regional- sowie S-Bahnverkehr sollen die Züge ab 2 Uhr am frühen Samstagmorgen stehen. Im Güterverkehr soll der Ausstand bereits am Freitagnachmittag um 15 Uhr beginnen. Das Ende der Streiks ist für Montagmorgen um 4 Uhr geplant. In sieben Bundesländern beginnen am Wochenende die Herbstferien, in NRW enden sie. Auch Tausende Fußballfans müssen ihre Reisepläne anpassen.

(pst)
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