Claudia Nemat Die Netz-Werkerin

Bonn/Düsseldorf · 2011 waren acht Frauen Vorstand von Dax-Konzernen, davon sind noch drei im Amt - darunter Claudia Nemat bei der Telekom. Die Düsseldorferin weiß, was sie will, sie liebt Digitales - und setzt privat wie beruflich auf ein gutes Netzwerk.

 Claudia Nemat ist die erste Frau im Vorstand der Deutschen Telekom.

Claudia Nemat ist die erste Frau im Vorstand der Deutschen Telekom.

Foto: Telekom

Was fällt auf an Claudia Nemat? Die 47-jährige strahlt fast immer - das ist praktisch ihr Markenzeichen. Sie motiviert ihre Mannschaft - zu einem Treffen in ihrem Bonner Büro lädt sie einen ihrer jungen Assistenten einfach mit ein, er soll erfahren, was die Öffentlichkeit so interessiert. Und Nemat hat einen exzellenten Ruf. "Sie erledigt ihre Arbeit extrem schnell und ist kooperativ", lobt ein führender Telekom-Manager. "Sie ist eine exzellente Netzwerkerin", heißt es bei ihrem früheren Arbeitgeber McKinsey, der weltweit führenden Unternehmensberatung, "sie führt verschiedene Interessen zusammen und gibt doch klar die Linie vor."

Die Karriere von Frau Nemat zeigt, wie erfolgreich Frauen in Deutschlands Chefetagen sein können: Als sie 2011 in den Vorstand der Telekom einzog, übernahm sie die Verantwortung für das riesige Europa-Geschäft mit zwölf Tochterunternehmen von Polen über Kroatien bis nach Griechenland sowie für das sehr wichtige Technikressort.

Zwei Kinder in der Schule

Schlecht kann es die in Düsseldorf lebende Mutter zweier Schulkinder nicht gemacht haben: Der Vertrag wurde vorzeitig ab Herbst für weitere fünf Jahre verlängert. Das ist umso bemerkenswerter, weil sich Frauen in diesen Positionen oft nicht halten: Von den acht weiblichen Dax-Vorständen im Herbst 2011 warfen inklusive Regine Stachelhaus von Eon und Barbara Kux von Siemens fünf wieder hin.

Doch während Frauen sich in den meisten Vorständen um Themen abseits des Kerngeschäfts kümmern (Personal und Recht), drängt Nemat ins zentrale Geschehen. "Ich führe gerne", bekennt sie. Als eines der zentralen Themen des Konzerns werden unter ihrer Leitung für zig Milliarden Euro alle Netze in Europa auf Internettechnik umgestellt."Das war meine Vision, dafür habe ich gekämpft, nun setzen wir sie bis 2020 um", betont die Physikerin, die in Bensberg als Tochter eines früheren Siemens-Managers aufwuchs.

Dabei baut ihre Durchsetzungskraft auch auf bestem Netzwerken auf: Als sie vor vier Jahren zur Telekom kam, hatte sie den Konzern schon jahrelang bei strategischen Themen beraten und große Projekte intern geleitet - sie kannte also alle wichtigen Personen.

Der Job ist nicht alles

Dabei ist der Job keineswegs alles. Die begeisterte Tänzerin hat einen breiten Freundeskreis. Sie bringt die Kinder häufig abends selbst ins Bett - später kann sie dann im großen Arbeitszimmer noch einige Papiere durchlesen. Sie genießt es, mit den Kindern auch einmal auf die Kirmes zu gehen. Und viele Gespräche erledigt sie von zu Hause aus: "Präsenz ist wichtig, aber ich nutze möglichst oft Videokonferenzen. Auch in meinem Arbeitszimmer steht eine Anlage für virtuelle Besprechungen."

Frauenförderung ist ihr nicht nur in eigener Sache bedeutsam. Noch bei McKinsey hatte sie in einer Studie bewiesen, dass Unternehmen höhere Gewinne haben, wenn an der Spitze das weibliche Geschlecht stark vertreten ist - ihrer Karriere hat das sicher nicht geschadet.

Jetzt mischt sie in ihren Teams gezielt Geschlechter, Altersgruppen und die Nationalitäten, damit es mehr Gedankenaustausch gibt. Und um selbst ausreichend Zeit für den Job zu haben, helfen Mutter und Schwiegermutter bei der Betreuung der Kinder - auch wegen dieser Unterstützung kam ein Umzug nach Bonn nie in Frage. Nemat: "Die Kunst besteht für berufstätige Väter wie Mütter darin, Familie und Job unter einen Hut zu bringen. Zum Glück habe ich eine tolle Familie mit Mutter, Schwiegermutter, Schwager und Schwester in der Nähe", sagt sie zu ihrem Familien-Netzwerk.

Als Technikfan bereitet sie weitere Offensiven vor: Die Telekom will eines der ersten Unternehmen der Welt sein, das ab 2020 ein Mobilfunkfunknetz der fünften Generation (5G) aufbauen wird. "Dann werden über unser Netz Milliarden Gegenstände verknüpft, und Dienste können in Echtzeit kommunizieren", freut sie sich. Sie sieht die neue Technik auch als mögliche Jobmaschine für Deutschland und NRW.

Realer Nutzen

Konkret geht es ihr aber nie nur um abstrakte Technik, sondern um realen Nutzen. Mit ihrem Ehemann, einem aus dem Iran stammenden Chefarzt an einer Düsseldorfer Klinik, diskutiert sie oft darüber, wie moderne Technik dazu beitragen kann, ältereren und kranken Bürgern zu helfen: "Nehmen Sie Sensoren im Gesundheitswesen. Sie können Notrufe auslösen, wenn Menschen einen Herzanfall haben oder stürzen. Sie können wichtige Körperdaten wie den Blutzuckerspiegel an den Arzt übertragen. Und irgendwann werden Blinde auch dank Mobilfunktechnik joggen können. Informationen in Echtzeit könnten sie vor Hindernissen warnen."

Ihr zweites Lieblingsthema: Die Telekom soll sich zum Lifestyle-Unternehmen verwandeln: "Wir wollen als Telefonkonzern deutlich mehr mit Mode- und auch Sportartikelherstellern kooperieren, damit wir vom Trend hin zu intelligenter Kleidung profitieren. Darum schreiben wir einen internationalen Wettbewerb aus. Dessen Gewinner werden wir mit Wissen versorgen, wie sie High-Tech und Kleidung miteinander verknüpfen können. Renommierte Partner unterstützen uns dabei." Im Januar 2017 sollen die Modeideen dann auf der Modemesse Fashion Week in Berlin präsentiert werden.

Intelligente Kleidung im Shop?

Die Kunden sollen den Wandel zum "digitalen Lifestyle-Konzern" merken. Nemat: "Ich kann mir gut vorstellen, dass es in den T-Shops künftig auch eine Ecke für intelligente Kleidung gibt. Das können Jacken sein, die im Winter auf eine bessere Wärmedämmung umschalten. Es werden intelligente Uhren sein, es wird Sportkleidung sein."

Man kann es auch anders sagen: Die Netzwerkerin will nun auch die Kleidung vernetzen.

(RP)
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