Interview mit Wolfgang Bernhard "Die Riesen-Lkw werden kommen"

Düsseldorf · Wolfgang Bernhard (53), Konzernvorstand Lkw und Busse der Daimler AG, spricht im Interview mit unserer Redaktion über Gigaliner, den Logistik-Standort NRW und die Vorlieben der deutschen Trucker.

Das müssen sie über Gigaliner wissen
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Foto: dapd

Sie sind seit einem Jahr Chef des weltgrößten Lkw-Bauers. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz aus?

Bernhard Die Bilanz ist positiv. Ich war im letzten Jahr viel unterwegs, um Kunden, Produkte und Mitarbeiter überall auf der Welt kennenzulernen. Wir haben für 2013 gehalten, was wir versprochen haben: Ein Absatzwachstum bis zum Jahresende, eine kontinuierliche Ergebnissteigerung von Quartal zu Quartal und ein Jahresergebnis in der Größenordnung des Vorjahres. Für 2014 haben wir uns deutliche Steigerungen bei Absatz, Umsatz und Ergebnis vorgenommen.

Zuvor waren Sie für die Mercedes-Produktion verantwortlich. Was unterscheidet einen Pkw-Manager von einem Lkw-Manager?

Bernhard Es gibt große Unterschiede. Bei den Pkw führen wir gerade weltweit die C-Klasse von Mercedes-Benz ein. Ein solches Auto ist überall auf der Welt weitgehend gleich. Bei Lkw gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Märkten. Es gibt deshalb keinen Welt-Truck, den man überall verkaufen kann.

Sind Autos nicht viel emotionaler?

Bernhard Ja und nein. Pkw werden vor allem unter emotionalen Gesichtspunkten gekauft. Der Kunde fragt sich, was eine Marke über ihn aussagt und wie sie auf seine Nachbarn oder Freunde wirkt. Im Pkw-Geschäft braucht das Management daher auch ein Gefühl für den Zeitgeist. Lkw-Kunden sind viel rationaler. Ein Lkw ist kein Konsumgut wie ein Auto. Ein Lkw ist ein Investitionsgut, mit dem unsere Kunden einen Gewinn erwirtschaften wollen. Da werden die Gesamtbetriebskosten sehr genau gegen die Leistungen des Fahrzeuges gestellt. Das macht den Lkw-Markt berechenbarer.

Wollen deutsche Trucker andere Lkw haben als die Trucker in Amerika und in Asien?

Bernhard Unbedingt. Die Amerikaner legen noch größere Distanzen zurück. In der Kabine ist deshalb der Komfort noch wichtiger. Die Innenmaße sind größer, die Klimaanlage und der Kühlschrank auch. In Japan sind viele Straßen sehr schmal und der Verkehr unübersichtlicher. Deshalb müssen Lkw für den japanischen Markt einen kleinen Wendekreis haben. Außerdem bestehen die Japaner auf drei Scheibenwischern. Japanische Lkw haben auch zusätzliche Sichtfenster im unteren Bereich der Türen, damit die Fahrer in engen Straßen mehr sehen.

Warum haben US-Trucks eine lange Schnauze vor der Fahrerkabine und deutsche nie?

Bernhard Das liegt an den gesetzlichen Vorgaben. In den USA ist nur die Länge des Anhängers begrenzt, nicht die der Zugmaschine. In Deutschland hingegen ist die Gesamtlänge des Gespanns auf 18,75 Meter limitiert, weshalb die Zugmaschine zugunsten des Aufliegers möglichst kurz sein muss. Deshalb haben die Amerikaner den Motor vor, die Deutschen unter der Fahrerkabine.

Die deutschen Speditionen klagen über Fahrer-Mangel...

Bernhard . . . unser Beitrag gegen diese Entwicklung ist ein attraktiver Arbeitsplatz. Unsere Lkw-Kabinen sind Drei-Zimmer-Wohnungen. Ein Arbeitszimmer, in dem alle Bedienelemente bequem erreichbar sind, und ein rückenschonender Sitz, auf dem der Fahrer alle nötigen Informationen stressfrei bekommt. Ein Wohnbereich, der durch einen ebenen Fahrerhausboden erreicht wird und Lounge-Charakter hat. Und ein Schlafzimmer mit einer guten Matratze sowie angenehmer Belüftung und Kühlung. Daneben setzen wir uns bei der Politik für Verbesserungen bei der Infrastruktur ein, wie etwa zusätzliche LKW-Stellplätze auf den Autobahnen.

Was halten Sie von Gigalinern?

Bernhard Die EU-Kommission will den Ausstoß von klimaschädlichem CO2 bis 2030 um 30 Prozent reduzieren. Ohne den Einsatz von Lang-Lkw werden diese Ziele nicht realisierbar sein. Wir erreichen mit unseren Innovationen bei der Motoren-Entwicklung von Generation zu Generation Einsparungen von zwei bis drei Prozent. Große Sprünge, wie sie die Klimavorgaben der EU erfordern, sind aber nur mit dem Einsatz von Lang-Lkw zu schaffen. Erste Feldversuche haben Einsparpotenziale von bis zu 30 Prozent gezeigt. Der Lang-LKW ist also einer der effektivsten Wege, um CO2 zu reduzieren.

Machen Sie gerade Werbung für ein neues Produkt?

Bernhard Wir profitieren als Hersteller nicht davon. Zwei Lang-Lkw ersetzen drei herkömmliche Sattelschlepper. Die Nutzfahrzeughersteller büßen bei der Umstellung der Flotten auf Lang-Lkw also Geschäft ein.

Wie viel Vorlaufzeit brauchen Sie für die Entwicklung von Gigalinern?

Bernhard Das ist eine Aufgabe der Auflieger-Hersteller, denen man großzügige Übergangsfristen gewähren sollte.

NRW will Europas Logistikdrehscheibe werden. Schafft das Bundesland das?

Bernhard Aufgrund seiner zentralen Lage in Deutschland und Europa ist NRW ein Knotenpunkt mit enormen Potenzialen. Die hier ansässigen Unternehmen sind stark und können die Anforderungen an so eine Logistikdrehscheibe erfüllen. Aber wenn Deutschland, wie gerade geschehen, die Lkw-Maut auf Bundesstraßen ausweitet und damit die Transportkosten immer weiter erhöht, ist das für einen Logistikstandort wie NRW nicht gerade hilfreich.

Sie haben auch schon im Konzernvorstand von Volkswagen gearbeitet. Was ist bei Daimler anders als bei VW?

Bernhard Bitte haben Sie Verständnis, dass ich dazu keine Aussage machen möchte.

Der Vertrag von Daimler-Chef Dieter Zetsche läuft 2016 aus. Werden Sie sein Nachfolger?

Bernhard An solchen Spekulationen beteilige ich mich nicht. Ich habe einen Vertrag über fünf Jahre und konzentriere mich voll auf meine Aufgabe.

In Kürze sind Europa-Wahlen. Was erwartet ein Unternehmen wie Daimler danach von der Europäischen Union?

Bernhard Europa ist für Deutschland von zentraler Bedeutung. In den letzten Jahren wird Europa zunehmend negativ wahrgenommen. Europakritische Parteien, darunter die AfD in Deutschland, gewinnen Rückenwind. Aber es gibt zu Europa keine Alternative. Während sich in Asien große Wirtschaftskräfte formieren, verlieren wir uns im Klein-Klein. Für Daimler ist Europa der Heimatmarkt, hier beschäftigen wir die überwiegende Zahl unserer Arbeitskräfte. Für uns ist essenziell, dass diese Wurzeln intakt bleiben.

THOMAS REISENER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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