Ende einer Landesbank Die WestLB ist Geschichte

Düsseldorf · Am Samstag endet offiziell die Geschichte des einst zweitgrößten deutschen Kreditinstituts. Die Milliardenlasten werden noch lange nachwirken. Für viele Mitarbeiter ist die Zukunft ungewiss.

Chronik der WestLB-Krisen
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Foto: AP

Eigentlich sind 18 Milliarden Euro gar nicht so viel. Zumindest gemessen an den mehr als 200 Milliarden Euro, die der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Euro-Staaten bereits an Hilfspaketen für das hochverschuldete Griechenland geschnürt haben. Andererseits erscheint die Zahl gigantisch, wenn man berücksichtigt, dass es hier nur darum geht, wie viel der Untergang einer einzelnen Bank am Ende gekostet haben könnte.

Die Bank, von der hier die Rede ist, heißt WestLB. Eigentlich müsste man schon fast sagen, sie hieß so. Denn am Samstag um Mitternacht ist der Name Vergangenheit. Von Deutschlands einstmals zweitgrößter Bank bleiben am Ende eine Niederlassung der Frankfurter Landesbank Helaba, eine bereits existierende "Bad Bank" zur Abwicklung von Milliardenrisiken und der Rechtsnachfolger Portigon, ein Dienstleister, der in vier Jahren schon wieder verkauft sein soll.

Das einstige Flaggschiff unter den deutschen Landesbanken muss nach jahrelangem Streit mit der Europäischen Kommission sowie deren Wettbewerbskommissaren Karel van Miert, Neelie Kroes und Joaquin Almunia um milliardenschwere öffentliche Beihilfen und Garantien aufgespalten werden. Bis heute, so sah die Vereinbarung mit der Brüsseler Bürokratie es vor, musste die Bundesregierung der EU den Teilungsplan vorlegen.

Ende einer Ära. Einer Ära, die mit ebenso klangvollen wie umstrittenen Namen an der Spitze der Bank verbunden ist:

Ludwig Poullain, der Visionär, der Landesbanken und Sparkassen gern aus ihren politischen Zwängen befreit hätte und 1977 über einen Beratervertrag stolperte;

Friedel Neuber, mittlerweile verstorbener Nachfolger Poullains, der die WestLB 20 Jahre regierte und als Mitglied der nordrhein-westfälischen Troika mit dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Johannes Rau und dessen Landesfinanzminister Heinz Schleußer in die Geschichte einging;

Jürgen Sengera, in dessen Amtszeit die Bank vor allem wegen Geschäften wie jenen mit dem britischen Fernseh-Verleiher Boxclever und Co. hohe Verluste schrieb;

Thomas Fischer, der ehemalige Deutsche-Bank-Manager, der so gar nicht in die öffentlich-rechtliche Geldwelt zu passen schien, trotzdem als Heilsbringer gepriesen wurde und am Ende über eine Affäre im Aktienhandel stolperte, die die Bank einen dreistelligen Millionenbetrag kostete.

Sie alle sind Vergangenheit. Der letzte WestLB-Chef war Dietrich Voigtländer, und er wird wohl vorerst bei Portigon weitermachen. Aber mit welcher Perspektive? Portigon wird Dienstleistungen für eine Verbundbank erbringen, die als Düsseldorfer Niederlassung der Helaba eine unbestimmte Existenzdauer hat, für die "Bad Bank", für den IT-Konzern und Bündnispartner Hewlett-Packard sowie für die US-amerikanische Großbank Wells Fargo. Aber was nach 2016 wird, weiß keiner. Wie viele der 3400 Mitarbeiter, die Portigon vorerst offiziell beschäftigen wird, dann noch einen Job haben werden, auch nicht. Schon jetzt, so pfeifen es die Spatzen von den Dächern, sitzen manche WestLBler seit Monaten in ihren Büros, ohne dass ihr Arbeitstag wirklich sinnvoll ausgefüllt wäre.

Die WestLB drehte einst ein großes Rad

Beinahe unfassbar, bedenkt man, welch großes Rad die WestLB einst drehte. Sie wurde unter Poullain und Neuber zur Großbank mit internationalem Anspruch (und Niederlassungen unter anderem in Paris, Moskau, Rio, Hongkong, Tokio und Peking), und sie war für die Landesregierung ein ideales industriepolitisches Vehikel. Durch ihre Beteiligungen an Konzernen wie Preussag (heute TUI), Gildemeister und LTU nahm sie erheblichen Einfluss auf die deutsche Wirtschaft. Auf dem Höhepunkt ihres Wirkens hatte die Düsseldorfer Landesbank eine Bilanzsumme von rund 400 Milliarden Euro.

Jetzt ist sogar das Firmenschild in Teilen verschwunden. Dabei wird die WestLB optisch viel schneller Vergangenheit sein als in den Köpfen derer, die die Zeche zahlen müssen für die Sünden der Vergangenheit. Vor allem NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD), der allein die Hälfte der von ihm veranschlagten 18 Milliarden Euro aufbringen müsste, wird in seiner bis Mai 2017 andauernden Amtszeit noch mehr als einmal ungern an die WestLB-Lasten denken.

Der Politiker hat seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren erlebt, wie intensiv einige Verantwortliche bei der Landesbank feilschen, wenn es darum geht, die eigenen Pfründen zu sichern. Mehr als einmal wurde die WestLB in letzter Sekunde gerettet, weil alle getreu dem Mikado-Motto "Wer sich zuerst bewegt, hat verloren" erst dann kompromissbereit waren, als das eigene Vermögen in Gefahr geriet. Deshalb wundert man sich nicht, dass die letzten Beschlüsse auch diesmal erst um fünf vor zwölf fallen.

Die Landesbank Helaba, die die Verbundbank übernehmen soll, hätte wegen eines Streits um Derivate zur Absicherung von Kreditgeschäften den Deal fast noch platzen lassen, ihre Eigentümer stimmten erst am Mittwoch der Übernahme zu. Und heute beschäftigen sich offiziell noch einmal der WestLB-Aufsichtsrat und die Hauptversammlung der Bank mit dem Thema. "Erst wenn das alles über die Bühne ist und die Verträge in Brüssel sind, kann man davon ausgehen, dass die Aufspaltung so klappt wie geplant", sagt ein WestLBler. Gebranntes Kind scheut eben das Feuer.

(RP/felt/csr)
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