Abgasskandal US-Justiz klagt Ex-VW-Chef Martin Winterkorn an

Detroit · Das US-Justizministerium beschuldigt Volkswagens ehemaligen Konzernchef Martin Winterkorn der Mittäterschaft im Abgasskandal. Das geht aus einer erweiterten Anklageschrift hervor, die am Donnerstag vom zuständigen Gericht in Detroit, Michigan, veröffentlicht wurde.

 Die Anklageschrift gegen Winterkorn wurde am Donnerstag in Detroit öffentlich gemacht. (Archiv)

Die Anklageschrift gegen Winterkorn wurde am Donnerstag in Detroit öffentlich gemacht. (Archiv)

Foto: dpa, frg fdt fpt tmk

Das US-Justizministerium beschuldigt den ehemaligen VW-Konzernchef Martin Winterkorn der Mittäterschaft im Abgasskandal. Das geht aus einer erweiterten Anklageschrift hervor, die am Donnerstag vom zuständigen Gericht in Detroit veröffentlicht wurde.

In der am Donnerstag veröffentlichten Anklage durch ein Geschworenengremium im Bundesstaat Michigan wird dem 70-Jährigen unter anderem Verschwörung zum Betrug an den Vereinigten Staaten vorgeworfen.

Der Anklage zufolge habe sich das "Komplott" zum Umgehen der US-Gesetze über "den ganzen Weg bis zur Spitze des Unternehmens" erstreckt, erklärte US-Justizminister Jeff Sessions. "Wenn Du die Vereinigten Staaten zu betrügen versuchst, dann wirst Du einen hohen Preis zahlen", warnte er.

Winterkorn selbst will einem Insider zufolge vorerst nicht zu den Vorwürfen Stellung nehmen. "Er wird dies nicht zum Anlass nehmen, sich dazu zu äußern", sagte eine Person aus dem Umfeld des 70-Jährigen der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag. Seine Anwälte würden voraussichtlich Erklärungen abgeben, sobald die Ermittlungen in Deutschland abgeschlossen seien.

VW erklärte in einer E-Mail an die Nachrichtenagentur AFP, "weiterhin vollumfänglich mit dem US-Justizministerium in Bezug auf Handlungen von Individuen" zu kooperieren. "Es wäre nicht angemessen, zu individuellen Verfahren Stellung zu nehmen", hieß es weiter.

Winterkorn werden Gesetzesverstöße in vier Punkten angelastet. Neben Hintergehung der US-Behörden beziehen sie sich auf die mutmaßlich betrügerische Verwendung von Telekommunikationsmitteln. Zusammen mit ihm wurden noch fünf weitere VW-Manager angeklagt.

Sie alle hätten "bewusst und absichtlich Betrug begangen", um die US-Abgasvorschriften zu umgehen, heißt es in der Anklageschrift. Winterkorn wird vorgeworfen, bereits im Mai 2014 in einem internen Memo über den Einsatz einer Software zur Manipulation der Messwerte von Stickoxiden informiert worden zu sein.

Bei einer Krisensitzung der Konzernspitze in der Wolfsburger Unternehmenszentrale im Juli 2015 sei er dann erneut mit Fakten zu den Tricksereien konfrontiert worden. Trotz der Hinweise durch seine Mitarbeiter habe sich Winterkorn beide Male entschieden, die Betrügereien fortzusetzen.

Vor dem Hintergrund der Anklage gegen Winterkorn erhebt Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung erhoben. "Seit dem Bekanntwerden des Abgasskandals betätigt sich die Bundesregierung, insbesondere Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt und sein Nachfolger Andreas Scheuer, als Schutzpatron der Trickser und Betrüger", sagte Krischer unserer Redaktion. In den USA drohe Automanagern ein Gefängnisaufenthalt, während hierzulande die Bundesregierung die Aufarbeitung des Abgasskandals weiter aussitze.

Krischer, der in der vergangenen Legislaturperiode Mitglied im Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestages war, kritisiert die Ermittlungen in Deutschland. "Während sich in den USA jeder Automanager in Zukunft ganz genau überlegen wird zu tricksen, lädt die Bundesregierung mit ihrer Haltung zum nächsten Betrug ein", sagte Krischer und fügte hinzu: "Es ist ein Armutszeugnis, dass Deutschland es nicht schafft den Abgasskandal juristisch aufzuarbeiten, obwohl er hier seinen Ursprung hat."

Der Top-Manager war im September 2015 von seinem Amt zurückgetreten, kurz nachdem US-Behörden Abgasmanipulationen von zahlreichen Dieselautos bei VW aufgedeckt hatten. Winterkorn hatte aber betont, sich keines Fehlverhaltens bewusst zu sein.

VW musste wegen des Skandals in den USA Milliarden an Strafen zahlen. Durch die Affäre wurde auch das Image des Diesel schwer beschädigt. Diese Krise hält bis heute an. Die US-Justizbehörden hatten zuvor bereits Strafanzeigen gegen acht amtierende und frühere Mitarbeiter des VW-Konzerns gestellt. Zwei von ihnen wurden bereits zu mehrjährigen Haftstrafen und hohen Geldbußen verurteilt.

Gegen Winterkorn und andere Manager wird auch in Deutschland ermittelt. Zum einen wegen des Anfangsverdachts des Betruges, zum anderen wegen Marktmanipulation. Anleger klagen deswegen auf Schadenersatz in Milliardenhöhe, weil die VW-Aktie nach Bekanntwerden des Skandals auf Talfahrt ging.

Die Manager sollen die Finanzmärkte im Herbst 2015 zu spät über den Abgasskandal informiert haben. Der Konzern betont stets, dies rechtzeitig getan zu haben.

(felt)
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