Kanzleramt rückt offenbar von Bahnchef ab Entscheidung über Mehdorn rückt näher

Berlin (RPO). Der Rückhalt für Bahnchef Hartmut Mehdorn schwindet. Die Bundesregierung will nach Informationen einer Nachrichtenagentur schon in den nächsten Tagen über eine mögliche Entlassung von entscheiden. Mehdorn war nach neuen Enthüllugen in der Daten-Affäre immer stärker in die Kritik geraten. Am Montag Vormittag will er Stellung nehmen.

Hartmut Mehdorn - Manager mit Ecken und Kanten
18 Bilder

Hartmut Mehdorn - Manager mit Ecken und Kanten

18 Bilder

Dies erfuhr die Agentur AP am Sonntag aus Regierungskreisen. Hintergrund sind immer neue Enthüllungen und Rücktrittsforderungen aus den Bahn-Gewerkschaften, der SPD und der Opposition. Der Konzern hatte eingeräumt, E-Mails der Lokführergewerkschaft GDL abgefangen zu haben. Der Bahnchef selbst will im Amt bleiben und sieht keine Straftaten seines Unternehmens.

Aus Regierungskreisen hieß es, Bundeskanzlerin Angela Merkel werde mit der Entscheidung über Mehdorns Zukunft nicht bis zur nächsten Sitzung des Bahn-Aufsichtsrats Mitte Mai warten. Wann genau das Votum fällt, stehe aber noch nicht fest. Merkel reist nächste Woche zu Opel, zum G-20-, zum NATO- und zum EU-USA-Gipfel.

Guttenberg zurückhaltend

Auch von anderer Stelle blieben Solidaritätsbekundungen für Mehdorn aus. In der ZDF-Sendung "Berlin direkt" sagte Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) am Sonntag, es sei ein "Gebot der Vernunft", die Untersuchungen der Vorwürfe gegen Mehdorn abzuwarten und den Aufsichtsrat entscheiden zu lassen. "Ich schätze mal, dass wir die Schlussfolgerungen bald haben werden, wohl in den nächsten Tagen."

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sagte am Sonntag in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin", wenn sich die Vorwürfe bestätigen sollten, werde der Bund als Anteileigner beraten, "was das auch für personelle Konsequenzen haben könnte". Nach Auffassung Steinbrücks dürfe in der Debatte aber nicht vergessen werden, dass Mehdorn auch Verdienste habe. Die Deutsche Bahn habe sich in den vergangenen drei bis vier Jahren "glänzend entwickelt".

Massen-Mail gestoppt

Mehdorn will am Montag (11 Uhr) auf der Bilanz-Pressekonferenz des Unternehmens in Berlin zu den gegen ihn gerichteten Vorwürfen in der Datenaffäre Stellung nehmen. Seit Freitag steht der Manager so schwer unter Druck wie noch nie. Die Bahn-Sonderermittler Gerhart Baum und Herta Däubler-Gmelin sowie die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG hatten dem Aufsichtsrat des Konzerns Ermittlungsergebnisse erläutert. Demnach soll die Bahn E-Mails von 70.000 bis 80.000 Mitarbeitern zwischen 2005 und 2008 systematisch gefiltert haben - täglich bis zu 145.000.

Ein Bahnsprecher räumte ein, dass das Unternehmen im Herbst 2007 eine über das Konzernsystem versandte Massen-Mail mit einem Streikaufruf der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer stoppte. An dem Tag sei der Mail-Server der Bahn zusammengebrochen. Bei der Ursachenforschung seien Techniker auf die Massen-Mail der GDL gestoßen. Danach "wurde entschieden, den nicht zugestellten Teil der GDL-Mail, einen Streikaufruf, nicht weiter zuzustellen", sagte der Sprecher. Dies sei eine inhaltliche Entscheidung gewesen. Den Versand des Aufrufs über den Bahn-Server hält das Unternehmen für rechtswidrig.

Mehdorn lehnt Rücktritt ab

Dagegen sieht Mehdorn im Verhalten der Bahn nichts Unrechtes. "Durch die DB wurde niemand bespitzelt, weder Journalisten noch Aufsichtsräte, weder Politiker noch Gewerkschaften", sagte er laut "Bild am Sonntag". "Schon gar nicht haben wir illegal den Streik der Lokführer behindert." Dies sei Stimmungsmache.

Einen Rücktritt lehnte er mit Hinweis auf die Erfolge des Unternehmens unter seiner Führung ab. Auch gebe es keine Hinweise, "dass DB-Mitarbeiter in diesem Zusammenhang Straftaten begangen haben".

Keine "schützende Hand"

Dennoch wächst der Druck, Mehdorn abzulösen. Nach Informationen des "Tagesspiegels" hält auch das Kanzleramt keine "schützende Hand" mehr über Mehdorn. Noch vor kurzem hatte Kanzleramtsminister Thomas de Mazière Mehdorn ausdrücklich in Schutz genommen.

Die Gewerkschaft Transnet verlangte am Sonntag erneut den Rücktritt von Mehdorn. Dieser sei unumgänglich, sagte Gewerkschaftschef Alexander Kirchner der AP. Zu Spekulationen über eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung schon kommende Woche sagte Kirchner, die Arbeitnehmervertreter würden sie nicht beantragen, um der Politik "ein paar Tage" Zeit zu geben, "bis sie sich wieder sortiert hat". Sollte das jedoch schnell gelingen, "dann haben wir auch kein Problem damit, sehr schnell eine Sitzung zu machen".

Nach Informationen der "Welt am Sonntag" hat die Regierung bereits Kandidaten für die Mehdorn-Nachfolge angesprochen, darunter Verkehrs-Staatssekretär Achim Großmann. Dieser habe abgelehnt. Spekuliert wird auch über eine konzerninterne Lösung.

"Keinen Tag länger"

Auf die Regierungspartei SPD kann Mehdorn wohl nicht mehr zählen. Sollten sich die Vorwürfe zu der E-Mail-Überwachung erhärten, "dann wäre es für das Unternehmen besser, wenn man eine neue Lösung für den Vorstandsvorsitz suchen würde", sagte SPD-Fraktionsvizechef Klaas Hübner zu "FR-online.de".

Linke und Grüne verlangten Mehdorns sofortige Entlassung. Merkel müsse die "unhaltbaren Zustände bei der Bahn endlich beenden", erklärte Linke-Geschäftsführer Dietmar Bartsch. "Bahnchef Mehdorn ist keinen Tag länger haltbar", erklärte Grünen-Chefin Claudia Roth.

(AP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort