Quelle-Ausverkauf legt Server lahm Ex-Chef Middelhoff: "Pleite war abwendbar"

Nürnberg (RPO). Ausgerechnet am Tag des großen Ausverkaufs meldet sich der ehemalige Vorstandschef des Quelle-Mutterkonzerns Arcandor zur Wort: Nach seiner Auffassung hätten seine Nachfolger die Pleite noch abwenden können. Am Sonntag legte derweil der wohl größte Ausverkauf in der deutschen Geschichte zeitweise den Server lahm.

 Weist alle Vorwürfe von sich: Ex-Karstadt-Chef Thomas Middelhoff.

Weist alle Vorwürfe von sich: Ex-Karstadt-Chef Thomas Middelhoff.

Foto: ddp, ddp

Seit sechs Uhr war die Internetseite mit Rabatten bis zu 30 Prozent freigeschaltet. Der Server ging bereits früh in die Knie. Auch am Nachmittag war die Seite teilweise nicht mehr zu erreichen.

 Ausverkauf auf der Quelle-Website.

Ausverkauf auf der Quelle-Website.

Foto: AP, AP

Bis 16 Uhr seien rund 31.000 Bestellungen eingegangen, sagte ein Sprecher. Schon am Samstag seien fast 1,2 Millionen Besuche auf quelle.de registriert worden, 18.600 Bestellungen gingen schon vor dem offiziellen Start des wohl größten Ausverkaufs in der bundesdeutschen Geschichte ein.

Der Andrang zahlloser Schnäppchenjäger auf den Ausverkauf bei Quelle hatte die Server des insolventen Unternehmens schon früh am Morgen zum Erliegen gebracht. Für Frühaufsteher gab es kurz nach Beginn der Verkaufsaktion um 6 Uhr kein Durchkommen im Internet. Beim Aufruf von quelle.de erschien im Browser lediglich die Meldung: "Fehler: Netzwerküberschreitung".

Für die Mitarbeit des pleite gegangenen Konzerns muss der Andrang wie der blanke Hohn gewirkt haben. Ebenso wie die nahezu zeitgleich veröffentlichten Sätze des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des KarstadtQuelle-Mutterkonzerns Arcandor, Thomas Middelhoff. Seiner auffassung nach war die Pleite abwendbar. "Das Ende von Quelle ist ein in höchstem Maß bedauerliches Ereignis - vor allem, weil es nicht unabänderlich war", sagte Middelhoff laut "Bild am Sonntag".

Bis zu seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen habe es "fortgeschrittene Verhandlungen für eine Fusion von Primondo mit einem starken Partner" gegeben, "was für die Quelle eine gute Zukunft bedeutet hätte", wird Middelhoff zitiert. Unter Primondo war der Versandhandel gebündelt. Die Verhandlungen seien jedoch nicht fortgeführt worden: "Als keine Staatshilfen kamen und das Planinsolvenzverfahren scheiterte, stand das Unternehmen ohne Alternative da. So rutschte es in eine ungeordnete Insolvenz."

Das Nachkarten des Managers, der Arcandor maßhgeblich mit in die Misere geführt hatte, kommt zu spät. Erst nach der Pleite ist die Hälfte der 18 Millionen Räumungsverkaufs-Artikel plötzlich wieder in Mode. Im Internet und dann auch in den Quelle-Shops wird sie mit 30 Prozent Rabatt angeboten. Möbel sollen mit 20 Prozent, Technik mit 10 Prozent Nachlass verkauft werden. Jeden Tag soll es außerdem ein zusätzliches Sonderangebot geben.

18 Millionen Verkaufsstücke

Die Logistik- und die Computersysteme stehen, um den Schlussverkauf abzuwickeln. Die 18 Millionen Verkaufsstücke entsprechen 25.000 Paletten, für deren Transport 1000 Lastwagen nötig sind. "Das ist eine Liefermenge, wie sie die Post auf einen Schlag noch nie in Deutschland hatte", erklärt Jörg Nerlich, der als Insolvenzverwalter direkt zuständig ist für die Abwicklung von Quelle. Der Ausverkauf soll überwiegend über Call-Center und das Internet laufen.

Kaufinteressenten sollten auf keinen Fall Vorkasse leisten. "Wer dann nichts erhält, wird Gläubiger des Unternehmens und sieht sein Geld wahrscheinlich nie wieder", warnt Ute Bitter von der Verbraucherzentrale Hessen. Auch auf eine Gewährleistung von Garantien können Kunden nur bedingt vertrauen. Für bei Quelle angebotene fremde Marken wie Apple, Philips oder Nokia gilt die Herstellergarantie. Garantien der Eigenmarke Privileg sind dagegen wohl wertlos.

Der Quelle-Betriebsrat hofft, dass der Ausverkauf viele Beschäftigte bis Weihnachten in Lohn und Brot halten kann. Der Betriebsratsvorsitzende Ernst Sindel lobte im AP-Gespräch das Ausverkaufs-Konzept der Insolvenzverwaltung. Die verbilligte Ware werde jetzt nicht nur im Internet, sondern ab Montag auch in den 1.200 Quelle-Shops und den 60 Technik-Centern angeboten. Damit behielten rund 1.600 Quelle-Beschäftigte noch ihre Arbeit, sagte Sindel der AP.

Entlassung per Telefon

Der Ausverkauf werde einige Wochen dauern, weil ein Teil der Ware von den Lieferanten erst unterwegs zu Quelle sei. Bis Weihnachten sollen die Lager nach Angaben des Insolvenzverwalters leer sein. Derweil laufen Verhandlungen mit Übernahmeinteressenten für Teilgesellschaften wie Küchen-Quelle liefen unter Hochdruck. "Das Interesse an Küchen-Quelle ist groß", sagte Sindel.

Mit einem dreifachen Paukenschlag hat Quelle am Freitag die komplette Abwicklung eingeleitet. 1800 Beschäftigte erfuhren per Telefonanruf, dass sie ab Montag nicht mehr gebraucht werden — "ein solches Vorgehen ist einmalig", kritisierte Elsa Koller-Knedlik, die Leiterin der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit.

Fest steht, dass das 82 Jahre alte Versandhaus Quelle Ende des Jahres in Deutschland Geschichte sein wird. Rund 4300 Mitarbeiter werden noch einige Wochen für den Ausverkauf gebraucht — die meisten davon in den Call-Centern in Berlin, Magdeburg und Cottbus sowie bei der Logistik in Leipzig. Damit keiner plötzlich aus Enttäuschung die Arbeit niederlegt, verkündete der Sprecher des Insolvenzverwalters: "Wer arbeitet, wird bezahlt." Die Löhne seien gesichert.

(AP/RP/ndi)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort