Debatte um Primark So erkennen Sie fair gehandelte Kleidung

London · Hilferufe eingenäht in Kleidungsstücke – damit macht die britisch-irische Modekette Primark derzeit Schlagzeilen. Ob diese Zettel nun echt sind oder nicht: Die Diskussion um Billigmode haben sie wieder angeheizt. Doch hat der Verbraucher überhaupt eine Chance, fair gehandelte Kleidung zu kaufen? Wir haben uns einmal im Netz umgeschaut.

Besuch in einem Sweatshop in Vietnam
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Hilferufe eingenäht in Kleidungsstücke — damit macht die britisch-irische Modekette Primark derzeit Schlagzeilen. Ob diese Zettel nun echt sind oder nicht: Die Diskussion um Billigmode haben sie wieder angeheizt. Doch hat der Verbraucher überhaupt eine Chance, fair gehandelte Kleidung zu kaufen? Wir haben uns einmal im Netz umgeschaut.

"...zur Arbeit bis zur Erschöpfung gezwungen" oder "erniedrigende Arbeitsbedingungen" steht auf den in recht gutem Englisch verfassten Zetteln, die in Wales und Nordirland eingenäht in Kleidern und Hosen der Billig-Marke Primark gefunden worden sind. Das Unternehmen will die Vorfälle untersuchen, vermutet allerdings eine Kampagne hinter den Hilferufen. Als Indiz sieht es etwa die ähnliche Machart mancher Zettel, bei denen die Kleidung aber aus unterschiedlichen Fabriken stammt.

Dennoch: Die Vorfälle werfen erneut ein Schlaglicht auf die Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken. Nicht einmal zwei Jahre ist es her, dass der Einsturz einer Fabrik in Bangladesch weltweit für tiefe Betroffenheit gesorgt hatte. Doch schon ein Jahr nach dem Unglück wurde deutlich, dass sich an den Arbeitsbedingungen vielerorts kaum etwas geändert hat. Und Opferorganisationen hatten beklagt, dass die versprochenen Entschädigungszahlungen für die Opfer von Bangladesch anfangs kaum geleistet worden waren. Primark selbst hat inzwischen damit begonnen, Entschädigungen in Höhe von neun Millionen US-Dollar auszuzahlen.

Das Problem liegt aber auch beim Verbraucher, der mit Vorliebe auf günstige Kleidung setzt. Die neu eröffneten Primark-Filialen in Düsseldorf und Köln etwa hatten einen wahren Ansturm bei der Eröffnung erlebt. Auch ein Top-Manager einer großen Modekette sagte dem britischen "Guardian": "Den Konsumenten juckt es nicht." Und mitunter hat er im Geschäft auch kaum eine Chance zu erkennen, ob die Mode nun fair gehandelt wurde. So hatte ein Besuch unseres Redakteurs Jan Schnettler in einem Sweatshop in Vietnam gezeigt, dass in der gleichen Fabrik neben Billig-Marken auch Markenmode produziert wurde.

Allerdings gibt es doch den einen oder anderen Verbraucher, der auf faire Produktion nicht nur bei Nahrungsmitteln, sondern eben auch bei Kleidung setzt. Hilfe dabei liefern ihm diverse Online-Portale.

Modeblogs und Initiativen im Netz

So hat das Fair Fashion Network etwa die GmbH und gleichnamige Internetseite "Get changed" ins Leben gerufen. Sie richtet sich, so heißt es auf der Webseite, an kritische Konsumenten, Produzenten und Händler, die sich über sozial und ökologisch verträgliche Mode informieren möchten. Auf der Seite werden Labels genannt, die faire Mode anbieten. Und mittels einer Suchoption lassen sich auch Geschäfte in der direkten und etwas weiter entfernten Umgebung des Kunden finden.

Eine andere Seite ist fair-zieht-an.de, eine private Initiative junger kritischer Menschen. Auch hier sind unzählige Händler und Labels aufgelistet, bei denen faire Mode zu erstehen ist. Auch Kriterien, nach denen die Einordnung vorgenommen wird, sind auf der Seite gelistet.

Auch der eine oder andere Blogger hat sich auf die fair gehandelte Mode spezialisiert. So etwa der Grüne Mode Blog, der Listen zusammengestellt hat zu Modegeschäften, Herstellern und Marken und wo die Ware zu erstehen ist. Der User kann sich die Mindestkriterien anschauen, nach denen etwa Marken in die faire Kategorie eingeordnet werden. Zudem wird nicht nur ein Blick auf den deutschen Modemarkt, sondern auch auf den internationalen geworfen. Da werden Läden unserer europäischen Nachbarn oder internationale Labels mit fairer Mode genannt. Auch Stoffe und Garne werden mit einbezogen.

Auch bei Smartphone-Herstellung gibt es Probleme

Doch nicht nur bei der Mode sind die sozialen Bedingungen für die Arbeitskräfte ein Thema. Denn auch in Bezug auf elektronische Geräte, die in Fernost hergestellt werden, hatte es immer wieder Berichte über schlechte Arbeitsbedingungen gegeben. Ein Beispiel ist die Selbstmordwelle beim Apple-Zulieferer Foxconn vor einigen Wochen.

Ein weiteres Problem gerade bei Handys: So manches Metall, das für die Produktion gebraucht wird, wird in Minen abgebaut, die das Geld für regionale Konflikte und Bürgerkriege liefern. Apple hatte deshalb etwa im Februar angekündigt, auf den Einsatz von Rohstoffen zu verzichten, die in Konfliktregionen wie dem Kongo gefördert werden.

Vorbild dafür könnte auch die niederländische Initiative Fairphone gewesen sein. Denn sie hatte ein möglichst sozial gerechtes und möglichst umweltfreundlich hergestelltes Smartphone auf den Markt gebracht. Die Initiative legt auch offen, woher die verarbeiteten Rohstoffe stammen - und dass es derzeit noch nicht möglich ist, ein Smartphone aus rein fair gehandelten Rohstoffen herzustellen.

Allerdings werden es am Ende wohl doch die wenigsten Verbraucher sein, die neben Nahrungsmitteln auch bei Kleidung und Elektrogeräten auf die Herstellungsbedingungen schauen. So sagt der Top-Manager der Modekette dem "Guardian" auch, dass alle Marktforschungen ergeben hätten, das der Preis alles schlägt und die Frage nach Menschenrechten für den Konsum nicht ausschlaggebend ist. Dementsprechend wird es immer wieder Schlagzeilen geben wie jetzt aus Wales und Nordirland und vermutlich auch von Fabrikunglücken in Ländern wie Bangladesch.

mit Agenturmaterial

(das)
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