Schwere Vorwürfe gegen Wohnungskonzern "Gagfah lässt Häuser verkommen"

Düsseldorf (RP). Der Wohnungskonzern Gagfah will die Mieten seiner Wohnungen bis an die Grenze des gesetzlich Erlaubten erhöhen. Außerdem muss er auf Druck des US-Investors Fortress die ohnehin schon kritisch geringen Renovierungskosten senken. Insider berichten schon jetzt von skandalösen Fällen. Leidtragende sind tausende Mieter.

Den Mietern des drittgrößten deutschen Wohnungskonzerns Gagfah stehen schwere Zeiten bevor. Der Konzern will seine ohnehin schon extrem knapp bemessenen Ausgaben für die Instandhaltung seiner 175 000 Wohnungen noch weiter senken. Außerdem sollen die Mieten "bis an die Grenze des in Deutschland gesetzlich Zulässigen" erhöht werden. So steht es im Vorwort des aktuellen Geschäftsberichtes des börsennotierten Konzerns.

Der Deutsche Mieterbund befürchtet, dass sich die Situation für die Gagfah-Mieter deutlich verschlechtern wird. Schon jetzt berichtet ein Konzern-Insider von skandalösen Zuständen einzelner Gagfah-Immobilien. Schuld sind nach Meinung von Fachleuten die hohen Dividenden, die das Unternehmen seinem Hauptaktionär, dem US-Investor Fortress, auszahlen muss.

Bald auch LEG-Wohnungen?

"Wenn eine Heuschrecke Kapital im großen Stil abzieht, bleiben am Ende schlechtere Wohnungen übrig, und die Leidtragenden sind die Mieter", meint auch der Vorsitzende des NRW-Bauausschusses Wolfgang Röken (SPD). Er warnt bereits seit Längerem vor dieser Entwicklung: "Es kann nicht sein, dass die öffentliche Hand Millionenbeträge investiert, um Ghetto-Bildungen in unseren Städten zu verhindern, während Heuschrecken ganze Wohnblöcke verkommen lassen." Röken befürchtet, dass sich die Strategie der Gagfah auch bei der Landesentwicklungsgesellschaft NRW (LEG) wiederholen könnte. Das Land NRW hatte diese im Sommer 2008 für umgerechnet 3,5 Milliarden Euro an eine Tochter der US-Investmentbank Goldman Sachs verkauft.

Der neue NRW-Bauminister Lutz Lienenkämper (CDU) hält die Sorge, dass auf die Mieter von LEG-Wohnungen ähnliche Probleme zukommen könnten wie bei der Gagfah, allerdings für unbegründet. Bei der LEG sei nach hartem Ringen eine präzise Sozialcharta ausgehandelt worden, die den Besitzstand der Mieter regelt, sagte der Minister. Er fügte hinzu: "Wir haben die Einhaltung dieser Charta zu kontrollieren, und wir nehmen die Aufgabe extrem ernst." Bei Verstößen gegen die Vereinbarungen zum Schutz der Mieter drohten hohe Vertragsstrafen.

Investor in Nöten

Hintergrund der Gagfah-Strategie ist die angespannte Finanzlage des Haupteigentümers Fortress. Der US-amerikanischen Investmentgesellschaft, die das Wohnungsunternehmen 2004 für rund 3,5 Milliarden Euro von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte gekauft hat, laufen wegen der Finanzkrise die Anleger davon. Aus demselben Grund werfen die übrigen Geschäftsfelder von Fortress wie etwa Pferderennen und Spielbanken derzeit weniger Gewinne ab als gewohnt. "Deshalb quetscht Fortress jetzt die Gagfah aus", sagte gestern ein intimer Kenner des Gagfah-Konzerns gegenüber unserer Redaktion.

Bei einem Börsenkurs von gerade einmal vier Euro muss die Gagfah auf Druck von Fortress eine Dividende von 80 Cent je Aktie ausschütten. "Das ist eine Dividendenrendite, die ihresgleichen sucht", sagt Frank Neumann, Immobilienspezialist beim Bankhaus Lampe. Zu diesen gut 180 Millionen Euro an Ausschüttung kommen für die Gagfah rund 277 Millionen Euro an Kreditzinsen hinzu. "Offenbar lässt die Gagfah ihre Wohnungen verkommen", meint Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund, der sich seit längerem mit dem Unternehmen beschäftigt.

Skandalöse Beispiele

Als Richtwert für die Bestandspflege größerer Wohneinheiten gelten in Deutschland zwölf Euro je Quadratmeter. Die Gagfah liegt mit acht Euro jetzt schon deutlich darunter. Der Gagfah-Insider berichtete Beispiele, die seiner Meinung nach zeigen, "wie sehr der Wohnungskonzern von seinem Großaktionär unter Kostendruck" gesetzt wird:

Wuppertal Mehrere Hundert Mieter eines Gagfah-Wohnhauses in der Siedlung Rehsiepen müssen seit rund einem Jahr praktisch ohne Tageslicht leben. Grund: Das Gebäude musste eingerüstet werden, weil Schieferplatten auf die Straße fielen. "Anstatt das Ding endlich zu sanieren, fordert Fortress ein Gutachten nach dem anderen an", berichtet der Insider.

Freiburg Ähnliche Situation. Am Auggener Weg sollen mehrere Gebäude einer Siedlung betroffen sein, die seit mehr als einem Jahr wegen Asbest-Belastung eingerüstet sind. "Gagfah macht nichts", berichtet der Insider, "da haben inzwischen sogar schon die örtlichen Pfarrer Alarm geschlagen."

Osnabrück Mehreren Hundert Gagfah-Mietern wurde das Wasser abgestellt, obwohl sie ihren Abschlag pünktlich an die Gagfah gezahlt hatten. "Die Gagfah hat das Geld aber viel zu spät weitergeleitet", berichtet der Insider.

Reaktion der Gagfah

Ein Gagfah-Sprecher antwortete am Donnerstag schriftlich auf die Vorwürfe. Zu den im Geschäftsbericht angekündigten Mieterhöhungen heißt es bei Gagfah: "Wie alle anderen Vermieter auch überprüfen wir in regelmäßigen Zeitabständen die Mieten. (...) An Spekulationen über künftige Mietentwicklungen beteiligen wir uns nicht." Zur ebenfalls dort angekündigten Senkung der Instandhaltungskosten sagte der Sprecher: "(...) Unser Wohnungsbestand ist einer der qualitativ besten in Deutschland. 2008 haben wir über 90 Millionen Euro in die Instandhaltung unserer Wohnungen investiert. Da wir durch unsere Größe Vorteile beim Einkauf von Dienstleistungen und Produkten haben, kann diese Zahl (...) nicht mit Werten erheblich kleinerer Gesellschaften verglichen werden."

Zu den Vorfällen in Wuppertal heißt es von Seiten der Gagfah, dass derzeit ein Ausschreibungsverfahren für die Arbeiten laufe, dessen Ergebnisse bald vorliegen werden. Im Falle der Freiburger Wohnungen sei eine Befragung der Mieter durchgeführt worden. "Danach haben wir mit der Beseitigung der Mängel begonnen. Die meisten Mängelmeldungen haben wir abgearbeitet." Dass Gagfah-Mietern in Osnabrück das Wasser wegen einer zu späten Weiterleitung der Gebühren abgeschaltet worden sei, wies der Sprecher zurück.

(RP)
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