Startup-Standort Berlin Gründerzeit in der Hauptstadt

Berlin · Berlin ist neben München inzwischen weltweit beachteter Startup-Standort. Die jungen Unternehmen schaffen Arbeitsplätze und Steuereinnahmen. Auch für US-Konzerne ist die Hauptstadt attraktiv.

 Mitarbeiter des Shoppingportals Fab.com - Everyday Design arbeiten in den Büroräumen der Europazentrale des US-amerikanischen Unternehmens in Berlin. Start-ups wie diese entstehen derzeit überall in der Hauptstadt.

Mitarbeiter des Shoppingportals Fab.com - Everyday Design arbeiten in den Büroräumen der Europazentrale des US-amerikanischen Unternehmens in Berlin. Start-ups wie diese entstehen derzeit überall in der Hauptstadt.

Foto: dpa

Berlin ist mit weitem Vorsprung deutscher Rekordhalter in Sachen Neugründungen. Im Jahr 2012 konnte die Hauptstadt rund 45.000 neue Unternehmen verzeichnen. Laut einer McKinsey-Studie steigt die Zahl der Neugründungen seit 2006 jährlich um acht Prozent. Die Zahl der Erwerbstätigen in der Informations- und Telekommunikationstechnologie hat sich zwischen 2008 und 2012 vervierfacht. Heute arbeiten in Berlin bereits mehr als 60.000 Erwerbstätige im Bereich der digitalen Wirtschaft. Geht man davon aus, dass dadurch jeweils zwei bis drei weitere Arbeitsplätze entstehen, wurden bis zu 150.000 Jobs geschaffen. Selbst ohne diesen Effekt kann die digitale Wirtschaft bereits jetzt eine höhere Bruttowertschöpfung vorweisen als etwa die Bauwirtschaft.

Doch wer in Deutschland ein IT-Startup gründen will, muss schon in den ersten vier Jahren eine Menge Geld zusammenbringen, durchschnittlich fast 700.000 Euro. Denn gerade in dieser Branche wird schon im Gründungsjahr viel in Forschung und Entwicklung investiert, 50 Prozent mehr als in anderen Branchen. Der klassische deutsche IT-Gründer ist dabei 38 Jahre alt und hat 17 Jahre Berufserfahrung, elf Jahre davon in der Branche. Nicht einmal jeder zehnte Gründer ist jünger als 25 Jahre. Das sind Ergebnisse einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, die im Auftrag des Hightech-Verbandes Bitkom erstellt wurde. 60 Prozent der IT-Gründungen sind demnach auch nach fünf Jahren noch am Markt. Das erste Jahr sei das günstigste, 70.000 Euro seien durchschnittlich nötig. Im dritten Jahr seien es dann schon rund 277.000 Euro.

Die Gründeraktivität ist in Deutschland unterschiedlich verteilt. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl steht München an der Spitze, gefolgt von Berlin. An dritter Stelle steht das Rhein-Main-Gebiet mit Frankfurt. Im Ranking der Bundesländer führen die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen. Schlusslichter sind der Untersuchung zufolge die fünf ostdeutschen Bundesländer.

Ein Beispiel für ein rasant gewachsenes Unternehmen ist Shutterstock — ein führender globaler Anbieter für lizenzfreie Bilder und Videos. Mehr als 40 Millionen Bilder und 400 Millionen bezahlte Downloads seit Gründung vor elf Jahren — diese Zahlen hat Shutterstock erst vor kurzem bekannt gegeben. Seit rund einem Jahr hat das Unternehmen auch ein Büro in Berlin in der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg.

"Von Berlin aus Europa abdecken"

"Berlin ist der perfekte Ort für unser erstes multifunktionales Büro außerhalb der USA", sagte Shutterstock-Gründer und CEO Jon Oringer. "Deutschland ist unser zweitgrößter Markt in Europa, nach UK". 70 Prozent der Bilder würden außerhalb der USA verkauft, Allein 40 Prozent in Europa. "Jede Firma braucht Bilder", betonte Oringer. Der 40-Jährige gilt als einer der wichtigsten Gründer in New York. Das Branchenmagazin "Business Insider" wählte den ersten New Yorker Start-up-Milliardär auf Platz eins der "Coolest People of New York Tech 2013". Oringer besitzt laut dem Magazin 55 Prozent der Shutterstock-Aktien. Diese seien im Juni mit einer Milliarde Dollar bewertet worden. Shutterstock hat eine Millionen aktive Nutzer und arbeitet mit 60.000 Künstlern auf der ganzen Welt zusammen. 40 Millionen Fotos mit geklärten Rechten sind auf der Plattform gespeichert. Wöchentlich werden 100.000 neue hochgeladen. Pro Sekunde verkauft das Unternehmen im Schnitt vier Bilder.

Internationalisierung sei für das Unternehmen ein sehr wichtiges Thema, sagt Gerd Mittmann, der für die internationale Strategie von Shutterstock zuständig ist. Mittmann arbeitet seit drei Jahren für das Unternehmen. "Als ich angefangen habe, war ich der erste Mitarbeiter außerhalb von New York. Mittlerweile sind es 50 Mitarbeiter außerhalb der US-Metropole, die in 21 Ländern sitzen." In Berlin waren es zu Beginn fünf Mitarbeiter, mittlerweile seien es 28.

Warum der Umzug in die deutsche Hauptstadt notwendig war? "Vor allem wegen des klassischen Customer Supports, den wir zuvor mit einem Team aus verschiedenen Muttersprachlern von New York aus geleistet haben. Je nach zuständiger Region mussten unsere Mitarbeiter aber zum Teil nachts arbeiten. Deshalb hat es sich angeboten, umzuziehen und von Berlin aus Europa abzudecken." Die deutsche Hauptstadt habe sich dafür sehr gut geeignet, weil man in Berlin sehr viele Nationalitäten finde, erklärt Mittmann. Das Verkaufsteam fokussiert nun auch Großkunden. Außerdem liege der Schwerpunkt des Berliner Büros in der mobilen Produktentwicklung.

Natürlich konkurrieren einige Unternehmen, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander ansiedeln, auch miteinander — um Mitarbeiter, Geldgeber und Kunden. Aber es kann auch Vorteile haben, wenn der schärfste Widersacher nur ein paar Straßen entfernt sitzt. Auch deshalb sollte die Startup-Szene in Berlin ihren Kurs beibehalten. Denn der schafft nachweislich Arbeitsplätze, Steuereinnahmen, Vermögen und Wohlstand.

Dieser Text ist ursprünglich in der Sonntagsausgabe der Rheinischen Post erschienen, die exklusiver Bestandteil der Rheinische Post App ist. Diese App ist für das iPad sowie alle Tablets mit Android-Betriebssystem verfügbar. Mehr Infos unter www.rp-app.de

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