Wollseifer fordert im Gegenzug Erleichterungen Handwerk bildet Flüchtlinge aus

Berlin · Betriebe sind bereit, viel mehr jungen Asylbewerbern eine Lehrstelle anzubieten. Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer fordert dafür weitere Erleichterungen. Der Fall Reem löst eine neue Zuwanderungsdebatte aus.

 Hans Peter Wollseifer (59) ist seit Anfang des vergangenen Jahres Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks.

Hans Peter Wollseifer (59) ist seit Anfang des vergangenen Jahres Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Das deutsche Handwerk hat seine Bereitschaft erklärt, noch deutlich mehr jugendliche Flüchtlinge auszubilden als bislang. "Die Gesellschaft muss sich für die vielen jungen Menschen einsetzen, die durch Krieg und Vertreibung zu uns kommen. Das Handwerk ist bereit dazu", sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer unserer Redaktion.

"Die Betriebe wünschen sich jedoch einen belastbaren Rechtsrahmen, denn sie gehen mit der Ausbildung auch ein Kostenrisiko ein", sagte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). "Unsere Handwerksunternehmer erwarten, dass kein junger Flüchtling während der dreijährigen Ausbildungszeit ausgewiesen wird — und möglichst auch weitere zwei Jahre in Deutschland arbeiten kann", forderte Wollseifer.

Der Bundestag hatte erst unlängst beschlossen, jugendliche Flüchtlinge, die einen Ausbildungsplatz haben, zunächst für ein Jahr zu dulden — unabhängig davon, ob sie asylberechtigt sind oder nicht. Die Duldung soll in jedem weiteren Jahr überprüft werden. Diese Regelung gilt nicht für junge Flüchtlinge, die bereits älter als 21 Jahre sind.

Dem Handwerk gehen diese Neuregelungen nicht weit genug. "Viele junge Flüchtlinge, die eine Ausbildung beginnen wollen, sind aber schon 22 oder älter, weil sie durch den Krieg wichtige Jahre verloren haben. Der faktische Druck zu weiteren Änderungen wird wachsen", sagte Wollseifer. Für das Handwerk spielt dabei auch eine Rolle, dass ihm der Nachwuchs ausbleibt.

Auch der Fall des palästinensischen Mädchens Reem Sahwil löste eine Debatte über den Umgang mit jungen Asylbewerbern aus. Das 14-jährige Mädchen hatte vergangene Woche beim "Bürgerdialog" in Rostock mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in perfektem Deutsch von ihrer bevorstehenden Abschiebung berichtet. Merkel hatte erklärt, Deutschland könne nicht alle Flüchtlinge aufnehmen, Reem dann aber tröstend gestreichelt, nachdem diese in Tränen ausgebrochen war.

Für Reem Sahwil soll jetzt voraussichtlich schon das gerade erst beschlossene neue Bleiberecht gelten, wonach Kinder, die seit mindestens vier Jahren in eine deutsche Schule gehen und gut integriert sind, mit ihren Erziehungsberechtigten nicht abgeschoben werden sollen.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann bekräftigte anlässlich des Falles seine Forderung nach einem Einwanderungsgesetz: "Es läuft etwas grundfalsch in Deutschland, wenn wir einerseits mehr Nachwuchs brauchen und andererseits junge, gut integrierte Flüchtlinge von der Abschiebung bedroht sind", sagte er der "Welt am Sonntag". "Ich will deshalb ein Einwanderungsgesetz, bei dem alle Einwanderer schnell Klarheit haben, ob sie bleiben können oder nicht." Die Union lehnt ein Einwanderungsgesetz ab.

Ein Vorstoß der Bundesagentur für Arbeit (BA) erhielt mehr Unterstützung. Vorstandsmitglied Raimund Becker hatte gegenüber unserer Redaktion erklärt, auch hochqualifizierte Asylbewerber müssten die "Blue Card" ("Blaue Karte") der EU beantragen können, die ihnen den Weg auf den Arbeitsmarkt auch dann ebnet, wenn ihr Asylantrag abgelehnt wird.

Während Teile der Union den Vorstoß begrüßten, sagte Innen-Staatssekretär Günter Krings (CDU): "Wenn wir Zuwanderungswilligen sagen: Kommt erst mal her, dann sehen wir, ob ihr über den Asylantrag oder die Blue Card bleiben könnt, würde das enorme zusätzliche Anreize für den Missbrauch des Asylverfahrens schaffen. Die Asylbewerberzahlen würden deutlich in die Höhe schnellen." Deshalb lehne er es ab, "das Asylverfahren mit der Blue Card zu vermischen".

(mar)
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