Düsseldorf Heißer Herbst für den deutschen Stahl

Düsseldorf · Dass es in Europa zu Zusammenschlüssen von Stahlherstellern kommen muss, bestreitet in der Branche kaum jemand. In den nächsten Monaten wird sich entscheiden, ob wirtschaftlich sinnvolle Lösungen obsiegen – oder politische.

Heißer Herbst für den deutschen Stahl
Foto: Schnettler

Dass es in Europa zu Zusammenschlüssen von Stahlherstellern kommen muss, bestreitet in der Branche kaum jemand. In den nächsten Monaten wird sich entscheiden, ob wirtschaftlich sinnvolle Lösungen obsiegen — oder politische.

Es gibt wenige Branchen, in denen die Verbindungen von Politik und Wirtschaft so eng sind wie im Stahl. Vorstände deutscher Stahlkonzerne zählten in ihrer früheren Karriere nicht selten zum Spitzenpersonal der SPD. Ex-Dillinger-Hütte-Chef Karlheinz Blessing ist dafür ein Beispiel. Oder Thyssenkrupp-Steel-Arbeitsdirektor Thomas Schlenz.

Wie kurz die Wege in die Politik sind, zeigt sich in diesen Tagen erneut. Vor wenigen Wochen war es, da suchten Vertreter der NRW-Landesregierung das Gespräch mit den SPD-Parteifreunden in Hannover. Thema: die bevorstehende Konsolidierungsrunde in der Stahlindustrie. Es soll darum gehen, ob nicht eine Zusammenlegung der Stahl-Sparten von Thyssenkrupp Steel und Salzgitter die viel sinnvollere Alternative wäre, wenn denn eine Konzentration in der Branche schon nicht zu vermeiden ist.

Zusammenschluss würde aus rein ökonomischer Sicht Sinn machen

Die Sache ist brisant, denn es stehen viele Arbeitsplätze auf dem Spiel. Allein am Standort Duisburg hat Thyssenkrupp Steel rund 14.000 Beschäftigte. Schon seit Monaten spricht der Ruhrkonzern mit der indischen Tata über einen Zusammenschluss der beiden Stahlsparten, wie inzwischen beide Konzerne bestätigten.

Ein solcher Zusammenschluss würde aus rein ökonomischer Sicht durchaus Sinn machen: Die Produkte beider Stahlhersteller ähneln einander. Dass im Falle einer Fusion in NRW Kapazitäten gekürzt würden, gilt daher als wahrscheinlich. Zumal Tata im niederländischen Ijmuiden über ein Stahlwerk mit direktem Zugang zum Meer verfügt — ein Vorteil für einen Stahlhersteller, der Rohstoffe wie Erz oder Kohle von Übersee herbeischaffen muss.

Doch die Gespräche zwischen Tata und Thyssenkrupp kamen dem Vernehmen nach zuletzt nicht recht voran. Eine Ursache dafür sei der Brexit. Tata Europe muss zunächst eine Lösung für das marode britische Werk Port Talbot finden, bevor Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger seinen Aktionären eine Fusion mit den Indern schmackhaft machen kann. Und diese Lösung ist in Großbritannien bisher nicht in Sicht. Von einer Fusion sind die Konzerne daher noch ein Stück weit entfernt. In die Bücher hätten sie sich gegenseitig noch nicht geschaut, verlautete aus informierten Kreisen.

Wie groß die Unsicherheit in der Thyssenkrupp-Belegschaft ist, zeigte sich erst in der vergangenen Woche, als Tausende Stahlarbeiter vor den Werkstoren in Duisburg demonstrierten. Wenn die NRW-Landesregierung in dieser Situation untätig bleibt, könnte sie das bei den bevorstehenden Landtagswahlen wertvolle Wählerstimmen kosten.

Land Niedersachsen an Salzgitter mit 26,5 Prozent beteiligt

Doch in Niedersachsen trafen die Avancen aus Nordrhein-Westfalen bisher offenbar nicht auf große Gegenliebe. Zwar könnte Salzgitter unter Wettbewerbsdruck geraten, wenn mit "Thytata", wie das Fusionsvorhaben intern spöttisch heißt, ein neuer Branchenriese entsteht. Für Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) war Salzgitter jedoch bisher stets eine feste Bank — im Gegensatz zur anderen großen industriellen Landesbeteiligung VW. Der Stahlkonzern liefert trotz branchenweiter Überkapazitäten stabile Dividenden ab und fährt einen Sanierungskurs, dessen erste Erfolge gerade sichtbar werden.

Auch in den Jahren der Krise stand Salzgitter wegen seiner konservativen Finanzpolitik bilanziell durchweg besser da als Thyssenkrupp: Während der große Rivale von der Ruhr heute mit einer Eigenkapitalquote von 7,9 Prozent recht knapp ausgestattet ist, kommt Salzgitter auf 32 Prozent. Auch beim Cashflow schneidet Salzgitter deutlich besser ab.

"Das Land Niedersachsen müsste mit dem Klammerbeutel gepudert sein, wenn es sich auf eine Stahlfusion mit Thyssenkrupp einließe", sagte ein Analyst. Im Falle einer Fusion würde zudem der Einfluss des Landes auf den Konzern und damit auch auf die Arbeitsplätze schwinden. Das Land Niedersachsen ist an Salzgitter mit 26,5 Prozent beteiligt. Aus Sicht vieler Analysten wäre die Tata-Thyssen-Lösung eindeutig die bessere. Den größten Widerwillen gegen eine nationale Stahl-Lösung hegt aber Salzgitter-Chef Fuhrmann. "Die Position der niedersächsischen Landesregierung ist eindeutig. Sie steht fest an unserer Seite", lässt er mitteilen.

(maxi)
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