Nach Entlassungen im Vorstand Hiesinger will bei Thyssen durchregieren

Essen · Der ThyssenKrupp-Chef wird die Vorstandsposten für Stahl und Technologie nicht neu besetzen. Das gesamte operative Geschäft soll direkt an ihn berichten. Die Abfindungen für die geschassten drei Vorstände wackeln.

ThyssenKrupp trennt sich von drei Vorständen
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ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger (52) will den Vorstand verkleinern und den schwer angeschlagenen Dax-Konzern straffer führen. Die Vorstandsposten für die operativen Geschäftsfelder Stahl und Technologie werden voraussichtlich nicht wieder besetzt.

Die darin gebündelten "Business Areas", auf die der Konzern seine Produktion von Stahl, Aufzügen, Großanlagen und Dienstleistungen verteilt hat, sollen künftig offenbar direkt an Hiesinger berichten. Das erfuhr unsere Redaktion am Freitag aus Kreisen des Aufsichtsrates und des Managements von ThyssenKrupp.

Hiesinger will die neue Vorstandsstruktur anlässlich der Vorlage der neuen Bilanz am kommenden Dienstag bekanntgeben. Montag soll der Aufsichtsrat der neuen Vorstandsstruktur zustimmen. Damit reagiert der 62-Jährige, der vor zwei Jahren von Siemens zu ThyssenKrupp kam, auf milliardenschwere Fehlinvestitionen des Konzerns sowie einen Eklat vom vergangenen Mittwoch, als der Aufsichtsrat die Entlassung von drei ThyssenKrupp-Vorständen eingeleitet hat.

Gutachten soll Druck von Cromme nehmen

Nach dem formal noch nicht beschlossenen, aber faktisch bereits erfolgten Ausscheiden der Vorstände Olaf Berlien (Technologies), Edwin Eichler (Stahl) und Jürgen Claassen (Kommunikation) besteht der Vorstand derzeit neben Hiesinger nur noch aus Ralph Labonte (Personal) und Guido Kerkhoff (Finanzen). Labonte soll Ende April vom ehemaligen IG-Metall-Funktionär Oliver Burkhard abgelöst werden. Kerkhoff kam im April 2011 von der Telekom zu ThyssenKrupp und soll Konzernvorstand bleiben. Ein Konzernsprecher wollte sich zu dem Vorstandsumbau nicht äußern.

Außerdem wird Hiesinger am Dienstag ein Gutachten präsentieren, das den Aufsichtsrat erneut von einer Mitverantwortung an der Schieflage von ThyssenKrupp freizusprechen versucht. Ein ähnliches Gutachten wurde den Aktionären schon bei der Hauptversammlung im Januar präsentiert.

Das neue Gutachten soll den Druck von Aufsichtsratschef Gerhard Cromme nehmen. Der ehemalige Krupp-Chef steht seit 2001 an der Spitze des Kontrollgremiums von ThyssenKrupp. Unter seiner Aufsicht explodierten die Kosten für zwei Stahlwerke, die der Konzern in den USA und in Brasilien gebaut hat, von ursprünglich geplanten vier Milliarden auf zwölf Milliarden Euro. Diese Kostenexplosion sowie der weiterhin hoch defizitäre Betrieb der Übersee-Stahlwerke haben den größten Anteil an der Notlage.

Claassen stehen 3,2 Millionen Euro zu

In dem neuen Gutachten des Berliner Experten für Corporate Governance (rechtschaffene Unternehmensführung), Axel von Werder, heißt es, der ehemalige Vorstand unter Hiesingers Vorgänger Eckehard Schulz habe den Aufsichtsrat "viel zu optimistisch und im Nachhinein falsch" über die Stahlwerksprojekte in Übersee informiert. Deshalb habe der Aufsichtsrat keinen Anlass zur Intervention gehabt.

Ein weiteres Gutachten der Großkanzlei Linklaters soll bis zur nächsten Hauptversammlung am 18. Januar eventuelle Schadensersatzansprüche an die geschassten Top-Manager Berlien und Eichler prüfen, die als Ex-Vorstände die desaströsen Investitionsentscheidungen mitentschieden haben.

Nach Informationen unserer Redaktion hält der Aufsichtsrat Schadensersatzforderungen aber für juristisch nicht durchsetzbar. Stattdessen will er am Montag diskutieren, ob Eichler, Claassen und Berlien ihre Abfindungen zurückzahlen müssen. Einem Bericht der "Financial Times Deutschland" zufolge, den Aufsichtsratskreise am Freitag bestätigten, stehen Claassen laut Vertrag 3,2 Millionen Euro Abfindung zu, Berlien und Eichler je vier Millionen Euro.

(RP/das)
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