Interview mit Ingo Kramer Arbeitgeberpräsident: "Zur Korruption gehören immer zwei"

Berlin · Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer spricht im Interview über Kritik an deutschen Firmen in Griechenland, neue Arbeitsgesetze und Gehälter der Frauen.

Ingo Kramer ist Arbeitgeberpräsident
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In Europa formiert sich Widerstand gegen die Krisenstrategie für Griechenland: Es sei kaputtgespart worden. Ist da etwas Wahres dran?

Kramer Nein, aber der neue griechische Regierungschef Tsipras hat an einer Stelle Recht: Seine Vorgänger haben nicht genug getan, um Griechenland wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Auch bei uns hat die Reformagenda 2010 erst nach einigen Jahren die volle Wirkung entfaltet. So einen Reformprozess muss man durchhalten können und wollen. Andere, wirtschaftlich schwächere Länder leben auch erfolgreich im Euro. Den baltischen Staaten ist der Euro auch nicht in den Schoß gefallen.

Wie sieht diese richtige Politik aus?

Kramer Griechenland braucht Reformen und Vertrauen. Die letzten Monate haben dazu geführt, dass Investoren und sogar die Griechen selbst das Vertrauen in ihr Land verloren haben. Das Vertrauen wiederzugewinnen, ist die wichtigste Aufgabe von Herrn Tsipras. Wenn man aber zu jemandem sagt, leihe mir bitte mehr Geld, aber ich zahle es nicht zurück, steigert das nicht das Vertrauen, und es führt auch nicht zu mehr Kreditwürdigkeit.

Welche Wirkungen hätte ein Euro-Austritt auf die deutsche Wirtschaft?

Kramer Es wäre für die deutsche Wirtschaft kein Riesenproblem. Aber ein Euro-Austritt würde Zweifel an der Zukunftsfähigkeit der EU und des Euro schüren, und das wäre nicht gut für den Standort Europa insgesamt. Die EU muss zusammenhalten. Aber gegen den Willen eines Mitglieds kann das natürlich nicht funktionieren.

Welche Mitverantwortung trägt die deutsche Wirtschaft an der Korruption in Griechenland? Dort wird stets Siemens als Missetäter genannt.

Kramer Nein, das sehe ich nicht so. Einzelfälle kann ich nicht beurteilen. Zur Korruption gehören generell immer zwei: einer, der gibt, und einer, der nimmt. Keiner gibt gerne freiwillig. Das tut er nur, wenn ein anderer etwas fordert. Korruption ist nie gerechtfertigt.

Die Arbeitsministerin möchte vorschreiben, dass Zeitarbeitnehmer nach neun Monaten genauso viel verdienen wie Stammarbeitskräfte. Wie reagieren die Arbeitgeber?

Kramer Für einen Großteil der Zeitarbeitnehmer gibt es bereits Branchenzuschlagstarifverträge, die die stufenweise Angleichung der Löhne der Zeitarbeitnehmer an die Stammbelegschaften nach wenigen Monaten vorsehen. Deshalb gibt es hier gar keinen Handlungsbedarf für den Gesetzgeber. Wo es Lücken gibt, können Tarifpartner die Lücke schließen, nicht der Gesetzgeber.

Der Vorwurf lautet, dass Betriebe mit Zeitarbeitern die Löhne drücken...

Kramer Die Zeitarbeit zahlt flächendeckend Tariflöhne und ist ein Instrument, um flexibel auf Auslastungsschwankungen zu reagieren. Das hat gar nichts mit den Löhnen zu tun. Wenn man das gesetzlich einengt, reduziert man die Flexibilität der Unternehmen.

Stört Sie auch die geplante Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten?

Kramer Die allermeisten Zeitarbeitnehmer werden für eine kürzere Zeit als 18 Monate in einen Betrieb entsandt. Wenn Zeitarbeitnehmer länger als 18 Monate beschäftigt werden, sollte das aufgrund eines Tarifvertrags oder von Betriebsvereinbarungen weiter möglich sein.

Die Arbeitsministerin möchte auch den Einfluss der Betriebsräte auf Werkverträge im Betrieb gesetzlich ausweiten. Wie finden Sie das?

Kramer Laut Koalitionsvertrag geht es um mehr Informationsrechte der Betriebsräte über Werkvertragsarbeitnehmer im Betrieb. Diese Informationsrechte bestehen heute aber schon. Deshalb ist kein neues Gesetz für Werkverträge erforderlich.

Hat es Sie gefreut, dass Kanzleramtschef Altmaier Nahles´ Arbeitsstättenverordnung gestoppt hat?

Kramer Das ist keine Frage von Freude. Das war eine Notbremse. Wir haben oft genug vorher gewarnt, dass hier ein absurdes Bürokratiemonster geplant wird. Jetzt gibt es konstruktive Gespräche mit der Regierung. So, wie sie auf dem Tisch lag, kommt die Arbeitsstättenverordnung nicht mehr. Was an groben Schnitzern drin war, etwa die abschließbaren Schränke für jeden Arbeitnehmer oder das Verbot fensterloser Pausenräume, muss raus.

Die Koalition plant ein Gesetz zur Entgeltgleichheit von Männern und Frauen. Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten sollen über die Gehaltsstruktur informieren. Gut so?

Kramer Es ist heute schon gesetzlich vorgeschrieben, dass Männer und Frauen bei gleicher Tätigkeit und gleicher Qualifikation gleich bezahlt werden müssen. Tarife sind öffentlich bekannt, die können sie im Internet nachlesen. Wenn aber betriebsintern permanent öffentlich gemacht werden muss, wer was verdient, dann gefährden sie den Betriebsfrieden und schüren Misstrauen. Wenn eine Mitarbeiterin das Gefühl hat, sie werde ungerecht behandelt, muss sie zum Arbeitgeber und zum Betriebsrat gehen.

Betriebsräte handeln doch keine individuellen Arbeitsverträge aus!

Kramer Aber der Betriebsrat hat Informationsansprüche. In unserem Unternehmen kommt der Betriebsrat zweimal im Jahr und macht Vorschläge über die Bezahlung der Mitarbeiter. Das ist bei uns normal. Dass Frauen generell in der gleichen Position weniger verdienen, stelle ich in Abrede. Geringere Gehälter für Frauen erklären sich oft mit der Berufswahl sowie Erwerbsunterbrechungen.

Birgit Marschall führte das Gespräch.

(mar)
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