Berlin Jeder Zweite wird ein Pflegefall

(RP). Mit einem Rechtsanspruch auf Pflegezeit für Beschäftigte stößt Familienministerin Kristina Schröder (CDU) eine überfällige Debatte an. Die Zahl der Bedürftigen wächst, die pflegenden Angehörigen sind oft überfordert.

Pflege: Fakten aus der Allensbach-Studie 2009
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Pflege: Fakten aus der Allensbach-Studie 2009

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Foto: ddp

Das Risiko, im Alter zum Pflegefall zu werden, ist hoch. Laut einer Studie der Gmünder Ersatzkasse (GEK) war 2007 jeder zweite Verstorbene in Deutschland vor seinem Tod ein Pflegefall. Seit 1996 hat sich die Zahl der Pflegebedürftigen verdoppelt. Anlass genug für Familienministerin Kristina Schröder (CDU), Organisation und Finanzierung der Pflege in Deutschland zu diskutieren.

Wer zahlt für die Pflege?

Die gesetzliche Pflegeversicherung wurde 1995 analog zur Krankenversicherung als Umlagesystem eingeführt. Die Hilfen der Pflegekasse werden je nach Grad der Bedürftigkeit gewährt durch Zahlung eines Pflegegeldes bei ehrenamtlicher Pflege (wird bis 2012 stufenweise angehoben) oder durch Übernahme der Pflegekosten bei professioneller, ambulanter oder stationärer Pflege. Oft ersetzt die Solidarversicherung die Kosten nur teilweise. Ein Pflegeheim kostet zwischen 900 und 3500 Euro pro Monat. Je nach Pflegebedürftigkeit (Stufen) zahlt die Pflegekasse dazu. Der Eigenanteil bei Pflegestufe I liegt in einem preiswerten Heim etwa bei 900 Euro. Teilweise sind die Pflegekosten von der Steuer absetzbar. Die schwarz-gelbe Bundesregierung will nun eine kapitalgedeckte, private Vorsorge bei der Pflegeversicherung einbauen.

Wie viele benötigen Hilfe?

Laut Statistischem Bundesamt beziehen knapp 2,3 Millionen Menschen in Deutschland Leistungen aus der Pflegeversicherung. Die Zahl der Hilfsbedürftigen nimmt aufgrund der Alterung der Gesellschaft rasant zu.

Wer pflegt die Hilfsbedürftigen?

Die große Mehrheit der Pflegebedürftigen, 1,5 Millionen, wird von Angehörigen und ambulanten Pflegediensten zuhause versorgt. Zehntausende kommen jährlich hinzu. Nur mit Hilfe der nach Schätzungen der Bundesregierung rund 60 000 Altenpflegerinnen aus Osteuropa, die meist illegal die Alten versorgen, lässt sich das System aufrechterhalten.

Beschäftigte, die ihre Angehörigen pflegen, können sich bis zu sechs Monate unbezahlt vom Arbeitgeber freistellen lassen, sofern der Betrieb mehr als 15 Beschäftigte hat. Der Arbeitnehmer bekommt kein Gehalt, bleibt aber rentenversichert. In Pflegeheimen leben außerdem 700 000 Männer und Frauen. Der Anteil der Frauen an den Pflegekräften beträgt 86 Prozent.

Was will die Familienministerin?

Kristina Schröder (CDU) will die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege verbessern, um sowohl die berufstätigen Pflegenden als auch die Staatskasse zu entlasten. Jedes Familienmitglied, das einen Angehörigen pflegt, entlastet die Pflegekasse. "Das ist für den Staat die billigere Version", sagt der Volkswirtschafts-Professor Bernd Raffelhüschen. "Ob es auch eine gute Pflege ist, wage ich aber zu bezweifeln."

(RP)
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