Prozess um HSH Nordbank Jetzt sitzt "Dr. No" auf der Anklagebank

Hamburg · Einst konnte er die HSH Nordbank wirtschaftlich stabilisieren, doch dann kam der Abstieg für Dirk Jens Nonnenmacher. Ab diesem Mittwoch muss sich der Mathematikprofessor, der intern "Dr. No" genannt wurde, vor Gericht verantworten – neben fünf weiteren ehemaligen Vorstandsmitgliedern.

Einst konnte er die HSH Nordbank wirtschaftlich stabilisieren, doch dann kam der Abstieg für Dirk Jens Nonnenmacher. Ab diesem Mittwoch muss sich der Mathematikprofessor, der intern "Dr. No" genannt wurde, vor Gericht verantworten — neben fünf weiteren ehemaligen Vorstandsmitgliedern.

Es ist das erste Mal überhaupt, dass sich ein gesamter Vorstand wegen eines Geschäftes in der Finanzkrise verantworten muss. Auch deshalb erhoffen sich viele eine Signalwirkung vom Prozess.

Er ist die wohl schillernste Figur in dem an diesem Mittwoch vor dem Hamburger Landgericht beginnenden Prozess: Dirk Jens Nonnenmacher. Er schaffte es, die HSH Nordbank wieder zu stabilisieren, nachdem sie 2008 massiv unter der Finanzkrise litt und ihn als Vorstandschef holte. Doch in seine Zeit fielen jede Menge Skandale. So wurde ein Vorstand zu Unrecht entlassen, ein hoher Mitarbeiter in New York wurde mit falschen Kinderpornovorwürfen konfrontiert.

Irgendwann war es den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein genug, Nonnenmacher musste gehen. Im November vergangenen Jahres schließlich die Hausdurchsuchung bei Nonnenmacher, die Staatsanwaltschaften in Hamburg und Kiel ermitteln gegen den ehemaligen Vorstandschef. Vor Gericht steht Nonnenmacher ab diesem Mittwoch aber wegen einer anderen Geschichte. Damals war er erst wenige Wochen im Vorstand der HSH Nordbank. Doch der Mathematikprofessor sitzt nicht allein auf der Anklagebank.

Mit Milliardenhilfe der Länder gerettet

Neben ihm sind fünf weitere Männer angeklagt. Vor fünfeinhalb Jahren bildeten sie den Vorstand der HSH Nordbank. Nun müssen sie sich wegen Untreue in einem besonders schweren Fall vor Gericht verantworten. 600 Seiten dick ist die Anklageschrift, Dutzende Zeugen wurden von den Ermittlern vernommen, mehr als 40 Verhandlungstermine sind angesetzt. Die Angeklagten selbst aber streiten alle Vorwürfe ab.

Es geht um ein Überkreuzgeschäft mit dem Codenamen "Omega 55", die nach Darstellung der Staatsanwaltschaft einen Millionenschaden verursacht hat. Omega ist der Name einer Zweckgesellschaft, die von der HSH Nordbank gemeinsam mit der französischen Großbank BNP Paribas gegründet worden war. In diese Gesellschaft brachte die HSH Immobilienkredite im Volumen von zwei Milliarden Euro ein und musste sie dadurch nicht mehr mit Eigenkapital unterlegen. Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass die Bank so vor dem Börsengang ihre Eigenkapitalquote "optimieren" wollte.

Das Problem an dem Geschäft war auch, dass die HSH im Gegenzug zu den Immobilienkrediten das Risiko für ein Wertpapierportfolio der BNP Paribas übernehmen musste. Darin befanden sich unter anderem isländische Anleihen und Zertifikate der Pleitebank Lehman Brothers. Die Folge: Die Papiere verloren so an Wert, dass die Bank eine halbe Milliarde Euro abschreiben musste. Die Belastungen führten beinahe zur Pleite der Bank, mit einer Milliardenhilfe der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein wurde sie vor dem Aus gerettet.

Vorstandschef der Bank war Hans Berger, der wegen der Affäre später auch seinen Platz räumen musste. Zu dieser Zeit hatte die HSH Nordbank Geld vermehrt in neuartige Finanzprodukte, die sich später als sehr riskant rausstellten, investiert als ins klassische Kreditgeschäft. Das Risikomanagement des Geldinstituts lag am Boden. "Das konnte nur passieren, weil die Kultur der Bank zu diesem Zeitpunkt das zuließ", hieß es aus Kreisen des Aufsichtsrats."

Nonnenmacher auch wegen Bilanzfälschung angeklagt

Auch die ehemalige Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, Heide Simonis (SPD), hatte im März 2010 vor dem HSH-Untersuchungsausschuss erklärt, welche Stimmung damals rund um die Bank herrschte. "Die Bank wuchs, die Bank lieferte ab", zitierte sie damals das "Hamburger Abendblatt". "Es gab keine Hinweise, dass etwas bröckeln könnte." Schon ein Jahr zuvor hatte sie der Zeitung gesagt: "Wir waren damals alle mehr oder minder besoffen von der Idee, dass die HSH Nordbank als Global Player immer satte Gewinne einfährt."

Es war ein riskantes Spiel, dass damals viele Banker eingingen. In der Finanzkrise mussten dann viele von ihnen weltweit mit staatlichem Geld vor dem Aus gerettet werden, andere gingen Pleite. Der Schaden ging in die Milliarden. Auch dem Vorstand der HSH Nordbank wird nun vorgeworfen, dass sie auf Grundlage der ihnen vorgelegten Unterlagen die Chancen und Risiken des "Omega"-Geschäftes gar nicht hinreichend hätten prüfen können, und damit ihre Pflichten verletzt hätten. Zudem sind zwei Angeklagte, darunter Nonnenmacher" wegen Bilanzfälschung angeklagt.

Aber nicht alle Experten rechnen damit, dass die sechs Angeklagten überhaupt verurteilt werden. Denn Verfahren werden nicht selten gegen Geldauflagen eingestellt, weil Untreue juristisch oft unterschiedlich bewertet wird. "Ich bezweifle, dass sich die Grenze zwischen einem riskanten Geschäft und strafbewehrter Untreue eindeutig ziehen lässt", sagt etwa auch ein Aufsichtsrat. Bis dahin kann es aber noch eine Weile dauern, denn mit einem Urteil wird erst im nächsten Jahr gerechnet.

mit Agenturmaterial

(das)
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