100 Tage im Amt John Cryan krempelt die Deutsche Bank um

Frankfurt/Main · "John Cryan gibt Gas bei der Deutschen Bank" - so oder ähnlich war es in den vergangenen Wochen zu lesen. Seit der neue starke Mann am 1. Juli an die Konzernspitze rückte, ist einiges in Bewegung gekommen bei Deutschlands größtem Geldhaus.

 John Cryan kehrt mit eisernem Besen

John Cryan kehrt mit eisernem Besen

Foto: ap

Das Geschäft in Russland wird eingedampft, im Privatkundengeschäft gibt es ein neues Führungsteam und angeblich stehen über die Trennung von der Postbank hinaus weitere 8000 bis 10.000 Stellen im Konzern auf der Kippe. Cryan zieht intern die Strippen, daran zweifelt kein Beobachter. Öffentlich macht sich der Co-Chef, der nach der Hauptversammlung Mitte Mai 2016 alleiniger Vorstandsvorsitzender werden soll, bislang rar. An diesem Donnerstag ist Cryan 100 Tage im Amt.

Immerhin ließ der ehemalige Finanzvorstand der Schweizer Großbank UBS von Anfang an keinen Zweifel, wie er die Bank führen wird. Cryan will sich nicht Durchwurschteln und das ramponierte Image der Bank vorübergehend aufpolieren ("Den Status quo beizubehalten, ist keine Option."). Teure Skandale sollen ein für alle Mal abgestellt werden.
"Wir müssen diszipliniert sein bei der Frage, wie, wo und mit wem wir Geschäfte tätigen. Wir müssen alle Länder, Geschäftsfelder, Produkte und Geschäftsbeziehungen, die ökonomisch nicht vertretbar sind, kritisch betrachten", betonte der Manager bei der Vorlage der Halbjahresbilanz Ende Juli.

Auch an die verschachtelten Strukturen des Weltkonzerns will Cryan ran: "Unser Geschäftsmodell muss einfacher werden. Zudem müssen wir interne Barrieren überwinden und eine Kultur der Zusammenarbeit schaffen". Die Bank habe "zugelassen, zu ineffizient zu sein". Prozesse seien "ineffektiv", die IT "veraltet", das führe zu "inakzeptabel hohen" Kosten. Noch im Oktober will die Bank die Öffentlichkeit wissen lassen, an welchen Stellschrauben gedreht wird.

Die Deutsche Bank hat keine Zeit zu verlieren. Die Konkurrenz läuft ihr davon. Die zehn führenden US-Banken sind allesamt deutlich profitabler, allen voran der Finanzriese JPMorgan, der in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres umgerechnet fast elf Milliarden Euro Gewinn eingefahren hat. Die Deutsche Bank kam für das erste Halbjahr 2015 gerade mal auf knapp 1,4 Milliarden Euro Überschuss - und steht damit selbst im europäischen Wettbewerb eher bescheiden da. In einer Auflistung des Beratungsunternehmens EY landet die Deutsche Bank unter den Top-10 der europäischen Großbanken nur auf Platz 8.

Auch intern scheint die Hoffnung auf Wandel groß: Immer neue Skandale und Personalquerelen haben die Stimmung bei vielen Mitarbeitern gedrückt. In einer jüngst vom "Handelsblatt" zitierten internen Umfrage gab nur noch jeder zweite Deutsch-Banker (53 Prozent) an, er identifiziere sich mit seinem Arbeitgeber.

Nach der Entmachtung von Anshu Jain und Cryans Berufung gab es viele Vorschusslorbeeren für den Briten. An der Börse sind die Erwartungen nun schon fast erdrückend groß. Viele Analysten sind ernüchtert von den vergangenen Jahren bei der Deutschen Bank, als viele Ankündigungen zum Kostensenken nicht eingehalten habe. "Ein Abbau von zehn Prozent der Stellen neben der Trennung von der Postbank würde die Glaubwürdigkeit tatsächlich steigern", fasste zuletzt der Analyst Jon Peace von der Bank Nomura die Erwartungen zusammen.

Nun muss Cryan liefern. Doch zuletzt wuchsen bereits Zweifel, ob es zum ersehnten Befreiungsschlag kommt. Denn der würde wohl viel Geld kosten. Geld, das bei der Deutschen Bank auch wegen der schwebenden juristischen Verfahren knapp ist.

An Entschlossenheit scheint es dem Briten dennoch nicht zu mangeln. Und: Cryan ist bereit, über sein Haus hinaus Verantwortung für die Branche zu übernehmen: Er will das Institut persönlich im Vorstand des Bankenverbandes in Berlin vertreten.

(dpa)
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