Interview mit Postvorstand Jürgen Gerdes "Unsere Kunden sind begeistert vom Paketbriefkasten"

Düsseldorf · Im Interview mit unserer Redaktion spricht Jürgen Gerdes über den Erfolg der neuen Paketbriefkästen, eine mögliche Erhöhung der Portokosten und die Investitionen in den E-Commerce-Markt.

 Postvorstand Jürgen Gerdes sieht die Einführung der Paketbriefkästen als vollen erfolg.

Postvorstand Jürgen Gerdes sieht die Einführung der Paketbriefkästen als vollen erfolg.

Foto: dpa

Herr Gerdes, die Post bietet seit drei Monaten Paketbriefkästen an, mit denen Kunden ihre Lieferungen jederzeit zu Hause erhalten können. Wie ist die Resonanz?

Gerdes: Exzellent, unsere Kunden sind begeistert. Der Paketbriefkasten ist die beste Erfindung in der Logistikbranche seit dem Briefkasten. Wir sind mit der Entwicklung sehr zufrieden. Wenn wir in den nächsten Monaten ab Herbst aktiv für das Produkt werben, wird die Nachfrage weiter anziehen. Unsere Briefträger werden viele Haushalte direkt auf das Angebot ansprechen.

Der Preis von bis zu 500 Euro ist nicht wirklich günstig.

Gerdes: Gemessen am Nutzen ist der Paketbriefkasten keineswegs teuer. Immerhin gibt es ihn bereits ab 99 Euro in der kleinen Version und er kann bereits ab 1,99 Euro im Monat gemietet werden. Als Gegenleistung verpasst der Kunde dann über viele Jahre lang kein Paket, er muss auch niemals darauf warten. Und als Bonbon kann er vom Paketkasten aus Pakete und Warenrücksendungen abholen lassen. Das erspart viel Arbeit.

Kunden ohne eigenes Haus können das Angebot nicht nutzen.

Gerdes: Richtig ist: Es muss im Vorgarten, am Haus oder auch im Hof genug Platz für den Paketkasten da sein. Und Mieter müssen sich mit dem Hausbesitzer über den Aufbau des Paketbriefkastens einigen. Damit sehen wir in den Vororten und auf dem Land einen riesigen Markt, wogegen Kunden in den Innenstädten eben unsere mittlerweile 2650 Packstationen nutzen.

Wettbewerber kritisieren, dass sie den Paketkasten nicht nutzen können.

Gerdes: Ja, verständlich, denn den Schlüssel haben ja nur wir und der Kunde. Und wir können aus Sicherheitsgründen keineswegs Duplikate der Schlüssel an andere Unternehmen geben. Denn wir stehen als Deutsche Post für die Einhaltung des Postgeheimnisses. Da können wir keine Kompromisse machen.

Man könnte den Paketkasten so bauen, dass jedermann Pakete einwerfen kann, aber nur der Kunde hat einen Schlüssel.

Gerdes: Das wäre rein technisch kein Problem, aber die Kunden hätten dann den Nachteil: Der Pfiff des Paketbriefkastens ist doch gerade, dass der Kunde auch Rücklieferungen zur Abholung hineinstellen kann. Also brauchen auch wir einen Schlüssel. Nur so kann der Kunde wie es immer häufiger passiert, einige Paare Schuhe zur Ansicht bestellen und dann die nicht gekauften Ware zurücksenden.

Also wird der Paketbriefkasten Ihre dominante Position im deutschen Paketgeschäft weiter zementieren?

Gerdes: Wir erwarten, dass der Versand von im Internet bestellter Ware weiterhin stark anzieht, und wollen davon überproportional profitieren. Einige unserer liebsten Kunden erhalten zwar rund 300 Pakete im Jahr, aber im Schnitt erhalten Haushalte nur einmal im Monat eine Lieferung. Es gibt also noch viel Luft nach oben. Und was unsere Wettbewerber angeht: Die könnten uns ja fragen, ob wir die von ihnen angenommenen Pakete teilweise mit ausliefern. Dann würden sie vom Paketbriefkasten ebenso mitprofitieren, wie Wettbewerber uns seit Jahren bereits bei Briefen überall nutzen. Aber bisher hat uns niemand gefragt, ob wir diese Dienstleistung auch für Pakete erbringen wollen.

Als wichtigen Teil Ihrer Strategie will die Post nun das erfolgreiche deutsche Paketgeschäft in andere Länder in Europa, Asien und in die USA exportieren. Warum planen Sie dafür nur relativ niedrige Investitionen in Höhe von wohl einigen hundert Millionen Euro anstatt die Märkte viel aggressiver aufzurollen?

Gerdes: Vor acht Wochen haben wir die neue Strategie rund um den E-Commerce verkündet, jetzt stellen wir in einem halben Dutzend Länder bereits Teams zusammen, um unser Vorgehen vor Ort zu planen. Wir sind also schnell. Und wir können die Investitionen erstens begrenzen, weil wir auf vorhandene Aktivitäten vor Ort aufbauen. Zweitens kosten Investitionen in Logistik weniger als beispielsweise in eine Autofabrik. Und drittens geht es um den langfristigen Aufbau von Geschäften auch gemeinsam mit lokalen Partnern.

Amazon würde Milliarden in die Hand nehmen, um jeden anderen Wettbewerber abzudrängen.

Gerdes: Auch Amazon hat das Geschäft erst einige Jahre nur in den USA und in England ausgebaut, bevor die internationale Expansion weiterging. Und mit unserer jetzigen Weichenstellung in Richtung E-Commerce liegen wir absolut richtig: Die meisten Länder sind beim Paketgeschäft noch lange nicht so weit wie wir in Deutschland bei der Post. Mit unserer Kombination aus E- Commerce-Plattform für den Mittelstand, Packstationen, nun den Paketkästen und einer kompletten Vernetzung sind wir schon sehr weit.

Ein Zukunftsprojekt ist auch Ihr E-Post-Brief, den Sie mit einem digitalen Briefarchiv und einer Reihe anderer Angebote zu einem unerwartet breiten Dienst ausgebaut haben. Gibt es irgendwann die Hoffnung auf ein Ende der Verluststrecke?

Gerdes: Wir werden nächstes Jahr Break-Even machen, also eine schwarze Null schreiben. Dabei haben wir vergangenes Jahr wie bekannt rund 100 Millionen Euro Umsatz gemacht und rechnen dieses Jahr mit deutlich mehr als 200 Millionen Euro.

Das Projekt sollte angeblich 500 Millionen Euro an Anlaufinvestitionen kosten. Werden Sie dieses Jahr bis 2020 wieder zurückverdient haben?

Gerdes: Insgesamt werden wir bei den Anlaufkosten wohl unter einer halben Milliarde Euro bleiben. Zur Frage, wann wir das wieder zurückverdient haben, will ich mich nicht äußern, aber bei wachsendem Geschäft bleibt natürlich immer mehr Geld in unserer Kasse. Wir sind stolz darauf, dass wir mit diesem mutigen Projekt Erfolg haben. Große Firmen schätzen die E-Post, um Kundenbriefe sicher zu versenden, private Kunden können dann sehr einfach eine Rechnung zahlen, und Briefe lassen sich sicher im digitalen Tresor ablegen.

Bleibt es nach zwei Preiserhöhungen innerhalb von drei Jahren beim Briefporto von 60 Cent?

Gerdes: Im Herbst werden wir prüfen, ob wir beim Briefporto eine Preisanpassung vornehmen müssen. Bekanntlich können wir den Preis im regulierten Briefgeschäft um die Inflationsrate minus 0,2 Prozent erhöhen, müssen dies aber bei der Bundesnetzagentur beantragen. Da der durchschnittliche Haushalt aber pro Monat weniger als fünf Euro für Brief- und Paketdienstleistungen ausgibt, spielt das Briefporto für die meisten Bürger keine große Rolle mehr. Und da die Inflation bekanntlich niedrig ist, wäre eine Preisanpassung sicher auch nicht gerade hoch.

Wie reagieren Sie auf den Vorwurf, dass der E-Commerce-Boom zu einem Veröden der Innenstädte führt?

Gerdes: Der stationäre Handel wird wegen des Online-Booms nicht untergehen, aber er muss sich wandeln. Viele austauschbare Produkte werden tatsächlich immer häufiger im Internet bestellt. Aber stationäre Geschäfte müssen ihr Angebot besser mit dem Web verknüpfen: So könnte ich mir vorstellen, dass ein Kleidungsgeschäft zwar alle Modelle zur Anprobe hat, doch die Ware wird nach Hause vom zentralen Lager aus zugestellt. Dann entfallen die Zulieferfahrten in die Innenstädte, die Kunden erhalten schnell ihre Kleidung und müssen nichts nach Hause tragen.

So sehr Sie der E-Commerce-Boom begeistern mag, werden die neuen 3-D-Drucker ihm nicht den Garaus machen?

Gerdes: Ich verfolge das Thema 3-D-Drucker mit großer Begeisterung. So gibt es angeblich eine Nudelmaschine, die für jeden Kunden in einem Restaurant individuelle Nudeln herstellt. Aber weil die Rohware für diese Nudelmaschine ebenso wie für richtige 3-D-Drucker ja irgendwie auch zum Kunden kommen muss, werden wir als Logistikunternehmen damit sicher nicht unnötig. Ich bin zwar sehr dafür, dass wir die Welt besser machen, aber ich kann noch nicht erkennen, dass wir aus reiner Luft Produkte machen.

Welche Herausforderung muss Deutschland grundsätzlich bewältigen, um beim Thema Logistik besser zu werden?

Gerdes: Ich antworte etwas breiter: Deutschland muss sehr viel mehr für den Ausbau der Infrastruktur in jeder Beziehung machen, weil wir sonst im internationalen Wettbewerb und beim Wohlstand zurückfallen.

Was bedeutet das?

Gerdes: Wir müssen deutlich mehr für die Modernisierung der Straßen und Eisenbahnstrecken tun, wir brauchen schnellere Internetverbindungen auch auf dem Land, wir müssten viel mehr Geld in ein künftiges Netz für Elektromobilität investieren, wir sollten die Flughäfen und Fluggesellschaften fördern statt sie zu behindern und wir brauchen auch bessere Fahrradwege: Die Niederlande und auch einige US-Städte haben ein viel besser ausgebautes Fahrradwegenetz und können nun Elektrofahrädern tolle Routen anbieten.

Das klingt nach harter Kritik an der Bundesregierung, Ihrem Hauptaktionär?

Gerdes: Nein im Gegenteil, wir haben eine Regierung, die bei der Mehrheit der Bevölkerung großes Vertrauen genießt — so auch bei mir. Wir müssen alle gemeinsam für eine bessere Infrastruktur in unserem Land sorgen. Das hat mit Parteipolitik nichts zu tun.

Das Gespräch führten Reinhard Kowalewsky und Andreas Gruhn

(felt)
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