Preisabsprachen Kartellamt bestraft Wursthersteller

Bonn · 21 deutsche Produzenten von Schinken, Roh-, Brüh- und Kochwürsten sollen ihre Preise abgesprochen haben. Die Kartellbehörde verhängte Geldbußen von mehr als 338 Millionen Euro. Fast alle bekannten Marken sind betroffen,

Preisabsprachen: Kartellamt bestraft Wursthersteller
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Für Clemens Tönnies läuft das Jahr nicht rund. Im Januar verdonnert das Bundeskartellamt Deutschlands größten Fleischproduzenten zu 90 000 Euro Bußgeld - er soll beim Aufkauf eines Wettbewerbers Angaben verschwiegen haben. Im Mai gibt das Landgericht Bielefeld seinem Neffen und Patenkind Robert Tönnies recht, der mit dem Fleisch-Tycoon um die Alleinherrschaft über den Familienkonzern kämpft. Und gestern verhängt das Bundeskartellamt 338 Millionen Euro Bußgeld gegen 21 deutsche Wursthersteller und 33 Führungskräfte der Branche. Wieder mittendrin: Clemens Tönnies, dem neben seinem Anteil an der Tönnies-Gruppe auch die Zur-Mühlen-Gruppe gehört. Die soll nach Angaben aus Unternehmenskreisen den Löwenanteil des Bußgeldes zahlen: 100 Millionen Euro. Das ist auch für den nebenberuflichen Schalke-04-Präsidenten, dessen Vermögen auf eine knappe Milliarde Euro geschätzt wird, kein Pappenstiel.

Auf der Bußgeld-Liste des Kartellamtes stehen die Produzenten fast des gesamten deutschen Supermarkt-Wurst-Sortiments. Betroffen sind Marken wie Böklunder, Könecke (beides Zur-Mühlen-Gruppe), Herta (Nestlé), Meica (Fleischwarenfabrik Fitz Meinen), Rügenwalder (Carl Müller GmbH) und die Wiesenhof Geflügelwurst (PHW-Gruppe). Die Behörde hat den Herstellern jahrelange Preisabsprachen nachgewiesen. In welchem Umfang die Verbraucher Opfer des Kartells waren, ist nicht ermittelbar. "In erster Linie war der Einzelhandel Opfer der Absprachen. In welcher Höhe dieser die manipulierten Preise an den Endverbraucher weitergereicht hat, wissen wir nicht", sagte gestern ein Sprecher des Kartellamtes.

Marktbeobachter gehen wegen der extremen Konkurrenz im deutschen Lebensmittel-Einzelhandel davon aus, dass den Verbrauchern allenfalls ein geringer Schaden entstanden ist. Die deutschen Preise für Supermarkt-Fleisch gehören zu den billigsten in Europa. Und auch die meisten Fleischhersteller verdienen nur, wenn sie enorme Mengen umschlagen. Angesichts der enormen Marktmacht, die große Fleischeinkäufer wie Aldi, Lidl oder die Edeka-Gruppe haben, liegt die Umsatzrendite der deutschen Fleischfabrikanten im Schnitt nur noch bei einem Prozent.

Den Ermittlern zufolge haben die Kartellanten sich erstmals im Hamburger Hotel Atlantic getroffen, um über Marktentwicklungen und Preise zu diskutieren. Danach sei es zu konkreten Absprachen, gemeinsamen Preiserhöhungen gegenüber dem Einzelhandel und Abstimmungen über Preisspannen für Produktgruppen wie Roh-, Brüh- und Kochwürste gekommen. "Die Absprachen erfolgten größtenteils telefonisch, sei es durch wechselseitige Anrufe oder organisierte Rundrufe", heißt es im Bundeskartellamt.

Erste Hinweise auf das Kartell erhielt das Amt durch einen anonymen Hinweis. "Im Laufe des Verfahrens haben insgesamt elf Unternehmen mit der Behörde kooperiert und schließlich Geständnisse abgelegt", so der Sprecher.

Mehrere Hersteller bestritten die Vorwürfe gestern und kündigten juristischen Widerstand an. Dazu gehörten neben Tönnies' Zur-Mühlen-Gruppe auch Nestlé und kleinere Hersteller. Ein Sprecher der Tönnies-Gruppe sieht doppelten Grund zum Widerstand: "Zum einen, weil die Vorwürfe nicht zutreffen, zum anderen, weil dem Bußgeld eine völlig falsche Bemessungsgrundlage zugrunde liegt." So habe das Kartellamt bei der Berechnung des Bußgeldes für die Zur-Mühlen-Gruppe neben deren eigenem Umsatz (rund 600 Millionen Euro) auch noch den Umsatz der Tönnies-Gruppe (rund sechs Milliarden Euro) als Maßstab genutzt. Der Sprecher: "Die Tönnies-Gruppe, gegen die keine Vorwürfe vorliegen, hat mit der Zur-Mühlengruppe rechtlich aber gar nichts zu tun." Clemens Tönnies sei lediglich Anteilseigner der Tönnies-Gruppe und Alleineigentümer der Zur-Mühlen-Gruppe. Gegen ihn persönlich werde auch nicht ermittelt, stellte der Sprecher klar. Dem widersprach das Kartellamt auf Nachfrage nicht.

(RP)
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