Hersteller Kettler meldet Insolvenz an Kettcar — Niedergang eines Kindertraums

Ense · Früher wünschten sich Kinder ein Kettcar, heute ein Smartphone. Nun musste Kettcar-Hersteller Kettler Insolvenz anmelden. Ereilt das Spielzeug das gleiche Schicksal wie die Märklin-Eisenbahn und die Carrera-Bahn?

  Jahrzehntelang stand das Kettcar auf der Wunschliste vieler Jungen und Mädchen.

Jahrzehntelang stand das Kettcar auf der Wunschliste vieler Jungen und Mädchen.

Foto: dpa, mg htf Ken

Mal änderte sich die Lackierung, mal die Sitzform oder das Gestänge - doch das Grundprinzip blieb mehr als 50 Jahre lang gleich: Eine Kette, zwei Pedale, vier Räder -viel Fahrspaß. Millionen Kinder in Deutschland haben mit dem Kettcar strampelnd ihre Runden gedreht. Nur für Rolf Schumachers war das zu wenig: Er soll an das Kettcar seines Sohnes einen fünf PS starken Motor angebaut haben. Fortan drückte dieser kräftig aufs Gaspedal, während Altersgenossen strampeln mussten. Das war 1973. Dass aus dem vierjährigen Michael einmal der erfolgreichste Rennfahrer der Formel-1-Geschichte werden sollte, war da noch nicht abzusehen.

Die großen Zeiten der Formel 1 sind inzwischen vorbei - und auch die des Kettcars. Ende der 90er Jahre produzierte Hersteller Kettler teilweise mehr als 2000 Stück pro Tag, die Jahresproduktion lag bei einer halben Million. 2012 waren es nur noch 200 000 - Tendenz weiter sinkend. Für Kettler, das auch noch Sportgeräte, Fahrräder und Gartenmöbel herstellt, wurde das Geschäft zuletzt immer schwieriger. Nun hat das Unternehmen die Reißleine gezogen und Insolvenz angemeldet.

  Jetzt hat der Hersteller Kettler Insolvenz angemeldet. Das unternehmen wolle sich mit Hilfe eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung neu ausrichten, hieß es.

Jetzt hat der Hersteller Kettler Insolvenz angemeldet. Das unternehmen wolle sich mit Hilfe eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung neu ausrichten, hieß es.

Foto: dpa, mg htf Ken vfd

Noch scheint nicht alle Hoffnung verloren - Kettler hat ein Insolvenzverfahren in Eigenregie beantragt. Ein solches Verfahren wird nur genehmigt, wenn es die Chance gibt, ein Unternehmen zu sanieren. Das scheint bei Kettler der Fall zu sein. Und doch ist damit wieder eine Firma in Schwierigkeiten geraten, deren Produkte die Kindheitserinnerungen von vielen Deutschen prägen. Immerhin wurden bislang rund 15 Millionen Kettcar verkauft. Die Modelle hießen zunächst Hockenheim (1984), Salzburg (1991) oder Imola (1999) - später Sao Paulo (2012) oder Barcelona Air (2013), die in den Kinderzimmern jedoch immer seltener Beachtung fanden.

Kinder wünschen sich heute eher ein iPhone

Ähnlich erging es zuvor auch schon dem Modelleisenbahnbauer Märklin und dem Hersteller der Carrera-Autorennbahnen, die ebenfalls turbulente Zeiten durchmachten. Denn heute wünschen sich die Kinder eher das neuste iPhone als eine Modelleisenbahn. Und wenn neben dem Weihnachtsbaum doch mal Autorennen zwischen Vater und Sohn ausgefochten werden, war es häufig der Ältere, der sich mit dem Geschenk auch selbst eine Freude machen wollte.

Nun trifft es also auch das Kettcar - dessen Name sich übrigens nicht vom Kettenantrieb ableitete, sondern von seinem Erfinder Heinz Kettler. Dieser hatte das Familienunternehmen, das mit seinen 1100 Mitarbeitern zuletzt rund 300 Millionen Euro Umsatz gemacht haben soll, 1949 gegründet und groß gemacht. Seitdem gilt Kettler als innovatives Unternehmen, bereits 1977 brachten die Sauerländer das weltweit erste Aluminium-Fahrrad auf den Markt. Fahrräder und Fitnessgeräte machen auch heute noch einen großen Teil des Geschäfts aus. In vielen Gärten dürfte wohl auch eine Tischtennisplatte von Kettler zu finden sein. Doch je breiter die Produktpalette aus Gartenmöbeln Sandkästen, Rutschen, Schaukeln, Heimtrainern und Hantelbänken wurde, umso mehr liefen auch die Kosten aus dem Ruder, weil es wenig Synergieeffekte gab.

Mit dem Insolvenzverfahren wagt Kettler nun einen Neustart. Das Geschäft laufe uneingeschränkt weiter, heißt es. Noch stirbt das Kettcar nicht aus.

(frin)
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