Billigflieger-Strategie Lufthansa führt neues Preissystem ein

Smart · Die Lufthansa setzt im Europa-Verkehr komplett auf die Billigflieger-Strategie. Fast alle Passagiere müssen in Germanwings-Flugzeuge umsteigen. Das neue Geschäftsmodell: Hauptsache so günstig wie die Konkurrenz.

 Die Maschinen sind für die Umstellung auf die neue Germanwings schon umlackiert - seinen alten Farben ist die Airline dabei treugeblieben. Sonst hat sich viel geändert.

Die Maschinen sind für die Umstellung auf die neue Germanwings schon umlackiert - seinen alten Farben ist die Airline dabei treugeblieben. Sonst hat sich viel geändert.

Foto: dpa, Germanwings

Es ist ihr gefährlichstes Experiment seit dem Börsengang vor 47 Jahren: Die Lufthansa gibt ihr europäisches Fluggeschäft an die eigene Discount-Tochter Germanwings ab. Bis zu 18 Millionen Passagiere pro Jahr, die in Europa bislang mit der Lufthansa unterwegs waren, können künftig nur noch Germanwings fliegen. Es sei denn, sie steigen angesichts dieser Aussichten komplett auf andere Airlines um.

Mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten werden seit gestern alle innereuropäischen Lufthansa-Strecken umgerüstet, dauerhaft ausgenommen sind nur die Drehkreuze Frankfurt und München. In Düsseldorf soll die Umstellung im März 2014 abgeschlossen sein. Aus Sicht der Passagiere besteht die "neue Germanwings" aus einem neuen Preismodell und geringfügig umlackierten Flugzeugen. Aus Sicht der Lufthansa steht sie für einen Kulturbruch: Die Strategie, ihre jährlich dreistelligen Millionenverluste im Europaverkehr mit hochpreisigen Tickets zu bekämpfen, ist gescheitert. Jetzt macht die Lufthansa das Gegenteil und kopiert im großen Stil das Preismodell des erfolgreichen Billigmarktführers Ryanair.

Auf Europa-Strecken bleibt Lufthansa-Kunden damit die Wahl zwischen drei Tarifen:

Basis Er steht für Flugtickets und Komfort auf Billigflieger-Niveau: keine kostenlose Mahlzeit an Bord, aufgegebenes Gepäck kostet extra, der Sitzabstand verspricht mit 71 Zentimetern in etwa den Komfort auf dem Rücksitz eines VW Polo.

Best Der Luxus-Tarif ist mit der bisherigen Business-Klasse vergleichbar: teure Tickets, dafür auskömmlicher Platz (Sitzabstand: 81 Zentimeter), Bordmahlzeiten und Zugang zu den Lufthansa-Lounges.

Smart Der Kompromiss-Tarif entspricht in Preis und Service in etwa der ehemaligen Economy-Klasse mit Snack, Freigetränken und 23 Kilo Freigepäck. Allerdings bekamen zeitlich flexible Lufthansa-Kunden ihr Economy-Ticket bislang oft ebenfalls zum Schnäppchenpreis: etwa ein 99-Euro-Ticket von Düsseldorf nach München. In der neuen Tarifsprache waren das also Angebote für ein "Smart-Ticket" zum "Basis-Preis". Solche Aktionen sind jetzt nicht mehr zu erwarten. Weiteres Smart-Tarif-Manko: Lufthansa-Kunden mit dem niedrigsten Vielflieger-Status ("Frequent Traveller") konnten während der Wartezeit am Flughafen bislang die Lufthansa-Business-Lounge auch dann nutzen, wenn sie nur das billigste Lufthansa-Ticket gebucht hatten. Dieser beliebte Komfortvorteil ist bei Germanwings im Basis-Tarif nur noch für 25 Euro extra zu haben.

Beim Smart-Tarif spekuliert die Lufthansa auf Geschäftsreisende, deren Arbeitgeber seit der Finanzkrise 2008 keine Business-Tickets mehr zahlen. Die Best-Tarif-Kundschaft ist die immer gleiche, die aus Prinzip den höchsten Komfort wählt: Eine kleine, aber berechenbare Konstante. Der Erfolg der neuen Lufthansa-Strategie hängt vor allem vom Basis-Tarif ab: Ist er billig und glaubwürdig genug, um sich gegen die Wettbewerber Ryanair und Easyjet zu behaupten? Oder hat die Lufthansa auch im Gewand von Germanwings noch immer zu hohe Kosten und muss selbst ihre billigsten Tickets noch zu teuer anbieten? Germanwings-Chef Thomas Winkelmann sagt, er habe 20 bis 30 Prozent geringere Kosten als die Lufthansa. Ryanair-Chef Michael O'Leary behauptet, seine Kosten lägen 40 Prozent unter Lufthansa-Niveau. Allerdings sind die Angaben nur eingeschränkt vergleichbar, weil ihnen unterschiedliche Berechnungsmodelle zugrunde liegen.

Klar ist aber: Wenn die neue Billigstrategie eine Chance haben soll, muss Germanwings mehr denn je sparen. Mit unkalkulierbaren Folgen: Die Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo macht jetzt schon Front gegen die niedrigen Löhne bei Germanwings. Freitag soll die Belegschaft über einen Streik abstimmen. Ein Streiktag kostet die Airline einen zweistelligen Millionenbetrag. Den kann Germanwings sich genauso wenig leisten wie hohe Gehälter.

(RP)
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