Experten kritisieren schlechtes Management Mainzer Chaos weckt Zweifel an Bahn-Kurs

Berlin · Spitzenpolitiker und Verkehrsexperten rügen schlechtes Management. Auch die grundsätzliche Ausrichtung des Konzerns steht infrage.

Dass am Dienstag ausgerechnet ein Vertreter der schwarz-gelben Regierungskoalition die schärfsten Vorwürfe gegen das Bahn-Management erhob, ist im Berliner Bahn-Tower sicher mit Sorge registriert worden. Offenbar funktionierten die einfachsten Dinge bei der Personalplanung der Bahn nicht, erregte sich FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle über den Engpass bei den Mainzer Fahrdienstleitern: "Ich bin erschüttert, wie ein solches Unternehmen geführt wird."

Angesichts des Chaos in Mainz rücken jetzt das Bahn-Management und auch die grundsätzliche Ausrichtung des Unternehmens als globaler Logistik-Konzern in die Kritik. Die Netzsparte des Konzerns habe unter Infrastruktur-Vorstand Volker Kefer den Sparkurs auch nach dem Jahr 2010 noch übertrieben, lautet die Kritik von Gewerkschaftern. Tatsächlich wurde dort noch 2012 Personal abgebaut.

Bahn-Chef Rüdiger Grube unterbricht seinen Urlaub, um heute in Frankfurt mit Vertretern der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) über den akuten Personalmangel bei den Stellwerkern zu beraten. Von den 15 Fahrdienstleitern in Mainz hatten sich vier krank gemeldet, drei weitere sind im Urlaub. Auf Bitten der Bahn ist bislang einer aus dem Urlaub zurückgekehrt.

Doch wegen des generellen Personalmangels gebe es auch Beeinträchtigungen an anderen Stellwerken, etwa in Bebra (Hessen), Berlin, Niederarnbach (Bayern) und Zwickau (Sachsen), berichtete die Bundesnetzagentur.

Überalterung des Personals

Im Zuge seiner Börsengang-Pläne hatte der damalige Bahn-Chef Hartmut Mehdorn einen harten Sparkurs gefahren. Über Jahre wurden gerade in der Netzsparte jährlich Tausende Stellen abgebaut. Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hatte 2008 die Privatisierung des Konzerns wie von Mehdorn gewünscht möglich machen wollen, sich damit aber nicht durchsetzen können. Die Union und vor allem die FDP hatten sich dagegen ausgesprochen, das staatlich finanzierte Netz an die Börse zu bringen.

Mehdorns Nachfolger Grube steuerte nach dem abgeblasenen Börsengang zwar um und veranlasste seit 2010 wieder einen moderaten Stellenaufbau. Doch vor allem bei den hochspezialisierten Stellwerkern und Lokführern setzte das Umsteuern zu spät und zu zaghaft ein.

Die Bahn leidet unter Überalterung ihres Personals und verfügt nicht über genügend Ausbildungskapazitäten. "Der Mangel an Fahrdienstleitern ist auch eine Folge des allgemeinen Fachkräftemangels: Die Bahn findet einfach zu wenig qualifizierte Bewerber. Der Konzern hat 1800 offene Stellen", sagte Bahn-Aufsichtsratsmitglied und FDP-Generalsekretär Patrick Döring.

Kritik entzündet sich auch am wachsenden internationalen Engagement des Konzerns auf dem Logistikmarkt. Dieser von Mehdorn eingeschlagene Weg wurde auch unter Rüdiger Grube nicht geändert. Erst unlängst expandierte die Bahn weiter mit Zukäufen in Polen, Serbien und Rumänien. Sie ist heute Europas größtes Fernbusunternehmen, betreibt Schiffsfrachtverkehr zwischen den USA und China und macht privaten Logistik-Konzernen mit ihrer Tochter Schenker Konkurrenz, wobei sie als einziges Unternehmen beides erledigt: Sie organisiert nicht nur den Warentransport, sie transportiert auch selbst.

"Die Bahn hat zwar Geld für die U-Bahn in Katar, aber kein Geld für den Zugverkehr zu Hause", kritisierte der Berliner Bahn-Experte Christian Böttger. "Die Bahn sollte sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, statt sich international zu überheben", sagte der Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft. Weltweite Logistik könnten private Firmen besser als die Bahn, deren Stärke im Zugverkehr liege.

(mar)
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