Versandhändler in der Krise Neckermann stellt Insolvenzantrag

Frankfurt/Main · Nach der Quelle-Pleite steht nun auch Neckermann.de vor dem Aus. Der Versandhändler hat erst spät voll auf das Internet-Geschäft gesetzt - wohl zu spät. 2400 Jobs sind nun gefährdet.

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Foto: AP

Einst machte Neckermann alles möglich, nun setzt sich der Niedergang des ehemals mächtigen Handelsriesen fort. Der Versandhändler Neckermann.de stellt Insolvenzantrag. Schon lange haben die Namensvettern mit Wurzeln im Imperium des Josef Neckermann in etwa so viel gemeinsam wie ein Badeurlaub mit einer Bergtour.

Während am Montag dieser Woche der Reiseveranstalter Neckermann im österreichischen Schwarzenberg mehr Luxus für Urlauber verspricht, werden in Frankfurt in letzter Minute Gespräche zur Zukunft von Neckermann.de wieder aufgenommen. Am Mittwoch ist klar: Die dunklen Wolken sind nicht zu vertreiben, der Investor dreht den Geldhahn zu.

Die Neckermänner sind leidgeprüft. Die Beschäftigten der einstigen Ikone des deutschen Wirtschaftswunders haben Besitzerwechsel, die Pleite des früheren Mutterkonzerns Arcandor und mehrere Runden Stellenabbau hinter sich.

Als gravierenden Einschnitt sehen Mitarbeiter rückblickend die Fusion von Karstadt und Quelle Ende der 90er Jahre: Die damals bereits zu Karstadt gehörenden Neckermänner bekamen damit intern Konkurrenz durch den größeren Quelle-Versand.
Quelle wiederum ist mittlerweile Geschichte. Der Konzern ging 2009 im Strudel der Arcandor-Pleite unter.

Neckermann eröffnete zwar als einer der ersten Versandhändler in Deutschland 1995 einen eigenen Online-Shop. Doch lange sah man das Internet im Unternehmen nur als zusätzlichen Bestellkanal.

"Neckermann macht's möglich" - kaum ein Slogan brachte das Lebensgefühl im Wirtschaftswunderland Westdeutschland nach dem Krieg treffender auf den Punkt. Der Kaufmann Josef Neckermann (1912 - 1992) griff die Bedürfnisse der Konsumenten auf, lange gehörten Neckermann-Kataloge zur Grundausstattung vieler Familien.

Der erste Katalog umfasste gerade einmal zwölf Seiten mit 147 Textilartikeln. Schnell kamen preiswerte Radios und große Elektrogeräte hinzu, selbst Schweinhälften konnte man über den bald telefonbuchdicken Universalkatalog erwerben. Das Frankfurter Unternehmen lieferte wie die Konkurrenten Otto oder Quelle bis in die hintersten Winkel der Republik. Neckermann machte zudem Pauschalreisen populär, verkaufte zwischenzeitlich unter eigenem Namen gar Versicherungen und Fertighäuser.

Heute, 100 Jahre nach Josef Neckermanns Geburt und 20 Jahre nach seinem Krebstod in Dreieich bei Frankfurt ist von dem Handelsimperium nicht mehr viel übrig. Sämtliche Firmenteile sind entweder in internationalen Konzernen wie Thomas Cook oder Zurich Versicherungen aufgegangen. Der Überrest des Versandhandels rang seit Monaten ums Überleben. Nun stehen die bundesweit 2400 Stellen bei Neckermann.de auf der Kippe.

Dabei sieht es zwischenzeitlich gut aus: Im Oktober 2010 wird der US-Finanzinvestor Sun Capital alleiniger Eigentümer der Neckermann.de GmbH, investiert kräftig in den Onlinehandel. Das Jahr 2010 läuft vergleichsweise erfolgreich. Die Hoffnung auf schwarze Zahlen im Jahr 2012 wächst. Doch das Kataloggeschäft bricht so rapide ein, dass die Erfolge aus dem Onlinehandel aufgezehrt werden.

Ende April sieht sich Neckermann.de zu drastischen Einschnitten gezwungen: Unter der Überschrift "Neckermann.de beschleunigt E-Commerce Ausrichtung" erklärt des Unternehmen, es sei "eine Anpassung der organisatorischen Strukturen notwendig" - der Abbau von insgesamt 1380 Arbeitsplätzen in Deutschland sei unverzichtbar. Nach dem erfolglosen Poker dürften die Opfer nun noch größer werden. # dpa-Notizblock

(dpa)
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