Geschäftsräume in Duisburg untersucht Neues Kartellverfahren gegen Thyssen

Duisburg/Essen · Der Konzern soll dank illegaler Absprachen zu hohe Preise bei den Autokonzernen durchgesetzt haben. Darum wurden gestern Büros der Stahlsparte durchsucht. Vorstandschef Heinrich Hiesinger ist wegen des Skandals alarmiert.

ThyssenKrupp trennt sich von drei Vorständen
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ThyssenKrupp wird erneut von einem Kartellskandal erschüttert. Das Bundeskartellamt habe gestern die Geschäftsräume von ThyssenKrupp Steel Europe in Duisburg durchsucht, berichtete der Essener Konzern gestern am späten Nachmittag. Es gehe um den Verdacht von illegalen Absprachen bei Stahl für die Autobranche.

Die Wettbewerbshüter nahmen aber nicht nur Razzien bei ThyssenKrupp vor: Insgesamt seien drei Unternehmen der Stahlbranche durchsucht worden, sagte ein Sprecher. Nach Informationen unserer Zeitung wurden auch bei Voestalpine und ArcelorMittal Büros durchsucht.

Durchsuchungen hat es anscheinend an insgesamt vier Unternehmensstandorten in Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen gegeben. Auch Wohnungen von verdächtigen Managern seien überprüft worden.

Vertrieb von Bandstahl

Dem Kartellamt zufolge geht es um den Verdacht illegaler Absprachen für den Vertrieb von Bandstahl. Nach Meinung von Branchenkennern könnte eine noch höhere Geldstrafe als beim 2004 aufgeflogenen Aufzugskartell drohen — das hatte Thyssen 480 Millionen Euro gekostet.

An den Durchsuchungen hätten sich 19 Mitarbeiter der Behörde sowie Polizisten beteiligt, heißt es beim Kartellamt Kartellverstöße würden in keiner Weise geduldet, erklärte ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger am Abend bei einem schon lange vereinbarten Besuch der wirtschaftspublizistischen Vereinigung in Düsseldorf: "Bei ThyssenKrupp gilt das Prinzip 'Null Toleranz'. Sollten die veranlassten Untersuchungen ergeben, dass sich die Vorwürfe erhärten, werden wir hart durchgreifen."

Hiesinger ergänzte: "Es war ein schwerer Fehler, dass Mitarbeiter, die gegen Gesetze verstießen, früher zum Teil nicht das Unternehmen verlassen mussten. Dadurch entstand der Eindruck, ThyssenKrupp hilft den Tätern. Das ist ganz klar nicht mehr der Fall. Wir wollen solche Täter nicht mehr im Unternehmen beschäftigen. Wer sich so verhält, dem nehmen wir alles weg. Das sagen wir so klar, damit jeder weiß, woran er ist."

Anonyme Anzeige

ThyssenKrupp unterstütze die Behörden bei den Ermittlungen, sagte Hiesinger. Das Kartellamt sei nach eigener Aussage aufgrund einer anonymen Anzeige tätig geworden. Es solle sich um Preisabsprachen über mehrere Jahre handeln.

Für den Konzern kommen die Ermittlungen zur Unzeit. Der Konzern hatte das vergangene Geschäftsjahr 2011/12 mit einem Nettoverlust von fünf Milliarden Euro abgeschlossen. Nach Korruptionsvorwürfen und Kartellverstößen hatte der seit zwei Jahren den Konzern leitende Hiesinger eine neue Unternehmenskultur angekündigt, mehrere Vorstände mussten gehen.

Wie hart der Wettbewerb im europäischen Stahlgeschäft ist, bestätigte Hiesinger gestern: "Wir können die enormen Rohstoffkosten nicht an unsere Kunden weitergeben. Das kann in Europa derzeit niemand. Deshalb sind wir mit einer Ausnahme in Österreich auch die einzigen, die eine Schwarze Null im Stahl schreiben."

(RP/sgo)
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