Interview mit RWE-Vorstand Roels "Noch ist Atomkraft nötig"

Berlin (RP). In Interview mit der Rheinischen Post äußert sich RWE-Vorstandschef Harry Roels zum Energiegipfel, zur Zukunft der Kernkraft und die Internationalität im Ruhrgebiet.

Die Ergebnisse des Energiegipfels
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Foto: ddp

Herr Roels, die Gerüchte reißen nicht ab, dass es eine Front von kommunalen Anteilseignern gibt, die eine Mehrheit gegen Sie schmieden wollen. Was sagen Sie diesen Aktionären?

Roels Ich vertraue lieber meinen eigenen Erfahrungen als auf Gerüchte. Und meine Erfahrung ist, dass sich unsere Aktionäre über den RWE-Aktienkurs freuen. Dieser Kurs spiegelt das, was wir in den vergangenen Jahren an operativer Verbesserung erreicht haben. Wir haben das Unternehmen fokussiert und finanziell stärker gemacht. In diesem Jahr wollen wir 1,75 Euro Dividende pro Aktie zahlen, das ist die vierte zweistellige Dividendenerhöhung in Folge.

Wer hat sich mehr anpassen müssen: das Unternehmen an Sie oder Sie an das Unternehmen?

Roels (lacht) Natürlich habe ich mich auch angepasst, man muss pragmatisch vorgehen und die Spielräume nutzen, die man hat. Aber auch RWE hat sich angepasst. Jedem war klar: Ich bin ein internationaler Manager - und genau deswegen bin ich engagiert worden. Wenn jemand von außen geholt wird, dann ist das auch ein Zeichen, dass nicht alles beim Alten bleiben soll. So haben einige Mitarbeiter mir zwar signalisiert, dass es ihnen zu schnell geht. Anderen ging es aber auch nicht schnell genug.

Ist denn das Konstrukt mit den kommunalen Aktionären noch zeitgemäß?

Roels Wir haben mittlerweile einen hohen Streubesitz - knapp 90 Prozent. Neben den etwas mehr als 30Prozent kommunalen Aktionären haben wir 27 Prozent internationale Anteilseigner, 2003 waren es noch weniger als 20 Prozent. Damit haben wir mehr ausländische Investoren als manch anderes Unternehmen ohne jeglichen öffentlichen Aktionär. Etwas mehr als 50Prozent unserer Aktien sind institutionelle Anleger. Das ist insgesamt eine gute Mischung. Außerdem ist die Energieversorgung auch immer ein kommunales Geschäft.

Aus dem Ruhrgebiet nach Berlin. Sie waren beim Energiegipfel dabei. Welchen Eindruck haben Sie?

Roels Ich habe es sehr begrüßt, dass Frau Merkel diesen Gipfel einberufen hat. Sie hat es klugerweise vermieden, schon nach ein paar Stunden Diskussion eine vordergründig leichte Lösung anzubieten. Stattdessen hat sie Arbeitsgruppen eingerichtet, zur nationalen Energieversorgung und zum Energiemix, zu internationale Aspekten und zu Forschung und Entwicklung. Jetzt fängt die Arbeit an, und ich setze darauf, dass bis 2007 ein Gesamtkonzept steht.

Umweltminister Sigmar Gabriel ist beim Thema Atomausstieg der Hauptansprechpartner. Wie klappt die Kommunikation?

Roels Es ist wichtig, dass wir ideologiefrei und pragmatisch über das Thema reden. Fakt ist, wenn Deutschland an seinem Atomausstieg festhalten würde, wäre die Versorgungslücke von einem Drittel der gesamten deutschen Stromversorgung zu füllen. Wenn wir die wegfallenden Megawatt installierter Kernkraftkapazität mit Gaskraftwerken ersetzen wollten, würden sich die russischen Gasimporte fast verdoppeln. Solche Mengen sind nicht so einfach zu beschaffen.

Aber Gabriel erklärt öffentlich, eine Verlängerung der Kernkraft-Laufzeiten sei für ihn kein Thema. Haben Sie eine Gespensterdebatte geführt?

Roels Natürlich respektieren wir den Koalitionsvertrag genauso wie die bisherigen Verabredungen zwischen Energiewirtschaft und Politik. Teil dieser Verabredung im Atomgesetz ist aber auch, dass es eine Möglichkeit gibt, genehmigte Mengen von einem Kernkraftwerk auf ein anderes zu übertragen. Das wird RWE für Biblis A beantragen. Aber grundsätzlich bleibt die Frage, wie der hohe Anteil an Kernenergie unter ökologischen, wirtschaftlichen und Versorgungssicherheitsaspekten ersetzt werden kann. Wenn die Atommeiler länger laufen, haben wir jedenfalls mehr Zeit, die alternativen Energietechniken wirtschaftlich zu machen. Zur Zeit wirkt die Kernkraft preisdämpfend auf die tendenziell steigenden Strompreise, das darf man nicht vergessen.

Der CO2-Handel dagegen verteuert den Strom. Können Sie sich vorstellen, dass die Verschmutzungsrechte so teuer werden, dass sich der Bau eines Atomkraftwerkes wieder lohnt?

Roels Kernkraftwerke würden sich schon beim heutigen Strompreisniveau in Europa rentieren: Die Jahres-Forward-Preise liegen derzeit schon zwischen 55 und 60 Euro pro Megawattstunde. Schauen Sie sich um: In Europa ist Kernkraft ein natürlicher Teil des Energiemixes, viele Länder haben die Laufzeiten schon verlängert. Finnland baut ein neues Kernkraftwerk und in Frankreich, Holland und Großbritannien zeichnen sich Diskussionen über Neubauten ab. In Europa wird das Thema bereits unideologisch und pragmatisch diskutiert. Das kann Deutschland nicht ignorieren. Zumal unsere Reaktoren zu den sichersten in der Welt gehören.

Und was heißt das für RWE?

Roels Wir diskutieren derzeit nicht über neue Atomkraftwerke in Deutschland. Das ist kein Thema. Aber wenn der internationale Energiemarkt es nötig macht, müssen wir genau beobachten, was Politik und Bevölkerung wollen und welche Prioritäten gesetzt werden.

Jetzt setzen Sie aber erst einmal auf ein CO2-freies Kraftwerk. Wann fällt die Standort-Entscheidung?

Roels Das ist ein absolut wichtiges Projekt, weil Kohle auch noch in Jahrzehnten eine wichtige Rolle in unserem Energiemix spielen wird. Wir müssen aber noch viele komplexe Faktoren prüfen, weil CO2-Transport und -lagerung eine ganz neue Herausforderung sind. Die Entscheidung für diese Milliarden-Investition fällt Ende 2007.

(alfa)
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