Fachkräftemangel in NRW Warum wir wochenlang auf den Handwerker warten müssen

Düsseldorf · Der Wirtschaftsboom verschärft den Fachkräftemangel. Baubetriebe sind zu 87 Prozent ausgelastet. Engpässe in NRW gibt es auch bei Pflegern und IT-Kräften. Am schwersten sind allerdings die Lokführer betroffen. Dort sind nicht einmal die Hälfte aller freien Stellen besetzt.

 Im Berufsbildungswerk Leipzig arbeitet im Bereich Bautechnik ein Azubi an einer Wand mit Fliesen (Symbolfoto).

Im Berufsbildungswerk Leipzig arbeitet im Bereich Bautechnik ein Azubi an einer Wand mit Fliesen (Symbolfoto).

Foto: Waltraud Grubitzsch/dpa

Wer sein Bad renovieren oder gar ein Haus bauen will, braucht viel Geduld. Die Auftragsbücher sind voll, der Fachkräftemangel groß - entsprechend lange müssen Kunden auf Handwerker warten. Im Bauhauptgewerbe von Nordrhein-Westfalen sind die Betriebe zu 87 Prozent ausgelastet, im Ausbaugewerbe zu 86 Prozent. "Das ist kaum noch steigerbar", sagt Hans Jörg Hennecke, Geschäftsführer der Handwerkskammer Düsseldorf.

Auf einen Maurer müssen Kunden 10,7 Wochen warten und auf einen Fliesenleger 8,6 Wochen, wie aus der Konjunkturumfrage der Kammer hervorgeht, die Auftragsreichweiten abgefragt hat. Der Rat von Hennecke an Kunden: "Wenn Sie einen Handwerker haben, sollten Sie ihn sich warmhalten."

Ursache der Probleme ist zum einen die hohe Nachfrage infolge des Wirtschafts- und Immobilienbooms, zum anderen der Fachkräftemangel. "Er trifft insbesondere das Bauhaupt- und Lebensmittelgewerbe, auch Gewerke mit hohen Qualifikationsanforderungen wie Sanitär-Heizung-Klima und Elektrotechnik", so Hennecke.

Nicht nur im Handwerk werden Fachkräfte knapp. "In Nordrhein-Westfalen sind vor allem Gesundheits- und Pflegeberufe, Berufe des Eisenbahnverkehrs und aus dem Bereich der Information und Kommunikation von Engpässen betroffen", heißt es in der neuen "Fachkräfte-Engpassanalyse NRW", die die Bundesagentur für Arbeit (BA) heute veröffentlicht. Die Zahl der offenen Stellen für Fachkräfte ist demnach um 12,8 Prozent auf durchschnittlich 80.000 gestiegen. Und es dauert immer länger, Stellen zu besetzen: Die durchschnittliche Vakanzzeit stieg um sechs Tage auf 99 Tage, so die BA.

Besonders groß ist in NRW der Mangel an Lokführern: Hier kommen auf 100 freie Stellen nur 43 Arbeitslose. Im Schnitt sind Stellen 194 Tage unbesetzt. Wegen des Ausbaus von Bahnstrecken wie des Rhein-Ruhr-Expresses werde sich das Problem verschärfen, meint die BA. Bei Krankenschwestern kommen auf 100 Stellen 83 Arbeitslose, bei Altenpflegern sogar nur 51. Hier dauert die Besetzung im Schnitt 147 und 157 Tage. Bei Apothekern, Meistern der Sanitärtechnik, IT-Anwendungsberatern und Softwareentwicklern gibt es "moderate Engpässe".

Der Wirtschaftsboom schlägt sich auch in der Arbeitslosenstatistik nieder: Der Anstieg der Arbeitslosigkeit im Januar fiel so niedrig aus wie seit zehn Jahren nicht mehr, teilte die NRW-Regionaldirektion mit. 691.000 Menschen waren ohne Beschäftigung.

Das sind zwar 29.000 mehr als im Dezember, aber 40.000 weniger als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote lag bei 7,3 Prozent und damit 0,4 Punkte niedriger als im Januar 2017. Die Nachfrage nach Fachkräften sei unvermindert hoch. Die Unternehmen entließen sie selbst dann nicht, wenn das Geschäft saisonbedingt schlechter laufe, sagte Christiane Schönfeld, die Chefin der Regionaldirektion.

Bundesweit sank die Zahl der Arbeitslosen sogar auf den tiefsten Januar-Stand seit 27 Jahren. 2,57 Millionen sind nun ohne Arbeit, teilte die Bundesagentur für Arbeit mit. Vor einem Jahr hatte es in Deutschland noch 207.000 Arbeitslose mehr gegeben.

Und ein Ende des Booms ist nicht abzusehen. Die Bundesregierung erwartet auch im laufenden Jahr ein kräftiges Wachstum - und zwar von 2,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das seien 0,5 Prozentpunkte mehr als noch im Herbst prognostiziert und 0,2 Punkte mehr als 2017, sagte Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) bei der Vorlage des Jahreswirtschaftsberichts. Der Aufschwung setze sich nunmehr im achten Jahr in Folge fort. Gestützt werde er vom Export, vor allem aber von der Binnennachfrage, so Zypries. Der Mangel an Fachkräften sei jedoch heute schon ein Problem, das künftig größer werde.

Das liegt auch daran, dass sich immer weniger Schulabgänger für eine Ausbildung entscheiden. In den 70er Jahren gingen 70 Prozent eines Jahrgangs in die Lehre, heute ziehen fast 60 Prozent ein Studium vor. Das Handwerk fordert, mehr junge Menschen an die berufliche Bildung heranzuführen - zumal beim Studium oft Enttäuschungen drohen, meint NRW-Handwerkspräsident Andreas Ehlert.

Denn nur 20 Prozent aller Stellen entfielen auch auf Hochqualifizierte mit Entscheidungsverantwortung. "Die Zahl der Statusenttäuschten wird deshalb zunehmen", sagt Ehlert. Das Handwerk biete dagegen "eine große Menge an gut planbaren und erfolgversprechenden Karrieremöglichkeiten".

(anh/mar)
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